Monatsarchive: Februar 2013

Fußball, Nazis und Staatswaltschaft in Sachsen

„Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ im Sinne des § 86a StGB sind in den meisten Fällen Hakenkreuze. Die darf man nicht in der Öffentlichkeit verwenden. Das ist auch gut so.

NazispielerGegen einen Teambetreuer des Roten Sterns Leipzig wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil er das Foto eines Hakenkreuz-Tattoos ins Netz gestellt hatte. Das Tatoo befand sich auf dem rechten (sic!) Oberarm eines Altherren-Kickers des SV Lipsia Eutritzsch.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig (der Ort liegt – wie Dresden – übrigens im Freistaat Sachsen) stellte zuvor das Ermittlungsverfahren gegen den tätoowierten Lipsia-Kicker ein. Ein Nachweis dahingehend, dass der Beschuldigte die Tätowierung eines dem Hakenkreuz zum Verwechseln ähnlichen Symbols öffentlich verwendet und damit einer unbestimmten Vielzahl von Personen die Möglichkeit eröffnet hat, sie wahrzunehmen, könne nicht geführt werden. Der sächsische Oberstaatsanwalt weiter dazu:

Das Bild zeigt den Betroffenen offensichtlich nach dem Spiel auf einer Bank sitzend neben drei Freunden Eine Öffentlichkeit im Sinne des Gesetzes ist nicht ersichtlich, so dass der Tatbestand des § 86a StGB bereits objektiv nicht erfüllt war.

Irgendwie scheinen diese sächsischen Ermittlungsbehörden und Gerichte insgesamt eine von meinem Verständnis von Rechtsstaat abweichende Ansicht zu vertreten.

Bild und weitere Infos in der Leipziger Internet Zeitung.

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Fisch-Fake

Neulich, bei Strafverteidigers zuhause. Spätes Abendbrot. Es gibt Fisch.

Fischfake-Deckel

Lecker Hering. In Tomaten-Mozzarella-Sauce, auf dem Nach-Hause-Weg kurz vor Ladenschluß noch beim freundlichen Tante-Emma-Laden um die Ecke gekauft.

Das mit dem Serviervorschlag habe ich ja schon verstanden. Die Dosenbeschrifter sind eben nicht ganz ernst zu nehmen, wenn sie den Fisch servieren. Ich rechne ja schon gar nicht mehr damit, daß es nach dem Öffnen der Dose hinterher bei mir auf dem Teller genau so aussieht wie auf dem Bild.

Egal, ich möchte meinen Arbeitstag mit Fisch, Tomaten und Mozzarella ausklingen lassen; egal wie das Zeug nun aussieht, bevor ich es zerkleinere.

Aber was bekomme ich statt dessen:

Fischfake-Boden

Ich glaube das einfach nicht. So frech darf man doch eigentlich nur sein, wenn man als Mozzarella-Verpulverer zu mehr als 0,4% sicher sein kann, daß nicht wegen Verappelung gegen einen ermittelt wird. Nicht zu fressen fassen!

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Klare Ansage

Die knackig kurze eMail eines Kunden unseres Mandanten:

Guten Tag Herr Gluffke,

ich habe beschlossen, Ihre Rechnung nicht zu bezahlen. Den Grund: Ich habe kein Bock!!!

Gruß
W. Brause

Na, das sind ja mal klare Worte.

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Gesichert

Hermannsdenkmal Schwert 7 m lang und ca. 550 kg schwerEs war Anfang 2008, als der Mandant seine Nachbarin um eine Zigarette bat. Das Blöde war, daß er dabei ein 1,70 m großes Schwert in der Hand hatte. Aber er war trotz Nikotin- (und-so-weiter-) Entzugs imstande, die 8 rechten Außenspiegel der parkenden Auto mit seinem Schuh zu treffen. Problematisch wurde es dann, als er in einem türkischen Imbiss auf unkonventionelle Art das Geschirr sortiert und sich das Dönermesser gegriffen hatte. Als er dann wild gestikuliernd mit dem Messer in der einen, und dem Schwert in der anderen Hand ankündigte, seine Mutter zu töten (die etwa 15 Jahre zuvor verstorben war), haben ihn die Freunde und Helfer in ihre Obhut genommen.

