Knastalltag im Rechtsstaat

Foto: Karl-Heinz Laube  / pixelio.deEin Spotlight auf deutsche Haftverhältnisse:

Der Zustand der in Köln-Ossendorf einsitzenden mutmaßlichen Terroristin Beate Zschäpe hat sich nach Angaben ihrer Anwälte aufgrund der Haftbedingungen und wegen Anfeindungen durch andere Häftlinge rapide verschlechtert.

war gestern in der SZ zu lesen. Die Zeitung berichtet über die Haftbedingungen, unter denen die Untersuchungsgefangene leidet.

24 Stunden Neonlicht in der Zelle. Ausschalten wollte man das Licht nicht. Aber die Gefängnisverwaltung hat ein paar Ideen, wie man der Gefangenen zu mehr Schlaf verhelfen könnte:

Zschäpe bekam eine Schlafbrille, die nach Angaben ihrer Anwälte, „über ein sehr straffes Gummiband“ verfügt, was zu Kopfschmerzen führe: Das Einschlafen werde „mittels der Maske nicht gefördert, sondern vielmehr verhindert“. Der Anstaltsarzt habe ihr geraten, tagsüber den Sportraum aufzusuchen, „um aufgrund körperlicher Anstrengungen“ nachts trotz des Lichtes einschlafen zu können. Eine Vollzugsbeamtin habe das aus Sicherheitsgründen abgelehnt und stattdessen Zschäpe den Ratschlag gegeben, im Rahmen des Hofganges Übungen mit einem „Springseil zu machen“. Wenn sie davon dann müde werde, störe das nächtliche Licht nicht mehr.

Insbesondere an den Haftverhältnissen erkennt man die Qualität des Rechtsstaats. Für diejenigen, die sich hier nicht so gut auskennen: Köln-Ossendorf liegt nicht im Irak.

Update:
ARD-Korrespondent Holger Schmidt berichtet in seinem Weblog Terrorismus in Deutschland Über die Kritik der Zschäpe-Anwälte über die Haftbedingungen und liefert weiteren Hintergrund. Auf der Website des Verteidigers Wolfgang Heer gibt es reichlich Links zu weiteren Veröffentlichungen.

(Foto: Karl-Heinz Laube / pixelio.de)

Dieser Beitrag wurde unter Knast veröffentlicht.

15 Antworten auf Knastalltag im Rechtsstaat

  1. 1
    Matthias says:

    Da jede JVA einer (effektiven) gerichtlichen Kontrolle entzogen ist, gehört das Schild „Ihre Grundrechte enden hier“ zur Warnung vor jeden Eingang.

  2. 2

    Ich stimme zu, daß man auch (!) an Haftbedingungen einen Rechtsstaat erkennnt.

    Aber die Kritik von Frau Zschäpe und ihren Anwälten ist doch ein bißchen weinerlich.
    Ich war selbst mal eine Woche in Haft: Reports about my trip to Iran in June/July 2009 – (mit Link zurück zu Ihrem Blog) – in einer rund um die Uhr beleuchteten Zelle. Man kann schlafen! Der Mensch schläft, vielleicht nach einer gewissen Weile, überall ein. Notfalls sogar im Stehen.

    Meine Tips aus Erfahrung: Auf den Bauch legen und Gesicht auf den Arm. Oder T-Shirt über die Augen.

    In meiner Zelle gab es nicht mal ein Bett, sondern ich schlief auf dem Steinboden. Allerdings war dies örtlich auch sehr nahe an dem von Ihnen genannten Irak, nämlich im Iran.

  3. 3
    JSG says:

    Licht also aus?

    Und wann gibt es dann das nächste Mal ein Verfahren, die JVA-Beamten hätten ein Suizid nicht verhindert? Denn dafür dient doch wohl die Maßnahme.

    Nein. Haft muss lebenswert sein, aber was da auch gerade wieder für die Sicherungsverwahrten von den oberen Gerichten vorexerziert wird ist frech! Die sind (hoffentlich jedenfalls) nicht umsonst da drin!

    Und sollen, nach OLG Brandenburg (?) mehr Raum bekommen als ich mir teuer miete….

  4. 4
    Deutsche Gabbana says:

    Schlafentzug ist die reinste Folter.

  5. 5
  6. 6
    Reinhard says:

    Habe die Leute noch nie was von Nachtsichtgeräten gehört?

    Oder dürfen die das nicht?

  7. 7
    Andi says:

    Und die Anwälte dürfen ihrer Mandantin keine Schlafbrille mitbringen, bei der das Band passt?

  8. 8
    josef says:

    Warum eigentlich wird da kein Nachtlicht in der Zelle in der Zelle installiert? So eine Notbeleuchtung, wie sie in praktisch allen öffentlichen Gebäuden vorhanden ist.

    Genug, um zu sehen, was in der Zelle vorgeht. Zu wenig, um einen am Schlafen zu hindern.

  9. 9
    Gerd says:

    Blogeintrag von Herrn Hoenig vom 24.9. 2009:

    Zum dritten Mal binnen vier Wochen hat sich in Berlin ein Gefangener in der Untersuchungshaft selbst getötet. Offenbar funktioniert die Überwachung der Gefangenen nicht.

    Es ist offenbar schwer, es Herrn Hoenig recht zu machen.

    • [_]: Sie haben das Problem verstanden. crh
  10. 10
    Ingo says:

    Ich habe vor einiger Zeit mal den Selbstversuch gemacht, als ich hörte dass man in amerikanischen Bootcamps unter Neonlicht schläft.

