Monatsarchive: August 2013

Die Null-Lösung für Direktor Skirl: Knast-Koch

Der Focus zitiert den Direktor der Justizvollzugsanstalt Werl, Herrn Michael Skirl.

Dem Artikel zufolge soll sich der Direx über einen Häftling geäußert haben:

  • D. hat die Therapien bei uns nur angekratzt und er ist dissozial.
  • Er ist menschlich gesehen eine Null. Er ist wehleidig. Und ein klassischer Mitläufer.
  • Er war der Fußabtreter und Schluffen seines Komplizen R., außerdem wenig intelligent.
  • Seine Kochlehre habe er im Gefängnis nur gerade eben so durchgehalten: „Die haben ihn nur bestehen lassen, damit er auch mal ein Erfolgserlebnis hat.“ Sein Essen habe seinen Lehrmeistern nie geschmeckt.

Sofern die Zitate dieses Direktor zutreffen, ist der Gedanke nicht fernliegend, über einen Austausch der derzeit offensichtlich überforderten Leitung der JVA nachzudenken.

Auf der Website der Anstalt wird das Bundesverfassungsgericht zitiert:

Nach dem Selbstverständnis einer Gemeinschaft, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt ihrer Wertordnung stellt und dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist, sollen im Vollzug der Freiheitsstrafe dem Gefangenen Fähigkeit und Willen zu verantwortlicher Lebensführung vermittelt werden.

Die Menschenwürde des Herrn D. scheint dem Herrn Michael Skirl irgendwie völlig Brause zu sein; jedenfalls sind diese Zitate soweit vom Mittelpunkt der Werteordnung einer zivilisierten Gesellschaft entfernt wie Werl von Kreuzberg.

Dazu paßt ein dann auch ein etwas älterer Artikel der Frankfurter Allgemeinen, in dem der Leiter zitiert wird:

  • „Ohne einen gewissen Sarkasmus wird man es hier nicht aushalten“, sagt er.
  • „Behandlungsduselei ist auch nicht mein Ding“, sagt er.

Herr Skirl scheint sich auf dem selben Niveau zu bewegen, das er Herrn D. attestiert. Vielleicht wäre er auch besser Knast-Koch geworden, dazu scheint er mir jedenfalls besser geeignet zu sein. Als Knast-Leiter disqualifiziert er sich durch solche Äußerungen selbst. Wer den Blick für die Würde des Menschen – Art. 1 Abs. 1 GG gilt auch für Knackis, Herr Spirl! – verloren hat, hat auch auf dem Spitzenposten einer Resozialisierungs-Einrichtung nichts verloren.

4 Kommentare

Die Beißhemmung und Richter K.

KG 3 Ws (B) 246_13_geschwärztWer sich mit den Aktenzeichen der Berliner Strafjustiz auskennt, wird wissen, daß das Kammergericht in seinem Beschluß vom 12. August 2013 einmal mehr Richter K. aus der Abteilung 290 vor der Flinte hatte.

In einer Ordnungswidrigkeitensache hatte der Verteidiger die Verlegung des Gerichtstermins beantragt. Hintergrund war seine Verhinderung, die er anwaltlich versicherte. Richter K. setzte sich über diese Glaubhaftmachung hinweg und verwarf den Einspruch nach nach § 74 Abs. 2 OWiG, weil weder die Betroffene, noch der Verteidiger zu dem Termin erschienen waren.

Trocken betrachtet hat das Kammergericht zum wiederholten Male bestätigt, daß die anwaltliche Versicherung als Mittel zur Glaubhaftmachung grundsätzlich ausreicht. Nichts Neues, eigentlich kein Blogbeitrag wert.

Spannend an dem Beschluß (KG 3 Ws (8) 246/13 – 122 Ss 74/13 (12.08.2013)) sind aber zwei Textpassagen, die ziemlich deutlich die Qualität der Arbeit des Richters sowie sein persönliches Verhältnis zur richterlichen Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) widerspiegeln:

Der Tatrichter [Richter K.] hat den Antrag des Verteidigers der Betroffenen auf Verlegung des Hauptverhandlungstermins am 2. April 2013 aus sachfremden und nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt und ihr dadurch den ersten Zugang zum Gericht genommen.

