Das Landgericht Tübingen hat zwischen Weihnachten und Silvester 2011 gezeigt, welche katastrophalen Auswirkungen der Genuß von zuviel Feststagsgebäck haben kann.
Die Richter (oder waren es auch Richterinnen?) vertreten – mutmaßlich nach dem Mißbrauch besagter Kekse – allen Ernstes am 29.12.2011 die Ansicht (1 QS 248/11 OWi), die Durchsuchung einer Wohnung und Beschlagnahme einer Lederhose im verkehrsordnungswidrigkeitrechtlichen Bussgeldverfahren sei verhältnismäßig.
Offenbar war es der Bußgeldbehörde nicht gelungen, den Moppedfahrer zu identifizieren, der mit 39 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft zu schnell unterwegs gewesen sein soll.
Und nun wußten die Herrschaften von der Rennleitung nicht, gegen wen sie das Bußgeld in Höhe von sage und schreibe 120,00 Euro verhängen sollen. Schlechthin unerträglich war auch, daß die 3 Flens, die dafür vergeben werden, nicht an den Mann (oder die Frau) gebracht werden konnten. Immerhin: 2 km/h mehr und es wäre sogar ein Fahrverbot von einem kompletten Monat fällig gewesen. (Wenn denn nicht andere Gründe – fehlerhafte Messung, falsche Bedienung, fehlende Ausbildung der Meßdiener … – entgegen gestanden hätten.)
Deswegen waren die Ordnungshüter und dann auch das Gericht der Meinung, eine Wohnungsdurchsuchung, die der Identifizierung eines Fahrers dient, sei keineswegs ungeeignet. Auch sei im Verhältnis zur Schwere der Tat (Hört! Hört!) die angeordnete Durchsuchung angemessen.
Denn immerhin, so entschied das Hohe Gericht, bildet zumindest das Auffinden der Motorradbekleidung ein wichtiges Indiz in der Beweiskette.
Warum eigentlich nicht gleich auch einen Haftbefehl gegen den Halter des Motorrades vollstrecken, seine DNA feststellen und die Lederhose (Tatwerkzeug!) einziehen, den Arbeitgeber benachrichtigen und die Krankenkassenbeiträge verdoppeln?!
Wenn es nicht so verdammt viel Mühen machen (vulgo: Geld kosten) würde, dann sollte man solche willkürlichen Zwangsmaßnahmen mal einem kompetenten Verfassungsrichter vorlegen; ich möchte meinen, der bekäme schlagartig Pickel von so einer Entscheidung.
Bild: Peter Smola / pixelio.de
In der Tat ist eine Dirchsuchung wohl unverhältnismäßig zu der zu erwartenden Strafe. Allerdings ist auch die Strafe sehr gering im Verhältnis zum Vergehen. Fast 40 zu schnell zu fahren gefährdet Menschenleben.
Ignorieren wir mal die Frage der Verhältnismäßigkeit: Wie wird denn begründet dass die konkrete Wohnung durchsucht wird? Halterwohnung? Von wegen Lebenssatz dass der Fahrer immer auch der Halter ist?
Bitte, bitte sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist. Wir schreiben doch den 1. April, oder? Bitte, bitte, bitte.
Das zu suchende Beweismittel war die Motorradkluft des Betroffenen – gibt er die heraus, findet die Durchsuchung nicht statt. Hätte er doch einfach machen können, wenn er keine Polizeibeamten im Schlafzimmer haben will.
Juhu, der Fahrzeughalter hat eine Lederhose! Das beweist bitte was genau?
Eine Hausdurchsuchung ist sicherlich übertrieben. Allerdings würde ich dem Fahrzeughalter den Führerschein aberkennen, denn mit hochgradiger Amnesie (weiß nicht wer sein Fahrzeug hatte) stellt man doch eine Gefahr im Straßenverkehr dar.
Unter Bikern gilt man doch schon als Idiot, wenn man gegen einen Bußgeldbescheid nichts unternimmt – schließlich ist die Identifizierung wegen des Helms immer schwierig. Wer normale strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen in diesen Fällen immer gleich für unverhältnismäßig erklärt, leistet solchem Denken und damit der blindwütigen Raserei weiteren Vorschub.
und
„Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen“
@Opa Hans:
„Fast 40 zu schnell zu fahren gefährdet Menschenleben“
Als Motorradfahrer meist das eigene. Außerdem geht es nicht um die Geschwindigkeit selber. Auch bei 30km/h kann man ohne Probleme sterben,
Bei solchen allgemeinen Aussagen wie der Ihren muss man IMHO immer die Gesamtsituation beurteilen von der Sie keine Ahnung zu haben scheinen.