Ein nicht einfach zu lösende Aufgabe für einen Verteidiger. Denn eine Verteidigung, die darauf abzielt, jemand in die Klapse (§ 63 StGB) zu verteidigen, muß einkalkulieren, daß er dort so schnell nicht wieder rauskommt. (Ich erinnere an dieser Stelle nochmal an den Fall Mollath.)

Der erste Schritt war der Antrag auf Aufhebung des (Untersuchungs-)Haftbefehls, der am Tag nach der Verhaftung erlassen und verkündet wurde. Der Ermittlungsrichter im Haftprüfungstermin war mit mir einig: Der Mann gehört nicht in den Knast, sondern in ein Krankenhaus. Er wurde antragsgemäß nach § 126a StPO vorläufig untergebracht. Damit waren die Weichen gestellt.

Bevor ein solcher Antrag vom Verteidiger gestellt werden darf, muß der sich im Klaren sein, was er damit auslöst. Zumal diese Art der Verteidigung in den seltensten Fällen vom tatsächlichen Willen des Mandanten gedeckt sein dürfte; der will im Zweifel weder dort, noch hier rein. Sondern raus! Und zwar sofort.

Das Verfahren vor der Großen Strafkammer startete dann auch nicht mehr mit einer Anklageerhebung. Denn wenn von vornherein klar ist (z.B weil ein Sachverständigengutachten das entsprechend bestätigt), daß der Beschuldigte schuldunfähig (§ 20 StGB) ist, darf er nicht angeklagt werden. Für diese Fälle hat sich der Gesetzgeber das Sicherungsverfahren (§ 413 StPO) ausgedacht. Ziel des Verfahrens in dann nicht mehr die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, sondern zu einer Unterbringung.

485741_web_R_by_Kai Niemeyer_pixelio.deDer „Vorteil“ einer Freiheitsstrafe besteht darin, daß der Verurteilte jeden Tag anhand der verbleibenden Kalenderblätter abzählen kann, wann er (spätestens) entlassen werden muß. Einen solchen Kalender hat der Sicherungsverwahrte nicht. Er sitzt mit open end hinter Schloß und Riegel. Keine guten Aussichten, auch wenn Schloß und Riegel rosa angemalt sind.

In der vergangenen Woche war es nun soweit. Der Psychiater kam in seinem Gutachten gemeinsam mit den behandelnden Ärzten zu dem Ergebnis, daß von dem ehemaligen Schwertkämpfer wohl keine Gefahr mehr ausgeht. Das ist die zentrale Voraussetzung für die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung.

Der Mandant wird nun aus der Obhut der Klinik und in eine betreute Wohngemeinschaft in die Vor-Selbständigkeit entlassen. Auf Bewährung zwar noch, aber immerhin.

Der Mandant freut sich über diese – seine – Entwicklung. Und ist dankbar.

Schwert-Bild: UWe / pixelio.de
Betten-Bild: Kai Niemeyer / pixelio.de

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 45

Strafverteidiger,Berlin,,Kreuzberg,Paul-Lincke-UferHeute:

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Noch gesetzlicher

Die Deutsche Bank hat ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen angepaßt. Und teilt dies auch freundestrahlend ihren Kunden mit:

DeutscheBank-AGB

Offenbar hat man in der Unternehmensleitung erkannt, daß die Kunden ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, daß die Bank sich (zukünftig?) nur (noch?) in gesetzlich zulässiger Weise an anderer Leuts Geld vergreift.

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Fundstück aus vergangenen Tagen

FahrwerksbeschädigungenBeim Aufräumen fiel mir eine Teilnahmebescheinigung aus dem Jahre 2004 in die Hände. Ich hatte seinerzeit die Gelegenheit, mich von einem Sachverständigen für motorisierte Zweiräder fortbilden zu lassen. Thema waren Fahrwerksbeschädigungen an motorisierten Zweirädern.