Ein Richter, dem die Rechtsmittelinstanz eine sachfremde und nicht nachvollziehbare Motivation für seine Entscheidungen bescheinigt, hat es schon weit gebracht.

Aber das Kammergericht setzt noch einen oben drauf:

Dies ist weder mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens noch der dem Tatrichter gegenüber der Betroffenen obliegenden Fürsorgepflicht vereinbar, willkürlich und verletzt diese in Ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

Der kammergerichtliche Willkürvorwurf, dem sich im Übrigen Richter K. nicht zum ersten Male ausgesetzt sieht, trägt ernsthaft gefährliche Züge.

Die Entscheidungen der Abteilung 290 des Amtsgerichts Tiergarten sind insoweit vorhersehbar. Ich frage mich nur, warum Richter K. nicht vorhersieht, welches gefährliches Ende solche Entscheidungen für ihn nehmen könnten.

Es ist ganz bestimmt nicht das Ansinnen der Verteidiger, die regelmäßig Bußgeld- und Verkehrsstrafsachen beim AG Tiergarten verteidigen, einem Richter die Pension wegzuschießen. Aber wenn ein Richter sich immer wieder in dieser Art schlicht daneben benimmt, dann setzt irgendwann einmal die Beißhemmung aus.

7 Kommentare

Der Strafverteidiger empfiehlt – 46

Strafverteidiger,Berlin,Kreuzberg,Paul-Lincke-UferHeute:

1 Kommentar

Sexuelle Ausbeutung für die Rente

494490_web_R_by_Benjamin Klack_pixelio.deFünf Euro für die Sexsklavin + 1,8 Mio für die Rentenkasse

Eine unscheinbare Nebenentscheidung, die man sich mal ganz in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen muss, fiel mir bei der Lektüre einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ins Auge.

Worum ging´s?

Die Angeklagten hatten als führende Köpfe einer Bande mit anderen Bandenmitgliedern rumänische Frauen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren zumeist mit falschen Versprechungen über lukrative berufliche Perspektiven nach Deutschland gelockt. Hier hatten sie die Frauen unter Ausnutzung von deren Mittellosigkeit und Sprachunkenntnis dazu veranlasst, die Prostitution auszuüben. Dabei hatten die Angeklagten ab dem Jahr 2006 das Modell des sogenannten „Flatrate-Bordells“ entwickelt, bei dem Freier für einen pauschalen Eintrittspreis mit beliebig vielen Frauen (…) sexuell verkehren durften. Die (…) gefügig gehaltenen Frauen hatten hierbei teilweise mehr als 30 Freier täglich zu bedienen. (…) Die vorgeschriebenen Beiträge zur Sozialversicherung für die Prostituierten führten sie nicht ab.

Soweit, so schlecht; aber nachvollziehbar. Was nun folgt ist jedoch zumindest für jemanden mit gesundem Menschenverstand erklärungsbedürftig und selbst dann noch mit einem ganz schalen Beigeschmack verbunden:

Von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Millionenhöhe hat das Gericht wegen vorrangiger Ansprüche geschädigter Sozialversicherungsträger abgesehen.

Nach einem Bericht des Stern sollen Beiträge in Höhe von 1,8 Millionen € vorenthalten worden sein.

Das Gericht hat also festgestellt, dass die Angeklagten mit der sexuellen Ausbeutung der Frauen Umsätze in Millionenhöhe erwirtschaftet haben. Die für die „beschäftigten Arbeitnehmerinnen“ eigentlich fälligen Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht entrichtet. Nun muss man Sozialversicherungsbeiträge aber nicht auf Umsätze oder Unternehmensgewinne zahlen, sondern auf die Lohnzahlungen.

