Eine kleine Geschichte aus dem Ausbildungsprogramm eines Referendars, der es nicht vermeiden konnte, sich bei der Staatsanwaltschaft ausbilden lassen zu müssen.
Die Anklage wäre – nach Ansicht des Referendars und des Verteidigers – schon nicht zulassungsfähig gewesen. Es war eben kein Betrug (§ 263 StGB), sondern ein Computerbetrug (§ 263a StGB), den man dem Angeklagten vorgeworfen hatte. Auch im übrigen enthielt der konkrete Anklagesatz eine Menge indifferentes Zeug.
In der Beweisaufnahme stellte sich dann endgültig heraus, daß dem Angeklagten die Tat nicht nachgewiesen werden kann. Eine Telefonnummer, die auf einen Dritten angemeldet ist, kann eben allein kein Täter-Nachweis für eine über diese Telefonleitung durch den Angeklagten verübte Tat sein.
Folgerichtig beantragte der Referendar als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Freispruch; diesem Antrag schlossen sich Verteidiger und Richter an.
Der Staatsanwalt, dem der Referendar über diesen Fall berichtete, war nicht sein Ausbilder, sondern dessen Vertreter, der den Fall und die Akte nicht kannte. Gleichwohl bekam der arme Auszubildende einen Rüffel:
In dieser Abteilung werden keine Freisprüche beantragt.
Basta!
15 Minuten später hat der Vertreterstaatsanwalt die Berufung gegen den Freispruch an das Amtsgericht übermittelt. Ich bin mir sicher, daß diese Art der Ausbildung dem Referendar einen bleibenden Eindruck vermittelt hat.
Die Staatsanwaltschaft ist eben eine objektive Behörde und ermittelt „auch die zur Entlastung dienenden Umstände“ (§ 160 II StPO). Und Käse ist ein Gemüse.
Bild: w.r.wagner / pixelio.de
Die Erfahrung hatte ich leider auch viel zu häufig.
So wurde aus meinem „Das sollten wir einstellen wegen xy“ immer ein „Ach wir gucken uns die Leute mal vor Gericht an, vlt. verplappern die sich ja noch“
Für die Verhandlungen war die Vorgabe bei solchhen Freispruchsachen meist „Wenn wir da noch nen paar Sozialstunden oder ne Geldauflage kriegen ist auch gut“
Meine VertretungsStA’in war jedoch genau anders gestrickt, die hat auch in der Vorbereitung mal über die Kollegin und ihren Anklagewahn geschimpft
Die StA in Kiel hats in nur 4 Monaten geschafft, mich davon zu überzeugen, dass § 344 StGB eine extrem hohe Dunkelziffer hat.
Insbesondere bei Körperverletzungen bei zwei beteiligten Personen rate ich inzwischen, auch bei allerprimitivsten Zwischenfällen sofort auf das schnellste Strafanzeige gegen den anderen zu erstatten. Man muss dem anderen mit dessen Strafanzeige unbedingt zuvor kommen. Entscheidend ist, in welche Richtung man die Lok der Modelleisenbahn (= StA) auf’s Gleis setzt. Die StA später davon zu überzeuigen, dass Geschädigten-und-Täter-Rollen genau anders verteilt sind als bei der ersten Aktenlage, ist kaum möglich.
Davon kann ich ebenfalls ein Lied singen.
Die Zustimmung zu einer 153er Einstellung wurde übrigens auch gerne mal mit dem Satz „Zur Vermeidung eines Freispruchs“ begründet. Ich bekomme immer noch ’ne Hassader, wenn ich an die Zeit zurück denke.
In puncto Zulassung 263/263a müssen dann aber sowohl Referendar als auch Verteidiger nochmal nachsitzen. Die Anklage ist in einem solchen Fall sehr wohl zulassungsfähig, allerdings muss das Gericht auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt im Eröffnungsbeschluss hinweisen.
Die angeborene Objektivität der Staatsanwaltschaft schlägt sich auch im Revisionsrecht nieder. Ich habe es erst zweimal erlebt, daß eine Generalstaatsanwaltschaft beantragt hat, der Revision stattzugeben. Ansonsten wurde immer beantragt, die Revision als „offensichtlich unbegründet “ zurückzuweisen. Verfahrensrügen werden grundsätzlich als unzulässig angesehen, nach dem Motto: „Die Revision trägt nicht vor, welche Farbe das Hemd des Schöffen hatte.“.
Gleichwohl haben die Mehrzahl „meiner“ Revisionen Erfolg, was jedoch nicht meiner Genialität geschuldet ist, sondern weil ich mit Revisionen sparsam umgehe und sie nur Einlege, wenn Verfahren oder Urteil einen offensichtlichen Fehler enthalten, der den Erfolg der Revision überwiegend wahrscheinlich macht. Aber selbst bei diesen offensichtlichen Fällen, beantragen die Sachbearbeiter der Generalstaatsanwaltschaft, zumeist „einfache“ Staatsanwälte, die auf ihrer Karriereleiter offenbar als Oberreferendar zur GStA abgeordnet wurden, wider jede Seriösität die Verwerfung der Revision. Verstehe ich nicht. (Bei der Generalbundesanwaltschaft sieht es besser aus).
Moment mal: die Staatsanwaltschaft, vertreten durch Referendar X, beantragt Freispruch, um dann (nunmehr vertreten durch StA Y) gegen das ihrem Antrag entsprechende Urteil Berufung einzulegen? Wäre ich der Richter, würde ich sagen, da hält mich die Staatsanwaltschaft für einen Affen.
@4: Der Angeschudligte bzw. Angeklagte schien aber auch damit einverstanden gewesen zu sein, oder?
@ 6: Das Problem ist, dass die Revisionsführer immer meinen, dass ein ganz klarer Fall vorliegt. Leider ist es in der Regel so, dass die Revisionsführer es sind, die vom Wesen der Revision keinen Schimmer haben, seitenlang dummes Zeug schreiben und dann ärgerlich sind, wenn sie ihr Rechtsmittel vom Senat mit einem Dreizeiler um die Ohren bekommen.
@Zwerg
Was hat das damit zu tun, daß auch erfolgreichen Revisionen oftmals ein Verwerfungsantrag der GStA zugrundeliegt?