Vorschläge aus dem Elfenbeinturm

Richter am Arbeitsgericht Düsseldorf BenrathArbeitsrecht ist zwar nicht so unbedingt das Revier, in dem unsere Kanzlei sich tummelt. Aber im Vergleich zu einem Rechtsanwalt dürfte der Abstand eines Richters zu unternehmerischen Entscheidungen noch ein gutes Stück größer sein.

Prof. Stoffels berichtet im Beck-Blog über eine Entscheidung des Arbeitsgerichtes (ArbG) Düsseldorf (vom 15.5.2012 – 2 Ca 2404/12). Das Gericht beantwortete die Frage, ob ein Arbeitgeber die Kosten für einen Flug erstatten muß, die dem Bewerber um eine offene Stelle entstanden sind für die – innerdeutsche – Anreise mit dem Flugzeug zum Vorstellungsgespräch.

Der Richter am Arbeitsgericht hält folgenden Vorgehen für sinnvoll:

Ein Bewerber, der mittels Flugzeug anreisen will, könne sich schlicht an den potentiellen Arbeitgeber wenden und anfragen, ob dieser Reisekosten per Flugzeug übernimmt.

So ein Vorschlag kann wirklich nur von jemandem stammen, der die in Watte gepackten öffentlichen Ausschreibungen des öffentlichen Dienstes für das Maß aller Dinge hält. Wenn jemand, der Arbeit sucht, Ansprüche formuliert, noch bevor er irgend einen Handschlag gemacht hat, sollte sich nicht wundern, wenn er mit dieser Einstellung beim Arbeitsamt zum Stammkunden wird.

Aber woher soll ein Richter das auch wissen? Stammt er doch im statistischen Mittel aus gut bürgerlichen (im Zweifel verbeamteten) Verhältnissen, hat ein altsprachliches Gymnasium besucht, bevor er auf direktem Weg in die heimatnahe Universität wechselte und mit Prädikatsexamina übergangslos in den Justizdienst übernommen wurde.

Nicht den Hauch einer Chance, irgendwann mal das ernsthafte Leben kennenzulernen … aber denjenigen dann Verhaltensvorschläge machen wollen, die ihren Lebensunterhalt nicht monatlich am Ersten im Voraus garantiert bekommen.

Bild: Thomas Max Müller / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht.

19 Antworten auf Vorschläge aus dem Elfenbeinturm

  1. 1
    Werner says:

    Sie halten es im Ernst für üblich und „lebensnah“, dass einem Bewerber ohne vorherige Absprache die vorausgesetztermaßen erheblich höheren Flugkosten erstattet werden??

  2. 2
    Ref.iur. says:

    @Werner:

    Ich habe mich zum Glück noch nicht für meine Anwaltsstation beworben. Falls Herr Hoenig mich zum Vorstellungsgespräch einlädt, werde ich selbstverständlich hinfliegen :)

  3. 3
    Hardy says:

    „Der Richter am Arbeitsgericht hält folgenden Vorgehen für sinnvoll:

    Ein Bewerber, der mittels Flugzeug anreisen will, könne sich schlicht an den potentiellen Arbeitgeber wenden und anfragen, ob dieser Reisekosten per Flugzeug übernimmt.“

    Dieses Vorgehen, lieber Arbeitsrechtsexperte, ist in der Industrie absolut üblich, zumindest bei Akademikern. In einem solchen Gespräch sitzen meist der Personalleiter, der direkte Vorgesetzte, der darüber angesiedelte Vorgesetzte. Macht bei 2h Gespräch insgesamt 6 Mannstunden – demgegenüber sind die heute üblichen 200 € für einen Inlandsflug „Peanuts“. Gegenzurechnen sind zudem noch der Preis einer Fahnkarte oder die ortsüblichen 30ct/km.
    Ums kurz zu machen: Der Vorschlag des Richters war vernünftig und richtig.

    Aber woher soll ein selbständiger Anwalt das auch wissen?

    „Nicht den Hauch einer Chance, irgendwann mal das ernsthafte Leben kennenzulernen “

    Tja, das kann man auch auf andere Berufe übertragen, nicht wahr.

  4. 4
    Reinhard says:

    Lebensfremd ist es, die Frage „Flugzeug oder nicht“ überhaupt in Erwägung zu ziehen.

    Fliehen *kann* selbst innerhalb Deutschlands weit billiger sein als die Bahn. Wieso sollte es um etwas anderes gehen als um Kosten in einem vernünftigen Rahmen?

    429,62 Euro Hamburg-Düsseldorf und zurück? Hätte er ja auch gleich ein Taxi nehmen können.

  5. 5
    moep says:

    Was soll jetzt daran so schlimm sein nachzufragen?

    Bin auch mal für ein Vorstellungsgespräch nach Stuttgart eingeladen worden. Auf dem Vordruck stand pauschal drauf, dass Bewerbern 25 cent pro Kilometer erstattet werden.

    Bei Anfahrt von Flensburg hab ich da natürlich nochmal Rücksprache gehalten und in Ansprache die Bahn gewählt. Hat mir auch niemand übel genommen.

  6. 6
    BV says:

    Meines Wissens muss der potenzielle Arbeitgeber die Kostenübernahme konkret ablehnen. Wenn er das nicht macht, sind die Kosten für das Vorstellungsgespräch erstattungsfähig. Sobald man an diesem Punkt angelangt ist, geht’s doch letztlich nur noch um Kostenersparniserwägungen und die Verhältnismäßigkeit. Wenn Fliegen – ggf. auch unter Berücksichtigung von sonst notwendigen Übernachtungskosten – günstiger ist, sollte auch geflogen werden dürfen. Wenn der Flug von Hamburg nach Frankfurt zur Hauptgeschäftszeit deutlich teuer wird als eine Bahnfahrt, ist halt letztere zu wählen.