Interessant wäre daher, von welchen Lohnzahlungen das Gericht ausgegangen ist. Die Buchhaltungsunterlagen eines Flatrate-Bordells hätte ich ja wirklich gern mal näher gesehen – oder wurde die Löhne etwa geschätzt? Wurden diese dann auch wirklich gezahlt? Waren die auch angemessen? Wie sieht es mit Urlaubsansprüchen, Erschwerniszuschlägen, Überstunden etc. aus? Was ist angemessen, wenn man berücksichtigt, dass die Tätigkeit nicht freiwillig, sondern unter Ausnutzung einer Zwangslage ausgeübt werden musste?

Nach dem Sternbericht erhielten die Prostituierten weniger als 5 € pro „Kundenkontakt“ und mussten bis zu 14 Stunden an 6 Tagen pro Woche arbeiten.

Schön dass das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Fürsorgepflicht sich so rührselig um die eigentlichen Opfer kümmert. Nun bekommen die Sozialversicherungen einen Haufen Gold aus dem arrestierten Vermögen der geschäftstüchtigen Zuhälter und die rumänische Zwangsprostituierte erhält dann in 40 bis 50 Jahren pünktlich zu ihrem 67. Geburtstag eine hübsche Erinnerung an diesen unrühmlichen Abschnitt ihres Lebens in Form eines Rentenbescheids über stolze 4,33 € monatlich aus Deutschland: Na herzlichen Glückwunsch.

Hätten sich die ausgebeuteten Frauen dem Prozess als Nebenklägerinnen anschließen und so vielleicht auf dem Wege ein dickes Trostpflaster im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens für Ihre Tätigkeiten erhalten können? Hätte, hätte, hätte…

Und die Moral von der Geschicht: Mit Lobby gibt´s Kohle – ohne nicht.

Bild: Benjamin Klack / pixelio.de

6 Kommentare

Nicht erforderlich: Fluchtgefahr bei Mord und Totschlag

Der Tagesspiegel, den ich viele Jahre immer wieder gern gelesen habe, berichtet über den Fall des getöteten Kollegen aus dem Berliner Westend. Leider nicht in der gebotenen Qualität.

Die unvollständige bzw. falsche Berufsbezeichnung des Verstorbenen – er war Notar, Rechtsanwalt und (nicht nur) Steuerberater – ist eine (mit Googles Hilfe einfach vermeidbare) Nachlässigkeit. Geschenkt.

Aber dieser Satz hier zeigt, daß die beiden Journalistinnen auch juristisch unsauber gearbeitet haben:

Für einen Haftbefehl müssten zudem Gründe wie Fluchtgefahr vorliegen, was in diesem Fall nicht zutrifft.

Dabei erschließt sich auch einem juristischem Laien, der sich nicht scheut, mal kurz ins Gesetz zu schauen, sofort: Für Mord und Totschlag braucht es keine Fluchtgefahr, wenn die Untersuchungshaft angeordnet werden soll. Der dringende Tatverdacht allein reicht.

Kann man hier nachlesen: § 112 Abs. 3 StPO.

Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat […] nach den §§ 211, 212, des Strafgesetzbuches […] dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

In diesem § 112 Abs. 2 StPO sind die Haftgründe, u.a. auch die Fluchtgefahr, genannt.

In dem vorliegenden Fall kommt eine Inhaftierung nicht in Betracht, weil der dringende Tatverdacht nach Auskunft der Staatsanwaltschaft nicht besteht. Bereits das ist das KO-Kriterium für den Erlaß eines Haftbefehls.

Ok, ich kann es ja nachvollziehen, daß ein Nichtjurist Pickel bekommt, wenn er ein Gesetz, insbesondere die StPO, lesen soll. Aber dann kann man doch irgendeinen Strafverteidiger mal anrufen und nachfragen. Ich verstehe das nicht …

8 Kommentare

Das iPhone und sensible Beerdigungen

Ausstellung kurioser GartenzwergeBahnreisenden ist das Phänomen bekannt: Wichtig-Telefonierer, die den gesamten Zug (inkl. Lokführer) mit privaten Details aus ihrem Leben unterhalten. Der (mein!) Wunsch nach einem Störsender, der diesen Großraumbeschallern die Instrumente lahmlegt, dürfte nachvollziehbar sein.