@Jens
Nee, is klar, wer nix zu verbergen hat…
Diese Einstellung kennt man, da muß man dann halt alles hinnehmen. Nächstes Mal bitte gleich selbst zur Wache gehen. „Verhaftens mi, i bin schuldig… Die Hosen lass i glei hier nunter.“
War bestimmt ein Rocker, da muß man mit voller Härte zuschlagen – NULL TOLERANZ STRATEGIE – sind eh alles Penner, diese Motorradfahrer, die haben KEINE Rechte.
(Das war Sarkasmus, falls das jemand nicht kennt.)
@ Andreas / No. 6
Das hat mit Amnesie überhaupt nichts zu tun. Wer Beschuldigter einer Tat ist, muss sich überhaupt gar nicht zu Sache äußern. Auch nicht, ob jemand anders gefahren ist und wer das sein könnte und zwar unabhängig davon, ob dem Beschuldigten als Zeuge ein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich des wahren Fahrers zusteht.
Ach ja, für zulässiges Verteidigungsverhalten kann man in Deutschland übrigens nicht bestraft werden…
….blubber, blubber, blubber :-).
Der Raser wurde verurteilt, das OLG Stuttgart hat die Rechtsbeschwerde verworfen. Denn: Die Durchsuchung war ein voller Erfolg – in Verbindung mit einem anthropologischen Vergleichsgutachten, das sich (auch) auf die Kleidung als Anküpfungstatsache stützen konnte.
Ätsch!
Nur weil es nur um 120,-€ geht soll eine Durchsuchung nicht gerechtfertigt sein?
Gibt z.B. eine Spedition den Fahrer in einer Bußgeldsache nicht an, werden auch hier regelmäßig Durchsuchungen zur Auffindung von Tachoscheiben/Fahrerkarten gemacht. Würden wir endlich eine Halterhaftung einführen, hätten wir diese „Geldverschwendung“ nicht mehr.
@Jens:
Ich bezweifle, dass sich die Polizei mit Herausgabe irgendeiner Motorradkluft zufrieden gegeben hätten (insbesondere dann, wenn die Sachen nicht mit dem Photo übereinstimmen). Viele Biker haben ja noch eine zweite (alte) Motorradkluft im Schrank.
Das stellt vieles in den Schatten, was man so hört.
Bin auch mal Motorrad gefahren. Ohne Helm und ohne Führerschein. Sogar im dritten Gang.
Wir sind nicht geschnappt worden.
Der Eigentümer des Fahrzeuges war der Solobratscher im Jugendsinfonieorchester.
Das zum Thema Motorradrocker.
Die Bullen können kommen.
Die Sache liegt 30 Jahre zurück.
Hatte der gut Mann zufällig einen Totenkopf auf seiner Kutte und irgendwas mit 1%? Obwohl, für 139 km/h agO braucht so ’ne Harley schon etwas Anlauf.
Weil wir beim Thema forciertes Fahren sind – Herr Hoenig, sieht man Sie evtl. morgen mit der RSV4 hier:
http://www.timeroundscup.de/termine/
Wenn es nicht in Strömen gießt, werde ich mal hindüsen.
*blubber,blubber, blubberbluber*
…nein, der unartige Bürger war kein krimineller Rocker (hat auch keinen interessiert) und hatte keine Punkte in Flensburg. Natürlich hat er einen Reiskocher gefahren.
Die Kommentatoren, die sich über den Raser beschweren, haben natürlich recht. Hätte er nicht machen sollen.
Aber darum geht es nicht.
Es geht darum, daß die Unverletzlichkeit der Wohnung die Richter einen Scheißdreck kümmert. Und das nicht wegen einer Straftat, sondern wegen einer Ordnungswidrigkeit. Im Grunde also wegen nichts Wichtigem.
Nun kann man darüber nachdenken, ob man solche Raser zu Straftätern erklären will. Aber bis das (hoffentlich nicht) soweit ist, sollte man dem Richter, der das erlaubt hat, mal wegen „falsch Parken“ die Bude durchsuchen lassen. Das ist nämlich auch eine Ordnungswidrigkeit und kann an der falschen Stelle sogar noch teurer als 120 Euro sein.
Allererste Sahne sind hier ja auch diese undifferenzierten Betrachtungen von zu schnellem Fahren: wer Mittags auf dem komplett leeren Autobahnzubringer 40 km/h zu schnell fährt, DER IST EIN MASSENMÖRDER!!!!! UND EIN KINDERSCHÄNDER! EIN RÜCKSICHTSLOSER NOCH DAZU!
@ Anderer Andreas:
„…für zulässiges Verteidigungsverhalten kann man in Deutschland übrigens nicht bestraft werden…“
Sorry, aber Sie verwechseln offensichtlich „kann“ mit „darf“.
[…] hönig: Wohnungsdurchsuchung wegen 39km/h auf dem Mopped. Soviel zur Unverletzlichkeit der Privatsphäre im 4. […]