  7. 7
    IANAL says:

    Der Kapitalismus ist so, wie er ist, und dazu gehört, dass es nicht nur eine Lebensrealität für (potenzielle) Arbeitnehmer gibt.

    Wer bspw. das „Glück“ hatte, als frischgebackener Absolvent eines geistewissenschaftlichen Studiengangs aus 500 Bewerbern zu einem Vorstellungsgespräch für ein Volontariat bei einer PR-Agentur eingeladen zu werden, wird seine ohnehin geringen Chancen kaum durch eine Anfrage nach der Übernahme eines Flugtickets schmälern wollen. Für Massenjobs mit eher geringen Qualifikationsanforderungen und für solche mit einem deutlichen Überangebot an Bewerben sieht es ähnlich aus.

    Wer als Ingenieur mit gesuchten Spezialkenntnissen aus ungekündigter Stellung von einem Industriekonzern umworben wird, kann selbstverständlich mit dem Flugzeug anreisen. Das Unternehmen wird seine Chancen, diesen Kandidaten zu gewinnen, kaum durch Zickigkeit bei der Kostenübernahme schmälern wollen. Von Kandidaten für höhere Managementpositionen nicht zu reden.

    Offenbar gehören zur Klientel von CRH eher die Angehörigen der ersten Gruppe. Das ist löblich.

  8. 8
    IANAL says:

    @ Reinhard: Nicht wenige Unternehmen, für die die Anreise per Flug völlig normal ist, und die auch gleich für die Bewerber die Buchung übernehmen, buchen prinzipiell nur kostenfrei stornierbare Tarife. U.a. weil man sich dann den Streit um die Kostenübernahme spart, wenn der Termin platzt.

  9. 9
    PH says:

    Kann die Richterschelte ebenfalls nicht nachvollziehen.
    Niemand muss die Erstatung von Fahrtkosten nachfragen, diese werden unter bestimmten Umständen nach der Rechtsprechung erstattet. Und ab einer bestimmten Position dürfte auch 1. Klasse Bahn etc. nicht zur Diskussion stehen. Bei solchen Stellen kann ruhig nachgefragt werden, zumal man bei einer Anfrage sowieso im Sekretariat landet.
    Und für einfache Jobs sollte man einen gesunden Menschenverstand haben, der eine günstige Fahrt in Betracht zieht. Wer dennoch hohe Kosten produziert, sollte sich nicht wundern.
    Als Strafrechtler sollte man vielleicht auch mal lebensnah denken.

  10. 10
    Hardy says:

    @IANAL:

    „Wer bspw. das „Glück“ hatte, als frischgebackener Absolvent eines geistewissenschaftlichen Studiengangs aus 500 Bewerbern zu einem Vorstellungsgespräch für ein Volontariat bei einer PR-Agentur eingeladen zu werden (….)“

    –> vdi-nachrichten.com/vdi-nachrichten/aktuelle_ausgabe/heikomellrecherche.asp?number=2577

    „Interesse, Begabung, Arbeitsmarkt. Ja, auch der Arbeitsmarkt spielt eine wichtige Rolle. Wer Angestellter werden will, braucht jemanden, der ihn anstellt.“

  11. 11
    Mirco says:

    Hamburg Düsseldorf, 2x vier Stunden Bahn und 180 Euro ohne Rabatte. Sollte für Termine ab 9 Uhr möglich sein.

  12. 12
    ???? says:

    Aber Carsten, ts, ts, ts……….

    Richter sind doch keine Beamten.
    Grundgesetz, Artikel 97 oder so ähnlich.

  13. 13

    […] gerechte Zorn von Carsten Hoenig (das ist ein bekannter Berliner Strafverteidiger und ebenso bekannter Blogger) traf heute einen […]

  14. 14

    […] gerechte Zorn von Carsten Hoenig (das ist ein bekannter Berliner Strafverteidiger und ebenso bekannter Blogger) traf heute einen […]

  15. 15
    Held der Arbeit says:

    Mann, da gabs ja in den anderen Blogs richtig was auf den Deckel.

    Gut, dass Strafverteidiger ein dickes Fell haben.

    Für arbeitsrechtliche Probleme wende ich mich aber an jemand anderen.

  16. 16
    asta says:

    Eigentlich find ich ja Blutgrätschen immer gut, bringt Leben in den Laden. Hier war der Ball aber wirklich schon gaaaanz weit weg…..

  17. 17
    PH says:

    Wenn man sich als Blogger mit der Sach- und Rechtslage genau(er) auseinandersetzen müsste, gäbe es wahrscheinlich viel zu wenig Spannendes zu berichten. Da helfen äußerst verkürzte Darstellungen.
    Es sei denn natürlich, auch bei diesem konkreten Fall hätten die Flugkosten erstattet werden müssen. Ich wäre gespannt zu erfahren, ob auch bei Hern Hoenig so teure Bewerbungsprozesse geführt werden.

  18. 18
    Martin Laabs says:

    Vielleicht hat Herr Hönig diesen Beitrag ja ironisch gemeint aber bei der Formulierung nicht genug Smilies verwendet.

  19. 19
    ich says:

    Genau wie der Richter es vorschlägt, ist es auch allgemein üblich, und so habe ich es bei meinem jetzigen Arbeitgeber auch gemacht: Freundlich angerufen und gefragt, welche Regeln für die Anreise gelten. Entsprechen der Antwort organisiert man dann seine Reise. Wo ist das Problem?