Der typische anwaltliche Allrounder – der Feld-, Wald- und Wiesenanwalt – hat es eigentlich hinter sich. Für einen „Rechtskundigen“ ist es nicht mehr leistbar, in allen Ecken des Rechts gleichermaßen kompetenten Rat zu erteilen. Deswegen gibt es Spezialisten, gut erkennbar sind in diesem Zusammenhang die Fachanwälte für ein bestimmtes Rechtsgebiet.
Nun gibt es beispielsweise den Fachanwalt für Strafrecht, also den Strafverteidiger. Schaut man sich den Teich mal an, in dem ein derart spezialisierter Rechtsanwalt angelt, muß man sich fragen, ob ein strafrechtlicher Allrounder für jede Strafverteidigung der Richtige ist.
Deutlich wird es, wenn man die Straftaten einmal genauer betrachtet, die der Normalbürger heute so begehen kann. Eine Sexualstrafsache – ich erinnere an das Kachelmann-Verfahren – stellt an den Verteidiger ganz andere Anforderungen als eine Wirtschaftsstrafsache – ich grüße Herrn Josef Ackermann. Oder man vergleiche die Verteidigung eines Magnus Gaefgen mit der eines Erich Honecker. Die Gemeinsamkeiten dieser Verfahren sind beschränkt. Ebenso die der Qualifikationen der Verteidiger.
Aber auch noch innerhalb eines strafrechtlichen Schwerpunkts gibt es Differenzierungen, das bedeutet: Raum für weitere Spezialisierungen. Gesellschaftliche oder technische Entwicklungen führen zu Veränderungen innerhalb eines Teilbereichs.
Vor noch gar nicht sooo langer Zeit wurde der Hauseigentümer wegen einer Sexualstraftat bestraft, wenn er seine Wohnung einem unverheirateten Paar überlassen hatte.
Auch und gerade die Entwicklung der Technik ist es, die Fragen der Strafbarkeit immer wieder neu stellt. Jura-Studenten werden erklären können, warum der „Stromdiebstahl“ im Jahre 1900 eine eigene Rechtsnorm bekommen mußte.
Aktuell etabliert sich das Ressort um das sogenannte „Cybercrime“. Hinweisen möchte ich in diesem Bereich auf eine neue Entwicklung. Wer die Zeit des Fido-Netzes und der Mailboxen erlebt hat, wird sich an die Problematik der Dialer erinnern. Es hat eine lange Zeit gebraucht, bis die Strafjuristen diese Unter-Abteilung der Wirtschaftskriminalität im Griff hatten.
Seit wann gibt es die sogenannten Abo-Fallen im Internet? Mir sind die ersten im Jahre 2005 untergekommen. Bis heute – sieben Jahre danach – ist die strafrechtliche Beurteilung der einschlägigen Download-Portale immer noch nicht abschließend geklärt. Rechtskräftige Entscheidungen gibt es nicht. Jedenfalls keine zitierfähigen. Die meisten Entscheidungen waren ohnehin Einstellungen durch die Staatsanwaltschaften. Daß wir keine grundlegenden Urteile der Obergerichte haben, mag auch daran liegen, daß sich die Straf-Juristen mit einer Spezial-Materie herumschlagen müssen, die viele von ihnen nur begrenzt verstehen.
Das Problem mit den Download-Portalen ist aus wirtschaftlichen Gründen nahezu gelöst. Es rechnet sich für die Betreiber schlicht nicht mehr. Deswegen sind sie vom Markt fast vollständig verschwunden. Strafrechtlich hängt man mit der Beurteilung der Uraltfälle immer noch hinterher. (Und ohne unsaubere Methoden scheint man die Sache auch auf Ermittler-Seite nicht in den Griff zu bekommen.)
Aber es gibt bereits etwas Neues, was die Strafjuristen dann in den kommenden 10 Jahren beschäftigen wird.
Holger Bleich beschreibt auf Heise Online das „Inkasso auf Fingertipp“ und warnt vor „Tükischen Abofallen in iPhone- und Android-Apps“.
Allerneuestes Cybercrime. Wieder einmal aufgehängt an der Prämisse, daß sowas doch gar nicht geht und daß das doch verboten – bestraft – gehört. Aufmacher ist der putzige Kater Tom, Geschädigte sind hilflose Kinder und es wird nicht lange dauern, bis „das Volk“ Strafen fordert, die früher einmal an Frauen für die Weitergabe von Kräutertees vollstreckt wurden.