Zweieinhalb Stunden, die bis heute eigentlich ihre Wirkung zeigen, auch wenn sich in den letzten Jahren einiges an den Moppedfahrwerken geändert hat. Gelernt ist gelernt. Schließlich ist es mir ja auch gelungen, den einen oder anderen Rahmen selbst zu verbiegen. ;-)

Ich habe die Bescheinigung deswegen auch in Liste meiner Nachhilfestunden aufgenommen.

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Gerichts-Beschleuniger

Ich habe durchaus Verständnis dafür, wenn das Gericht zuerst brandeilige Sachen bearbeitet. Aber irgendwann sollte die Beschwerdekammer des Landgerichts – nach mehreren höflichen Erinnerungen – dann doch mal endlich in die Puschen kommen.

Ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl bleibt ein Haftbefehl, der im Zweifel zu Sorgenfalten und grauen Haaren führt. Dagegen hat man das Beschleunigungsgebot erfunden, das selbstverständlich auch im Falle des § 116 StPO gilt.

Damit das dann bei den Richtern endlich einmal flutscht, habe ich es vor ein paar Tagen mit folgender Textbausteinskeule versucht:

Beschleuniger

Ich hoffe, dieser Doppeldecker sorgt für ein wenig Bewegung beim Strafkammern-Mikado.

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Wer nichts zu verbergen hat …

Belegt ist:

Das Bundesinnenministerium verweigert dem NSU-Untersuchungsausschuss Auskünfte über einen wichtigen V-Mann im Umfeld der Zwickauer Terrorzelle.

Ein Gerücht ist:

Der Bundesinnenminister beruft sich auf § 55 StPO, weil er sonst befürchten muß, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

263311_web_R_K_B_by_Campomalo_pixelio.deDer NSU-Untersuchungsausschuss hatte das Innenministerium aufgefordert, die Namen sämtlicher Kontaktleute beim Verfassungsschutz mitzuteilen, die mit dem V-Mann „Corelli“ zu tun hatten. Corelli wird nachgesagt, Kontakt zur „Zwickauer Terrorzelle“ gehabt zu haben.

Vor diesem Hintergrund ist die Auskunftsverweigerung des Innenministers natürlich nachvollziehbar. Denn wenn er und seine Verfassungsschützer mit solchen Teufeln verkehrt haben, dann werden sie sicherlich auch nach Schwefel stinken.

Bild: Campomalo / pixelio.de

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Ermittlungsverfahren gegen Motorrad-Rennfahrer

603px-MZ_1 Ältere Moppedfahrer werden die Namen noch kennen: Martin Wimmer und Ralf Waldmann. Die beiden erfolgreichen Fahrer aus der Knieschleiferfraktion haben sich weniger erfolgreich um die Motorenwerke Zschopau (MZ) gekümmert, nachdem der malaysische Konzern Hong Leong Industries im Jahr 2009 keinen Spaß mehr hatte an der Traditionsmarke.

Im September 2012 hatte das Amtsgericht Chemnitz das Insolvenzverfahren für den legendären ostdeutschen Motorradhersteller eingeleitet. Und es sah eigentlich nicht schlecht aus. Insolvenzverwalter Christoph Junker prognostizierte zunächst, die Firma erhalten zu können. Mitte Februar wollte er mitteilen, wie es weiter geht.

783px-Martin_Wimmer_Japanese_GP_1991Nun hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz gegen Martin Wimmer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil der Rennfahrer angeblich zu langsam war. Mit der Insolvenzanmeldung. Deswegen werde nun wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 und 5 InsO) gegen ihn ermittelt. Ralf Waldmann ist bereits vorher schon (rechtzeitig?) aus dem Rennen Unternehmen ausgeschieden.

Junker ist derzeit noch guter Dinge: MZ produziert derzeit noch Elektro-Dreiräder für die Schweizer Post, berichtet der Insolvenzverwalter. Na, denn.

Bilder: Via Wikipedia

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