    Ich habe in meinem Schlafzimmer eine grelle Lampe installiert und sie permanent angelassen. In der ersten Nacht schaltete ich sie nach 3 Stunden aus, weil ich einfach keine Lust mehr hatte, den Schlaf der ganzen Nacht zu verschenken.

    Nach einer Woche versuchte ich es nochmal, ich schlief 2 Stunden diese Nacht – höchst unruhig. In der folgenden Nacht versuchte ich es nochmal und knipste die Lampe nach 2 Stunden völlig übernächtigt wütend aus.

    Dann noch ein Versuch mit einer Sparbirne, die deutlich dunkler war. Wieder nix. Nach etwa 4 Stunden ausgeknipst.

    Band um den Kopf macht bei mir keinen Sinn, da ich SOFORT Kopfschmerzen bekomme. Selbst bei diesen Lufthansa-Sichtschutz-Dingern..

    Sicher, Knast ist kein Zuckerschlecken, aber wenn jemand unter grellem Neonlicht schlafen gelassen wird – das geht IMHO wesentlich zu weit!

  11. 11
    JaSK says:

    Wie sehr man von Licht beim Schlafen gestört wird ist auch von Person zu Person unterschiedlich.

    Unser Schlafrhythmus wird durch eine andere Form von Lichtrezeptoren in unseren Augen festgelegt, die bei jedem Säuger unterschiedlich stark ausgeprägt sind.
    Auch viele Blinde Menschen haben diese Rezeptoren und dadurch den selben Tag-Nacht-Rhythmus wie die meisten anderen Menschen.
    Licht stört also nicht nur unmittelbar beim Einschlafen, sondern hat auch Einflüsse die wir nicht unmittelbar wahrnehmen.

  12. 12
    Das Ich says:

    Also ich verstehe das rumgeheule nicht…jeder von euch Weltmeistern ist doch bestimmt schonmal mehrere Stunden am Strand eingeschlafen…und? Wer hat die Sonne für euch ausgeknipst? Ich kann bei Licht genauso schlafen wie in Dunkelheit. Man nenn das Augenlider…die sind von der Natur dafür vorgesehen das Licht auf natürliche Weise auszumachen. Und wenn das nicht hilft, dann ab vor das EGMR…da kriegen ja selbst Heulsusen den nur ein bisschen Prügel angedroht wurde Recht. Ungeachtet dessen finde ich die Kommentare wie : Selber schuld, und sie wäre da nicht ohne Grund… ein bisschen blöd, denn es handelt sich um Untersuchungshaft…es gilt doch weiterhin die Unschuldsvermutung. Hier könnte ich mir aufgrund des Presseechos auch gut vorstellen, dass man mal 5 hat gerade sein lasssen und die Gründe für Uhaft gedeht hat bis sie passen.Nur um nicht als „Nazifreund“ in der Presse zu landen, denn bewiesen ist noch gar nichts. Nur die Presse war sich sicher die 3 Neonazis waren für alles ansatzweise Braune der letzten 20Jahre zuständig. 2 davon sind tot, die andere schweigt…Indizien? Grösstenteils wohl Fehlanzeige. Nach 6 Monaten ist die U-Haft zuende. (Wenn es da nicht wieder einen Trick gibt, ich kenne mich da nicht aus) Wir werden sehen was die Zeit bringt.

  13. 13
  14. 14
    f.loskel says:

    Danke Herr Hönig,

    offensichtlich kommentierenhier nur „Richter“.

    „Insbesondere an den Haftverhältnissen erkennt man die Qualität des Rechtsstaats.“

    Vieles spricht dafür, dass diese Frau involiert ist.

    Es tut weh, aber das müssen wir als Rechtsstaat aushalten.

    Aber wie sagte es Dieter Nuhr letztens (so wie ich es gesehen habe) Die NPD erwägt mittlerweile sogar den Verfassungsschutz zu beobachten.

    Danke, dass es Ihren Blog gibt.

  15. 15
    Bert Grönheim says:

    Die Informationslage hinsichtlich der Dauerbeleuchtung ist vage, je nachdem welche Quelle man liest. Mir fehlt auch der Hinweis auf die Schilderungen der rüden Behandlung durch Mithäftlinge. Dieser Punkt dürfte kaum durch die JVA zu beeinflussen sein. Für die Frage der Beleuchtung soll angeblich bereits eine Lösung durch Einbau eines Dimmers gefunden worden sein. Dieser sei angeblich in der Bedienung zu kompliziert. Die Betroffene hat offensichtlich Anwälte, die hervorragend die Pressearbeit betreiben. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß hier gezielte Schikane eine Rolle spielt. Das, was man aus dem Pressenebel herausfiltern kann, klingt über weite Strecken wie der allgemein als normal bezeichnete Vollzug. Dieser dürfte nur selten in die Presse kommen, da der normale Mandant in der Regel nicht so akribisch mit den Medien arbeitende Anwälte hat. Ansonsten erinnert mich das Ganze an die beginnenden 70er, wo Anwälte wie Schilly pp. seinerzeit die Isolationsfolter-Kampagne bezüglich der RAF-Gefangenen lanciert hatten. Ich würde mir bei der Beurteilung dieser Angelegenheit etwas mehr Skepsis bezüglich der im Umlauf befindlichen Informationen wünschen, egal aus welcher Quelle sie stammen. Die Betroffene steckt in einem Ermittlungsverfahren. Ein Haftprüfungsantrag läuft. Sie ist nicht verpflichtet, aktiv am Verfahren mitzuarbeiten, verzögert dadurch aber zwangsläufig die Ermittlungen. Mein Vertrauen in die Justiz ist mehr als gemischt; trotzdem kann ich hier noch keinen Skandal entdecken.