Keinen Punkt, koste es was es wolle

Dem Mandanten wurde vorgeworfen, innerhalb geschlossener Ortschaften 21 km/h zu schnell gefahren zu sein. Das führte zu einem Bußgeldbescheid, der tarifgemäß einen Betrag von 103,50 Euro auswarf.

Das Problem war nicht das Geld, sondern bestand in dem einen Flens, das nicht die erste Eintragung im Verkehrszentralregister sein sollte. Das Verteidigungsstrategie stand also fest: Keinen neuen Punkt in Flensburg, solange nicht wenigstens ein paar der Vortragungen zumindest tilgungsreif sind. Das geht nicht mehr mit unserem kostenlosen Selbstverteidigungskurs, sondern nur mit geballter anwaltlicher Kompetenz.

Aber es war nicht der Verteidiger allein, der das erwünschte Ziel erreicht hatte: In dieser Bußgeldsache war ein Sachverständiger erforderlich. Denn ein Strafrichter glaubt einem Strafverteidiger auch dann kaum ein Wort, wenn der Rechtsanwalt exakt dasselbe (vorher-)sagt, was der Sachverständige dann später in der Beweisaufnahme als Gutachten liefert.

Egal, der Mandant war glücklich, daß alle drei sich einig waren und das Ergebnis paßte – 35 Euro Bußgeld, keine neuen Punkte. Die Stimmung wurde aber kurz eingetrübt, als dann ein paar Wochen später die Kostenrechnung der Gerichtskasse beim Mandanten eintraf:

Gut 900 Euro hat der Kampf ums Recht um die Fahrerlaubnis gekostet. Dazu kommen dann noch die Kosten der Verteidigung in vergleichbarer Höhe.

Der Mandant hat nochmal Glück – in Gestalt eines Rechtsschutzversicherers, der die Zusage erteilt hatte, diese Kosten zu übernehmen.

Rechtsstaat funktioniert eben nicht ohne Geld. Entweder eigenes, oder eben das einer Versicherungsgesellschaft, die es von ihren Versicherungsnehmern kassiert.

Dieser Beitrag wurde unter Ordnungswidrigkeitenrecht veröffentlicht.

17 Antworten auf Keinen Punkt, koste es was es wolle

  1. 1
    Hardy says:

    Ganz ehrlich: Wer schon so dermaßen oft aufs Maul gefallen ist mit seiner Fahrerei dass ein Punkt über Wohl und Wehe entscheidet, dem tun ein paar Monate ohne Auto wirklich gut, um sein Mütchen zu kühlen. Aber man kann davon ausgehen, dass das auch so bald der Fall sein wird; und ob die Rechtsschutz immer so brav zahlt, ist fraglich.

  2. 2
    Malte S. says:

    Ich bin ja persönlich der Auffassung, dass die Kosten von strafgerichtlichen Verfahren in irgendeiner Form nach dem Anteil des Obsiegens gegenüber dem ursprünglichen Vorwurf gequotelt werden müssen. Und die Kosten der Verteidigung sollte nicht die Landeskasse unmittelbar, sondern die anklagende oder die Anklage veranlassende Behörde aus eigenem Budget tragen. Das könnte vielleicht zu ein wenig mehr Sensibilität führen.

  3. 3
    IANAL says:

    Wir haben hier zwei Probleme: Das eine sind die Kosten des Rechtsschutzes, hier in Gestalt der Sachverständigenkosten. Das darf eigentlich nicht sein, dass das dem (erfolgreich) Rechtsuchenden aufgebürdet wird. Rechtsschutz darf nicht von den finanziellen Möglichkeiten des einzelnen abhängen.

    Aber: Wir haben mal wieder den typischen Fall desjenigen, der offensichtlich ohne Unrechtsbewusstsein seit Jahren konsequent Verkehrsregeln missachtet hat. Vermutlich war es auch nicht das erste Mal, dass er gerichtlich gegen die Konsequenzen seiner Verstöße vorgegangen ist, statt sein Fahrverhalten zu ändern. Mir fehlt da jedes Verständnis, zumal einiges dafür spricht, dass die weite Verbreitung genau dieser Haltung dazu führt, dass mehr und mehr Kostenschranken aufgebaut werden, die den Rechtsschutz für diejenigen, die ihn wirklich brauchen, verteuern bzw. verhindern.

  4. 4
    Malte S. says:

    Bei dieser „der böse Wiederholungstäter“-Argumentation wird mir ein wenig Übel. Natürlich hat auch ein Wiederholungstäter Anrecht auf ein faires Verfahren. Und wenn man von 103,50 € + 1 Flens auf 35 € runterkommt, war der Vorwurf wohl nicht so ganz zutreffend.

  5. 5
    ???? says:

    Rechtsfragen sind Machtfragen.
    Machtfragen sind Geldfragen.