Ähnlich Wünsche wie Zugpassagiere müssen wohl auch Polizeibeamte haben. Wegen der vielen „Leser-Journalisten“, die Film- und Photoaufnahmen von den Einsätzen anfertigen und die dann auch noch im Netz veröffentlichen. Diesen Beamten kann nun geholfen werden.

Im elektronischen Blätterwald wird über eine Vereinbarung zwischen Apple einerseits und unserer Exekutive andererseits berichtet. Danach sollen Polizei und Regierung die Möglichkeit bekommen, die Aufzeichnungsfunktionen von Apple Produkten zu deaktivieren. Der Einsatzleiter, der seine Mannen und Frauen ungestört beispielsweise eine Demonstration auflösen lassen möchte, legt schlicht einen Schalter um und schickt ein Signal an alle Apple Produkte im Umkreis seiner Wirkung.

Den Medienberichten zufolge sperre dieses Signal die Aufzeichnungsfunktion der smarten Phone und zusätzlich auch den Versandt der Bilder über das Funknetz, so daß die Beamten unverletzt in ihren Persönlichkeitsrechten z.B. lästige Demonstranten entsorgen können.

Das sei laut Apple aber gar nicht beabsichtigt. Vielmehr gehe es dem Hersteller dieser Elektronik um Kino- und Theaterbetreiber, Veranstalter von „sensiblen Veranstaltungen wie Beerdigungen oder religiösen Events“, die die Chance bekommen sollen, mit dieser Funktion illegale Aufzeichnungen zu unterbinden.

Es wird berichtet, daß bei dem Versuch, trotz eingeschalteter Sperre hinter dem so genannten Geofence zu filmen, ein Popup mit dem Bild des Polizeipräsidenten oder wahlweise Steve Jobs erscheinen wird, die dem Nutzer den gestreckten Mittelfinger zeigen.

11 Kommentare

Der Wanderwagen

Im Gebrauchtwagenhandel macht es für die Kaufentscheidung des Käufers einen beträchtlichen Unterschied, ob das Fahrzeug einen oder drei Vorbesitzer hatte. Die falsche Angabe eines Vorbesitzers statt in Wirklichkeit dreier beim Gebrauchtwagenhandel stellt einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar. So entschied es das OLG Naumburg.

Der Kläger hatte bei einem gewerblichen Händler einen Gebrauchtwagen gekauft und zunächst erfolglos versucht, den Wagen wieder loszuwerden mit der Behauptung dieser hätte Vorschäden. Erst mit dem Argument, der Händler habe nicht über sämtliche Vorbesitzer des Fahrzeuges aufgeklärt, fand er beim Gericht letztlich Gehör.

Im Kaufvertrag war nur ein Vorbesitzer laut Fahrzeugbrief aufgeführt, im Fahrzeugbrief war auch nur ein Halter eingetragen. Neben dem Datum der Erstzulassung war im Fahrzeugbrief dann aber vermerkt: „Anzahl der Vorhalter 2“.

Das Fahrzeug hatte eine bewegte Geschichte hinter sich. Der Erstbesitzer hatte es an ein Autohaus verkauft. Von dort wurde es, da ein Schaden am Turbolader vorlag, an eine Werkstatt weiter gereicht. Nachdem die Werkstatt den Schaden repariert hatte, kaufte es der nun verklagte Autohändler, der es wiederum an den Kläger verkaufte. Das Autohaus und auch die Werkstatt waren nicht in den Fahrzeugbrief eingetragen worden.

Das LG Dessau-Roßlau gab der Klage überwiegend statt. Die Berufung des Autohändlers blieb ohne Erfolg.

Maßgeblich war eine Entscheidung des BGH vom 16.12.2009 (VIII ZR 38/09 [NJW 2010, 858]) wonach der Händler über sämtliche Vorbesitzer aufklären muß.