Ich freue mich auf den neuen Tätigkeitsschwerpunkt unserer Kanzlei.
Das Telefonbetrugsgewerbe läuft auch noch blendend:
http://www.sat1.de/ratgeber_magazine/akte/video/clips/clip_call-center-abzocke_254690/
Die Grenze zwischen unseriösem aber strafrechtlich noch zulässigem Geschäftsgebaren einerseits und Betrug (mit seinen diversen Spielarten) andererseits wird bei jedem Geschäftsmodell wieder neu festgelegt werden müssen. Das war so bei den Abofallen, davor bei Dialern, Mehrwertdiensten für das Telefon und(nach Erzählungen Älterer) beim Btx. Unter etwas anderen Voraussetzungen wohl auch schon bei der Erfindung des Telegraphen, des Buchdrucks und der Schrift.
Die Grundprinzipien ergeben sich aus dem teilweise verunglückten Gesetzeswortlaut und der bisherigen juristischen Literatur und die Details aus der Frage, was die zuständigen Richter als sozialadäquat empfinden.
Letztlich: Nichts neues unter der Sonne.
Ich finde den negativen Tonfall Ihrer Kommentierung des Artikels in heise online eher störend. Sind Sie wirklich der Meinung, dass Betrug zulässig ist, weil es der Gesetzgeber versäumt oder nicht in der Lage ist,, klare Rechts Richtlinien zu schaffen?
Ein Vertrag muss meines Erachtens zwischen geschäftsfähigen Parteien in gegenseitigem Einverständnis geschlossen werden, sonst ist es kein Vertrag und es besteht auch keine Bezahlpflicht. Dieser eigentlich klare Grundsatz wird nun durch die Technik und die Bequemlichkeit der Menschen immer wieder links überholt. Der Gesetzgeber und auch die Juristen sind aber unfähig, sich in derselben Schnelligkeit anzupassen.
Andere Menschen sind die Geschädigten, aber Sie als Anwalt reiben sich die Hände, denn an den Folgen wird jetzt kräftig verdient.
Die Frage ist doch, wie diese „neuen Tätigkeitsfelder“ letztlich gehandhabt werden. Und das ist zunächst die korrekte Anwendung der Basics auf die „neuen“ Fälle.
Ich verteidige zusammen mit einem Kollegen ebenfalls in einer größeren Wirtschaftssache im Zusammenhang „mit Internet“. Und bislang war es der gute alte StGB-AT, der uns weitergebracht hat. Gut, in der Hauptverhandlung droht jetzt bisschen BT. Aber das Rad muss trotzdem nicht neu erfunden werden.
Jetzt aber erstmal bisschen Sorgerecht in Hamburg.
@ Vorredner
„Sind Sie wirklich der Meinung, dass Betrug zulässig ist, weil es der Gesetzgeber versäumt oder nicht in der Lage ist„ klare Rechts Richtlinien zu schaffen?“
Dieser Meinung ist auch der Grundgesetzgeber, der den Grundsatz „Nulla poena sine lege“ als grundrechtsgleiches Recht normiert hat. Man kann eben nur bestraft werden, wenn der Gesetzgeber klare „Rechts Richtlinien“ geschaffen hat. Das mit dem gesunden Volksempfinden ging nämlich schon mal gehörig schief!
„Vor noch gar nicht sooo langer Zeit wurde der Hauseigentümer wegen einer Sexualstraftat bestraft, wenn er seine Wohnung einem unverheirateten Paar überlassen hatte. “
Dazu fällt mir immer wieder auf, dass je weiter in den Süden der Republik man vordringt, die Meldeformulare in Hotels bei Doppelzimmern auch heute noch oftmals für den zweiten Zimmerbewohner nur den Vornamen abfragen. Logisch. Der Nachname ist ja ohnehin derselbe wie beim ersten Gast. :)
[…] Kollege Hönig beklagt sich hier unter anderem darüber, daß sich manche Strafrechtler mit einer Materie herumschlagen, die […]
[…] hatte bereits Anfang Januar in einem Blogbeitrag auf einen Artikel von Holger Bleich in der ‚ct hingewiesen. Bleich beschrieb darin „innovative […]