    Was ist er denn gefahren?
    Bring mich Werkstatt?
    Oder Fehler in allen Teilen?
    Hätten Sie eine alte Frau, die wie Mutter Courage ihren Planwagen schräge über´n Damm zieht, auch so leidenschaftlich verteidigt?

  6. 6
    IANAL says:

    @Malte S.: Ja, natürlich hat auch der Wiederholungstäter Recht auf ein faires Verfahren. Und seinem Verteidiger mache ich hier erst recht keinen Vorwurf, der macht nur seinen Job und freut sich über den Umsatz. Das ist legitim.

    Aber aus der Tatsache, dass ein weiterer Punkt ein Fahrverbot bedeutet hätte, folgt, dass derjenige schon mehrfach erhebliche Verstöße gegen die Verkehrsregeln begangen hat. Es ist sein Recht, die Sache jedes Mal vor Gericht klären zu lassen. Aber aus der Tatsache, dass es sein Recht ist, diesen Weg zu gehen, folgt weder, dass es der einzig mögliche Weg für ihn ist, noch dass es der aus ethischer Perspektive beste Weg ist.

    Die hier dargelegten Informationen deuten jedenfalls stark darauf hin, dass dieser Mandant zumindest im Straßenverkehr nach der Maxime lebt: „Ich fahre so, wie es mir Spaß macht, und wenn sie mich erwischen, haut mein Anwalt mich schon raus.“

    Er hat das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren. Und ich habe das Recht, diese Haltung asozial zu finden.

  7. 7
    Käptn Blaumeise says:

    Das bedeutet doch an sich, dass das Aufheben eines offenbar falschen Bescheids über 80€ + 1 Pkt. nur zu Lasten der eigenen Tasche (oder der aller Versicherten) für einen mehrfachen Betrag möglich ist?

  8. 8
    tapir says:

    @IANAL:
    Dem Kommentar möchte ich mich gerne anschließen.
    So kann auf Seiten des ?n??o??t??o??r??i??s??c??h??e??n? Verkehrssünders kein Lerneffekt eintreten. Diesen Umstand finde ich bedenklich.

  9. 9
    tapir says:

    Schriftdurchstreichen via http://crazyfont.net/durch.php lief augenscheinlich nicht so glatt^^

  10. 10
    wurzelzwerg says:

    Nun, es bedeutet aber auch, dass es dem Anwalt in den vorherigen Verstößen evtl. nicht gelungen ist, den Kerl rauszuhauen.
    Ob die RV den Kunden noch länger behält stehr ja auch noch auf einem anderen Blatt.

  11. 11
    IANAL says:

    @wurzelzwerg: Mglw. waren es auch noch viel mehr Vertöße, bei denen der Anwalt ihn raushauen konnte.

  12. 12
    morphium says:

    @Malte S. „Und wenn man von 103,50 € + 1 Flens auf 35 € runterkommt, war der Vorwurf wohl nicht so ganz zutreffend.“:
    Es geht genau um 1 km/h-chen, das diesen Unterschied ausmacht.

    morphium

  13. 13
    Rasersport says:

    Entweder die Fahrer ziehen sich aus dem Verkehr.

    Oder sie ziehen andere http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/toedliche-trunkenheitsfahrt-auf-a-59-raser-wird-bedroht-id6986573.html aus dem Verkehr.

    Was ich nicht verstehe: Jeder Raser hat das Recht auf ein faires Verfahren, keine Frage. Warum geilen sich die Verteidiger aber immer so auf und gerieren sich als einzige Vertreter von Recht und Ordnung?

    Vielleicht würde ein bisschen die Klappe halten auch mal nicht schaden.

  14. 14
    Gernot says:

    @????:

    Sagen Sie, müssen Sie überall Ihren wirren Senf dazugeben? Das wirkt sehr störend, weil Sie zu wirklich jedem Beitrag irgendwelchen inhaltslosen Sermon posten.

  15. 15
    IANAL says:

    @Rasersport: Mglw. weil auch sie es in ihrem eigenen Fahrverhalten mit den Verkehrsregeln nicht so genau nehmen? Der Verdacht liegt zumindest bei solchen Beiträgen von Udo Vetter durchaus nahe: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/07/20/radarfalle-vor-dem-ortsausgangsschild/

  16. 16
    matthiasausk says:

    Ich sags mal so: wenn ich einen Anwalt brauche, um mich gegen die Willkür und Boshaftigkeit (ich bin selbstverständlich nie schuldig, klar) zu verteidigen, dann ist einer, der in derartigen Fällen die Klingen gewetzt hat, schon eine gute Wahl.
    Insofern haben auch solche Prozesse -die Frage der „Gerechtigkeit“ in diesem speziellen Fall mal nicht gestellt-. einen hohen Wert.

  17. 17
    Malte S. says:

    @morphium: Also Vorwurf unzutreffend, oder? Das kann ein Gefeilsche um einen km/h sein. Es können aber auch 10 km/h gewesen sein. Im Grunde kommt es darauf auch nicht an, wenn der anfängliche Vorwurf falsch ist.