(Es) liegt ein solcher für den Käufer eines Gebrauchtwagens wesentlicher Umstand vor, wenn der Verkäufer das Fahrzeug selbst – wie hier – kurz zuvor von einem ´fliegenden Zwischenhändler´ erworben hat. In einem solchen Fall ist der Verkäufer zur Aufklärung verpflichtet (OLG Bremen, NJW 2003, 3713 f.; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rdnr. 1599), denn ohne einen entsprechenden Hinweis geht der Käufer davon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug von demjenigen übernommen hat, der als letzter Halter in dem Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist.
Hat der Verkäufer das Fahrzeug kurze Zeit vor dem Weiterverkauf selbst von einer Person unbekannter Identität erworben, liegt der Verdacht nahe, dass es während der Besitzzeit des unbekannten Voreigentümers zu Manipulationen am Kilometerzähler oder einer sonstigen unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen ist. Die Verlässlichkeit der Angaben des Verkäufers zum Fahrzeug wird dadurch grundlegend entwertet.

Für das OLG Naumburg machte es auch keinen Unterschied, dass es sich anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall um keinen sog. „fliegenden Zwischenhändler“ unbekannter Identität handelte, sondern um namentlich bekannte und möglicherweise greifbare Unternehmen. Allein entscheidend war, dass die Angabe zur Anzahl der Halter laut Fahrzeugbrief im Kaufvertrag objektiv falsch war, weil sich aus dem Fahrzeugbrief selbst wenigstens zwei weitere Halter ergaben. Der Käufer konnte demnach vom Vertrag zurück treten.

OLG Naumburg, Urteil vom 14.08.2012, 1 U 35/12 (VRR 2013, 183 f. mit Anmerkung von RA Kümmerle, Berlin)

, , , , , 1 Kommentar

Filzverschonung

Nur kurz eine kleine Ergänzung zur Lage der bayerische Justiz:

Nach Ansicht der Justiz hat die Münchner Staatsanwaltschaft bei Ermittlungen zur Bayerischen Landesbank führende CSU-Politiker geschont. Das Landgericht München schreibt in einem Beschluss vom Mittwoch, es sei „nicht nachzuvollziehen“, dass die Staatsanwaltschaft nach dem Debakel der BayernLB bei der österreichischen Hypo Alpe Adria Vorwürfen gegen einzelne Verwaltungsräte der Landesbank nicht nachgegangen sei, aber alle damaligen Vorstandsmitglieder angeklagt habe.

Die bayerische Interpretation der Unschuldsvermutung eben: Es kann nicht sein, daß Mitglieder einer CSU-Regierung von Edmund Stoiber eine Straftat begangen haben.

6 Kommentare

Keine Auslandszustellung auf dem Ponyhof

Es gibt Zeugen, der nicht in unmittelbarer Nachbarschaft des Gerichts wohnen. Auch solche Zeugen müssen förmlich geladen werden, z.B. weil die Verteidigung einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat und ohne den Zeugen nicht auszukommen ist.

Die Zustellung einer Ladung kann aber nicht durch eine deutsche Behörde erfolgen, sondern wird in der Regel auf dem Wege der Amtshilfe erledigt. Das bedeutet, die deutsche Behörde bzw. das deutsche Gericht beantragt (sic!) bei der ausländischen Behörde die entsprechende Zustellung.

Wie das im Einzelnen funktioniert, ist in den meisten Fällen den Gerichten nicht bekannt; sie fragen daher beim Bundesamt für Justiz – Referat Auslieferung, vollstreckungs- und Rechtshilfe, Europäisches Justizielles Netz in Strafsachen – nach.

Nachfolgend ein Auszug aus einer Antwort des Bundesamtes, die über das Landesjustizministerium an das Amtsgericht übermittelt wurde:

Könnten Sie das AG unterrichten, dass die zustellungsdauer in Indien zwar nicht genau beziffert werden kann, aber mindestens mit mehreren Monaten (weit über 6) bis Jahren zu rechnen ist?

Der Rechtshilfeverkehr mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ist im Moment so gut wie zum Erliegen kommen. Alle übersandten Zustellungsersuchen aus dem Jahr 2011 wurden zwar zeitnah zurückgesandt, aber angeblich aufgrund ungenauer Adressangabe nicht erledigt.

Sollte das AG ein Ersuchen ins Auge fassen, so ist zu beachten, dass bei einem Ersuchen um Zustellung von Schriftstücken die volle Anschrift (Angabe des Wohnsitzes/des Wohnortes des Zustelladressaten sowie dessen Telefonnummer [der Arbeitstelle und MobiltelefonnummerJ angegeben werden muss, die Postfachnummer allein reicht nicht.

