Unsere Staatsanwaltschaft ist die Kavallerie der Justiz. Das ist hinlänglich bekannt. Nun haben diese als „Infanterie oder Fußtruppe bezeichnete, zu Fuß kämpfende, mit Handwaffen ausgerüstete Soldaten der Bodenstreitkräfte“ noch eine besondere Abteilung zur Verfolgung von besonderen Straftaten bekommen.
Also wenn jetzt ein Kavellerist (im engeren Sinne) einem anderen ins Nierchen geboxt und sich das Ganze dann im – sagen wir mal – Massiv von Hindu abgespielt hat, dann gibt es extra dafür einen Kavellerist (im übertragenen Sinne), der im schönen Kempten (Allgäu) einen Aktendeckel anlegt.
Bisher war es nämlich so, daß Auslandsstraftaten von Armeeangehörigen erst einmal in Potsdam beamtshandelt wurden. Dort freuten sich die Staatsanwälte darüber, daß sie die Akten dann weiter geben konnten („Dafür bin ich nicht zuständig!„). Und zwar an den Staatsanwalt, dessen Resopal-Schreibtisch zufällig in der Nähe des Wortortes des Nierchenboxers Soldaten stand.
Dies hatte im Zweifel für den Soldaten und seinen Strafverteidiger zur Folge, daß man es mit einem völlig ahnungslosen Strafverfolger zu tun hatte: Was versteht der für Burgwedel zuständige Staatsanwalt schon von den sozialadäquaten Umgangsformen der im Hindukusch stationierten deutschen Freiheitskämpfer. Dafür braucht man eben hochqualifizierte Spezialisten. Haben jedenfalls die Soldaten und der Bundeswehrverband gefordert, die das ja wissen müssen.
Und deswegen hat der Bundesrat am Freitag ein Gesetz gebilligt, das für solche Fälle (in 2011 waren es 26 (sechsundzwanzig, also etwas mehr als zwei Dutzend)) eine eigene Behörde – eben diese Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Kempten im Allgäu – einrichtet. Wir hamm’s ja. Und schneidige Staatsanwälte in Militäruniformen hatten wir ja auch schon mal.
Angeblich gibt es ja das Nord-Süd-Gefälle in der strafrechtlichen Verfolgungsbereitschaft. Ob es im Sinne der Soldaten ist, eine der südlichsten Staatsanwaltschaften auszuwählen?
@Zivilist: Für den der nicht in die Nieren geboxt werden will schon
@Zivilist: Wenn Sie beobachten auf welch lahmen Kleppern die bayrische Kavallerie der Justiz daher geritten kommt, wenn es um die Verfolgung von Straftaten begangen durch Einsatzkräfte im Dienst geht wird ihnen die Wahl eines im Bayerns Peripherie gelegenen Standortes plausibel: Dort kann man die Akten ungestört liegen lassen & die Verfahren mit Ablauf der Verjährungsfrist seelenruhig einstellen.
Ich dachte immer, Kavallerie sei die Reitertruppe, nicht die Fußtruppe. Irre ich?
@Zivilist: Ja sicher. Ich erinnere mich, dass vor einigen Monaten, als die Standortfrage zugunsten von Kempten (und gegen Potsdam, das auch Interesse gezeigt hatte) entschieden worden war, die FAZ erleichtert schrieb (ich zitiere sinngemäß aus dem Gedächtnis): „Kein Justizminister der Linkspartei wird der für die Soldaten im Auslandseinsatz zuständigen Staatsanwaltschaft Weisungen erteilen.“
@RALP
Ich habe den syntaktischen Zusammenhag auch nicht verstanden. Kavallerie, von caballus, spätlateinisch für Pferd, ist jedenfalls die Reitertruppe und das, was da nachfolgend auch für mich wie eine Definition aussieht, ist der Wikipediatext zu „Infanterie“.
Man braucht vielleicht keinen Superspezialisten, aber jedenfalls jemanden, dem nicht bei jedem Fall aufs Neue Dienstgrade und die beim Militär üblichen Abkürzungen und der Jargon erklärt werden müssen o („Am Checkpoint XYZ kam es um 1100 Z zu einem Zwischenfall mit einem VBIED. Kräfte der QRF am PRT KUND verlegten daraufhin mit SPz nach XYZ ….. Dabei soll HG (UA) Brause vom 2.Ktg. QRF MES beim Fertigladen der auf Lafette montierten GMW unter Außerachtlassung der ROE eine unbeabsichtigte Schussabgabe herbeigeführt haben, bei der StUffz Brausenmeier, zwei Mitglieder ANA und 1 INS ein Knalltrauma erlitten“.
Zum „Wir haben es ja“:
Finanziell ist es relativ wurst, ob ein Staatsanwalt aus Kempten oder Flensburg ggf. auch mal nach Afghanistan fliegt, die meisten Ermittlungen vor Ort führen ohnehin erst einmal die Feldjäger durch, da die Polizei aus Königswusterheide einige Zeit bräuchte, bis sie mit ihrem FuStW in Mazar-e-Sharif ankommt.
