Darf eine links-alternative Rechtsanwältin eigentlich einen Angeklagten verteidigen, dem vorgeworfen wird, ein Nazi zu sein?
Sind die Rechtsanwälte Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl „Nazianwälte“, weil sie Frau Beate Zschäpe verteidigen?
Christian Rath schreibt in der LTO über die junge Kollegin Tina Gröbmayr, die von so genannten Linken – Mitglieder der Grünen Alternative Freiburg (GAF) – gemobbt wird, weil sie jemanden verteidigt, der der Freiburger Neonazi-Szene angehört.
Als Gröbmayr ihren GAF-Kollegen frühzeitig das heikle Engagement […] mitteilte, traten bald zwei GAF-Vorstandsmitglieder zurück, „um keinesfalls in Zusammenhang mit der Verteidigung eines Neonazis zu kommen.“. Auch die beiden Stadträte der GAF distanzierten sich von Gröbmayr. Es sei nicht vertretbar, „in einem politischen Verfahren Entscheidungen zugunsten eines Neonazis zu treffen und gleichzeitig eine Gruppe mit einer diametral anderen Politik zu vertreten.“
berichtet Rath.
Es ist bedauerlich, daß Politiker, die sich darum bemühen, Regierungsverantwortung – wenn auch nur auf kommunaler Ebene – zu übernehmen, zeigen, wie wenig sie die Prinzipien des Rechtsstaats verinnerlicht, oder zumindest verstanden haben. Linke Politiker, wohlgemerkt!
„Ein Strafverteidiger ist nicht dafür da, um Mutter Theresa zu verteidigen.“ Dieses Zitat von Rechtsanwalt Jacques Vergès halte ich regelmäßig solchem Unverstand entgegen.
Es ist ein Unding, der Kollegin Gröbmayr zu unterstellen, sie sympathisiere mit Nazis. Sie nimmt die Aufgabe einer Strafverteidigerin in einem rechtsstaatlichen Verfahren war. Sie sorgt dafür und paßt auf, daß der Staat – vertreten durch Staatsanwaltschaft und Gericht – sich an die Spielregeln hält. Regeln, die in Verwaltungsvorschriften (z.B. RiStBV) genauso enthalten sind wie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Und in allem, was dazwischen liegt (z.B. StPO).
Diese Regeln schützen nicht nur die Mitglieder der „Grünen Alternative Freiburg“, sondern eben jeden ohne Anschauung seiner Person, Gesinnung oder Herkunft. Wer filtern will, welcher Angeklagter es wert ist, unter den Schutz des Rechtsstaats zu fallen, und welcher es nicht wert – also un-wert – ist, hat die Grundsätze unserer Verfassung nicht verstanden.
Er zeugt von großem Mut und von einem sehr starken Rückgrat, einen (mutmaßlichen) Neonazi zu verteidigen. Ich käme bei solchen Mandaten auch an meine Grenze. Aber untersagte man einer linken Anwältin, Nazis zu verteidigen, überläßt man die Verteidigung „notorisch in der rechten Szene verankerten Anwälten“, also Nazianwälten, Szene-Anwälten.
PS:
Ich hätte gern einen Link auf die Website von Tina Gröbmayr und ihrem Ausbilder Ulf Köpcke; vielleicht findet jemand für mich die Seite(n).
Das Thema kam auch im Düsseldorfer Maijdanek-Prozess in den 80er Jahren auf. Problematisch wird es, wenn der Verteidiger sich vor der Kamera bewegt und die Distanz zu seinem Mandanten und dem Fall verliert. Ansonsten gilt noch immer die Regel: wer am Wege baut, hat viele Meister. Anwälte, die auf Objektivität oder auch nur Sorgfalt bei der Beurteilung ihrer Arbeit durch die Medien hoffen, werden nach meiner Meinung immer wieder enttäuscht werden.
„Ein Strafverteidiger ist nicht dafür da, um Mutter Theresa zu verteidigen.“
Das finde ich nicht fair. Selbst die Verwalterin der Armut (im Gegensatz zu denen, die z.B. mit fairen Mikrokrediten etwas dagegen tun), die die Nobelpreisrede für Volksverhetzung gegen Homosexuelle missbrauchte, hat eine ordentliche Verhandlung verdient.
Geht am Kern vorbei, finde ich.
„Es sei nicht vertretbar, „in einem politischen Verfahren Entscheidungen zugunsten eines Neonazis zu treffen und gleichzeitig eine Gruppe mit einer diametral anderen Politik zu vertreten.“ “
Es geht imho der GAF nicht darum, wen G. verteidigen „darf“, sondern dass „eigentlich“ ein Interessenkonflikt bestehen müsste.