„Schnelle“ Erfolgsaussichten für eine Zustellung sind somit in beiden Ländern nicht gegeben.

Soweit der Standardtextbaustein. Es gibt weitere Erläuterungen der deutschen Botschaft in Abu Dhabi:

In den vereinigten Arabischen Emiraten gibt es kein postleitzahlensystem und nur eingeschränkt Straßennamen und Hausnummern. Für eine erfolgreiche zustellung ist daher eine möglichst genaue Beschreibung der Empfängeradresse, inkl. stadtteil, Gebäudenamen, stockwerk, Appartment Nr. und ggf. nahe gelegenem Orientierungspunkt (z.B. Bank. Supermarkt, Moschee etc.) erforderlich.

Zustellungen an P.O. Boxen (postfächer) sind nicht möglich. Eine Telefonnummer des Empfängers kann die Arbeit des Gerichtszustellers erleichtern.

Besser kann man es nicht beschreiben. Es wir zwar hier für die zukunft angedacht, ein postalisches system mit Adressen einzuführen, aber das ist noch nicht spruchreif, ob es überhaupt umsetzbar sein wird. Entsprechende Studien werden derzeit durchgeführt. Festzuhalten bleibt, dass man hier nur durch physische zusätzliche Beschreibung des zustellungsortes etwas erreichen kann.

Zustellungen im Ausland – insbesondere außerhalb Europas – sind etwas für Erwachsene. Mit allen Vor- und Nachteilen für alle Prozeßbeteiligte. Sie stellt an das Strafgericht erhebliche Anforderungen. Als Verteidiger muß man die Probleme sehen und im Einzelfall entscheiden, ob mit Beweisanträgen, die den Auslandszeugen zum „Gegenstand“ der Beweisaufnahme machen wollen, der Ponyhof verlassen werden soll … oder besser doch nicht.

In dem Fall, aus dem ich diese Zitate entnommen habe, konnte der Vortrag der Verteidigung nicht widerlegt werden. Hier führte der Antrag aus Sicht des Angeklagten zum Erfolg.

Nebenbei:
Die selben Anforderungen gelten auch für die Zustellung einer Ladung des Angeklagten. Aber das ist ein (höchst spannendes) Thema, auf das ich noch an anderer Stelle zu sprechen kommen werde.

10 Kommentare

Honorarvereinbarung und Schinken

Der Mandant hat ein Problem in einer Sache, die sich zu Beginn dieses Jahrtausends abgespielt hat. Der Versuch, das Problem in der Zwischenzeit zu lösen, scheiterte aus unterschiedlichen Gründen. Seitdem gibt es einen häßlichen roten Zettel, auf dem das Problem notiert ist.

Haftbefehl

Nun möchte er die Sache noch einmal angehen und braucht dafür konkrete Informationen, Ansprechpartner und den Vorschlag eines Strafverteidigers.

Das Problem ist nicht kleiner geworden dadurch, daß er sich an mich gewandt hat. Denn irgendwie möchte er gern meine Leistung mit seiner Gegenleistung in Einklang bringen. Allein: Seine Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt.

Wir einigten uns daher und formulierten gemeinsam wie folgt:

  1. Der Verteidiger stellt dem Mandanten einen kompletten Kopiesatz der Ermittlungsakte zur Verfügung, berät ihn ausführlich über die Sach- und Rechtslage und stellt ihm ein Verteidigungskonzept vor.
  2. Der Mandant zahlt dafür an der Verteidiger eine pauschale Vergütung in Höhe von [kleine Zahl] Euro.
  3. Zusätzlich zu dieser Zahlung liefert er den geilsten Schwarzfussschweinschinken von einem ausschliesslich mit Eicheln ernährten Schwein, den er finden kann.

Es stellt sich nun die Frage, ob ich verpflichtet bin, die 19% Umsatzssteuer in Scheiben oder am Stück an das Finanzamt abzuführen.

15 Kommentare