Was ist denn ein ein VBIED und ein INS?
INS- = Insurgent (Aufständischer)
VBIED Vehicle Borne Improvised Explosive Device = vulgo: Autobombe
Ich versuche es mal als Zivilist zu übersetzen:
„Am Kontrollpunkt XYZ kam es gegen 15:30 Uhr Ortszeit zu einem Zwischenfall mit einem Fahrzeug, das einen Sprengkörper beinhaltete. Kräfte der Schnellen Eingreifruppe des Wiederaufbau-Teams für die Provinz Kunduz verlegten daraufhin mit Spähpanzer nach XYZ ….. Dabei soll Hauptgefreiter (Unteroffiziersanwärter) Brause vom 2. Kontigent Schnelle Einsatztruppe Mazar-e-Sharif beim Fertigladen der auf Lafette montierten Granatmaschinenwaffe unter Außerachtlassung der Einsatzregeln eine unbeabsichtigte Schussabgabe herbeigeführt haben, bei der Stabsunteroffizier Brausenmeier, zwei Mitglieder der afganischen Nationarmee und 1 Aufständischer ein Knalltrauma erlitten“
Soweit meine laienhafte Übersetzung. Sollte ein Volljurist eigentlich auch hinbekommen…
Ich kann mir zwei Gruppen Volljuristen vorstellen, die die Abkürzungen googlen müssten…:
1. Solche, die nicht gedient haben.
2. Solche, die zwar gedient haben, aber deren „Feind“ noch der Iwan war…..
@meine5cent: Fachjargon und Aküfi gibt es in so ziemlich jeder Berufsgruppe. Und es gibt eine ganze Reihe von Berufen, bei deren Ausübung es öfter mal zu Straftaten kommen kann (Polizist, Steuerberater, Arzt, BankberaterVertriebler im Außendienst etc. pp.). Soll man für die alle Schwerpunktstaatsanwaltschaften einrichten?
nee, is klar, Schwerpunktstatatsanwaltschaft einrichten kostet mehr, als wenn normale Staatsanwälte sowas bearbeiten. Wahrscheinlich soviel mehr, wie ein Fachanwalt für Strafrecht mehr an Pflichtverteidigergebühren erhält als ein sonstiger Anwalt.
Oder anders ausgedrückt: da werden bloß schon existierende Staatsanwwälte zusätzlich mit dieser Aufgabe betraut (mglw. gegen Entlastung), aber doch keine neuen Stellen geschaffen. Also finanziell ein Nullsummenspiel.
Den Vorteil einer Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft sehe ich eher in den besonderen Umständen unter denen die Soldaten da arbeiten.
Nicht alles was da passiert und hier glasklar wäre, ist dort auch so zu bewerten.
Wenn man jederzeit mit Anschlägen und Angriffen und anderen Bedrohungen auf das eigene Leben und das Leben der anderen Soldaten befürchten muss, ist eine Schussabgabe zB. durchaus anderes zu bewerten als wenn einem Soldat in Deutschland bei einem wie auch immer gearteten Einsatz so etwas passiert.
Ich will das nicht schön oder klein reden, auch nicht befürworten, nur muss diese Belastung in die Beurteilung mit einfließen.
Wenn es hier *bumm* macht, wars wohl eher eine Fehlzündung oder ein Kracher – wenn es da *bumm* macht, war es eher eine Bombe oder ähnliches – ob dieser Druck von jedem lokalen Staatsanwalt nachvollzogen werden kann (der im „schlimmsten“ Fall nicht mal seinen Wehrdienst geleistet hat), ist dann eben fraglich – und ob dann die eventuelle Anklage dann so ist wie sie sein sollte kann ich mir nicht wirklich vorstellen.
jm2c
Eine Schwerpunkt-StA garantiert (sollte es zumindest), dass ähnliche Sachverhalte auch ähnlich bearbeitet (angeklagt / eingestellt) werden und dies nicht von dem Zufall abhängt, wo der betreffende Soldat gerade seinen Wohnsitz hat.
@ jm2c:
Nun jä, der StA, ob gedient oder verweigert oder gar (keuch) ausgemustert, interessiert sich ja erstmal nur für die Strafbarkeit eines Verhaltens. Und die sollte für unsere armen Hindukuschverteidiger die gleiche sein wie zuhause. Die besondere afghanische Situation der Bundis fließt wohl idR erst bei der Strafzumessung ein und das ist (abgesehen von Strafvorschlag des StA) Richterterritorium. Dafür braucht´s keine SchwerpunktStA. Richter wiederum sind allwissend und allmächtig und können sich in jede Lage und Personen einfühlen. Deswegen gibt´s ja für die Bundis auch keine Sonderrichter (abgesehen von den Jungs und Mädels am IStGH, von denen ich hoffe, dass den Bundis nichts einfällt, was die interessieren könnte…).