Ist ähnlich wie mit der kath. Kirche, die keine Nicht-Katholiken und/oder geschiedene einstellt(e?) – nicht, weil es schlechte Menschen sind sondern es passt nicht zum „Image“.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein „grüner“ Abgeordneter als Anwalt zB Eon gegen Greenpeace vertritt ohne erhebliches Aufsehen und Auschluss aus der Partei ;-)
> Er zeugt von großem Mut und von einem sehr starken Rückgrat
Richtig! Denn, sollte die RAin einmal eine gewisse Berühmtheit erlangen, dann wird ihr das Etikett „Nazi-Anwältin“ oder was die Boulevard-Headline-Dichter noch so alles erfinden werden bis an ihr Lebensende angeheftet bleiben.
Beispiel: Ein Christian Ströbele wird in gewissen Kreisen bis heute nahezu ausschließlich als „der RAF-Anwalt“ bezeichnet, obwohl er sicherlich auch andere Mandante hat und hatte und ganz nebenbei auch andere berufliche Tätigkeiten vorweisen kann.
Ein Interessenkonflikt besteht nur für die extreme linke Kreise, welche den Kampf gegen Rechts mit allen MItteln wollen und jegliche Unterstützung eines Nazis (Sympathisanten) als Kampf gegen die Demokratie verstehen. Dass gewisse extreme linke Kreise selbst ein äußerst abstruses Demokratieverständnis haben, sei mal dahingestellt. Einem solchen Verständnis muss entgegengetreten werden. Wie auch ideologisch von rechts geprägten Handlungen. Die Verteidigung eines Nazis muss aber nicht derart ideologisch geprägt sein und unterstützt gerade die Demokratie. Zumal eine solche Verteidigung vermutlich demokratischer und besser erfolgen wird, als eine ideologisch geprägte Verteidung von überzeugten „Nazi-Anwälten“.
So richtig und wichtig die Ausführungen von Herrn Hoenig zum Verhältnis Verteidiger/Rechtsstaat sind, so sehr bin ich der Meinung, dass man als Verteidiger auch Rückgrat zeigen kann, wenn man bestimmte Mandanten nicht vertritt, was wirklich nahe liegt bei dem gefährlichen Vollpfosten, um den es im Freiburger Verfahren geht. Siehe: https://linksunten.indymedia.org/de/node/48002
Natürlich ist ein Anwalt für das, was seine Mandanten ausgefressen haben, nicht verantwortlich. Das Thema hatten wir schon bis zum Geht-nicht-mehr.
Trotzdem – bei Dr. Heuchemer und dessen privater Sympathie für den Mörder Gäfgen (Mordopfer Schüler Jacob), da hatte ich bei dem „Schmerzensgeldprozess“ und dem EGMR-Theater mit Strasbourg auch zum ersten male ein extrem ungutes Gefühl und irgendwo Wut auf den Rechtsanwalt, der wohl auch ein bißchen mediensüchtig ist und gern im Mittelpunkt steht.
Interessant ist, daß es sich zumindest bei einem der Anwälte von Zschäpe um einen sehr spezialisierten Anwalt zu handeln scheint, der Name ist mir bei Berichten über einen Prozeß gegen eine mußmaßliche Islamisten in Stuttgart über den Weg gelaufen.
Die Sache mit der Bezeichnung als RAF Anwalt hat Ströbele sicher nicht geschadet.
Lassen wir der jungen Kollegin die Chance, bekannt zu werden. Auch wenn sich dadurch für die etablierten Verteidiger neue Konkurrenz auftut.
[…] meinen Blogbeitrag mit dem provokanten Titel „Kein rückgratloses Charakterschwein“ zum Mobbing der Kollegin Tina Gröbmayr durch die „Grüne Alternative Freiburg (GAF)“ reagiert […]
[…] Strafverteidigung: Darf eine links-alternative Rechtsanwältin einen mutmasslichen Nazi verteidigen? […]
[…] Kein “rückgratloses Charakterschwein” | Politisches | Kanzlei … http://www.kanzlei-hoenig.de/2012/kein-rueckgratloses-charakterschwein/ […]
[…] und ihres Ausbilders Rechtsanwalt Ulf Köpcke, die einen Neonazi in Freiburg verteidigen, hatte ich berichtet. Es ging in meinem Blogbeitrag um die Frage, ob es einer links-alternativen Anwältin gestattet […]
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