Monatsarchive: Dezember 2013

Neidische Zivilrechtler

Es gehört zu den Basics des formellen Strafrechts: Wenn der Strafverteidiger eine Frist verbaselt, ist das ober-peinlich, aber für den Mandanten regelmäßig unschädlich.

Wenn also – aus welchem Grund auch immer – die Frist für die Berufung gegen ein Strafurteil versäumt wurde, weil (nur) der Verteidiger gepennt hat, geht der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 44 StPO) durch wie ein heißes Messer durch die Butter.

… teile ich mit, daß durch mein (Organisations-) Verschulden versäumt wurde, die Berufung rechtzeitig einzulegen. Ich habe zwei Tage vor dem Fristablauf begonnen, mich zu betrinken und darüber dann vergessen, daß ich auch noch einen Beruf habe. Meinen Mandanten hatte ich aber noch vor dem ersten Pils ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er sich um nichts zu kümmern brauche.

Selbst ungefähr so etwas reicht aus, denn der Alkoholismus des Verteidigers darf nicht zum Kater beim Mandanten führen (anders formuliert, aber inhaltlich identisch: BVerfG NJW 1994, 1856).

Und genau das ist es, worum uns Strafverteidiger die Zivilrechtler beneiden. Die müssen nämlich Klimmzüge machen ohne Ende, damit das Fristversäumnis bei den argwöhnischen Zivilrichtern als unverschuldet durchgeht. Meist hat dann die bedauernswerte, aber seit über 100 Jahren stets zuverlässig und fehlerfrei arbeitende Assistentin diesen einmaligen und niewiedervorkommenden Verstoß begangen, und sich der eindeutigen Anweisung des Anwaltes erst- und einmalig widersetzt.

Soweit, so klar. Was passiert aber nun, wenn die Justizverwaltung eine (ehemalige) Zivilrichterin auf den Sessel eines Strafgericht setzt. Genau – so etwas hier:

Witzbeschluss

Da hat sich der Kollege sogar richtig Mühe gemacht und sich auf das Niveau dieser Prädikatsjuristin beim Amtsgericht begeben; er hat ihr erklärt, warum auf keinen Fall der Mandant „Schuld“ hat an dem Fristversäumnis. Und dann schreibt diese Richterin eine Stelle aus dem Kommentar (Meyer-Goßner, § 44 Rn. 20) ab, die sich für den Kundigen recht eindeutig nicht auf Verfahren bezieht, in denen sich der Angeklagte gegen einen Schuldvorwurf verteidigt.

Exakt eine Randnummer vorher (Meyer-Goßner, § 44 Rn. 19) hätte die Richterin die ständige und völlig unstreitige Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung in Strafsachen finden können. Wenn eine Richterin aber Angst davor hat, in der Berufungsinstanz aufgehoben zu werden (oder dem Verteidiger das Entspannungsbierchen nicht gönnt), dann wohl folgt sie gern ihrem zivilrechtlichen Tunnelblick.

Ok, das Fristversäumnis ist kein Ruhmesblatt für den aschebehaupten Strafverteidiger. Aber die Anwendung von Zivilrecht im Strafprozeß – zu Lasten des Vertrauens in die Kompetenz des Justizpersonals – sollte der Richterin genauso unangenehm werden, wenn sie denn über die Gabe verfügt, zum dem Bock zu stehen, den sie da geschossen hat.

Besten Dank an RA F. für diesen Beschluß und die Erlaubnis, ihn kommentieren zu dürfen. Ich bin sicher, er wird mir alsbald mitteilen können, daß das LG Berlin einen (inhaltlich) vergleicharen Kommentar dazu geschrieben hat.

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Staatsanwalt ./. Dr. der Unsterblichkeit

In was für einem Land leben wir eigentlich, dass sich ein professioneller Zauberkünstler, der sich schon selbst als „Hochstapler“ und „Falschspieler“ bezeichnet, sich nicht „Dr. der Unsterblichkeit“ nennen darf, ohne von der Staatsanwaltschaft strafrechtlich verfolgt zu werden?

Zumindest ein Lübecker Staatsanwalt hat offenbar keine dringenderen Probleme. Er beglückt Käufer einer „Groupon“-Aktion zum Erwerb von Scherzurkunden mit persönlichen Besuchen seiner Hilfsbeamten und Einschüchterungsschreiben.

Der Fall eines Frankfurter Zauberkünstlers und einer Journalistin wurde von der fr-online näher beleuchtet und taugt für das komische Lexikon als Definition für Realsatire. Eigentlich wird der betreffende Künstler durch dieses Verfahren geadelt. Aber irgendwo hört der Spaß vielleicht dann doch mal auf.

Falls der Lübecker Strafverfolger jetzt noch den § 132a Abs. 1 Nr. 4 StGB entdeckt, na dann gute Nacht.

Erschreckend ist nicht nur, dass dieses Verfahren überhaupt so weit betrieben wurde, sondern dass sich nun offenbar auch noch ein Vertreter der Anklage dafür findet, diesen Quatsch mit der kruden Begründung zu verteidigen, es komme nur darauf an, dass man sich als Dr. hc bezeichnet hätte, alle weiteren Umstände spielten keine Rolle.

Faktencheck:
Zweck der Vorschrift ist der

Schutz der Allgemeinheit vor dem Auftreten von Personen, die sich durch nicht verdienten Gebrauch von Bezeichnungen den Schein besonderer Funktionen, Fähigkeiten und Vertrauenswürdigkeit geben.

Damit hat der Bundesgerichtshof (BGH) eigentlich alles gesagt.

Ob in Lübeck aber tatsächlich Recht gesprochen wird, ist noch ungewiss. Denn immerhin hat der zuständige Amtsrichter den Strafbefehl schon einmal durchgewunken. Und die Anzahl der Tagessätze enthält für kleine Fälle eine in der Praxis teilweise große Hürde, um in der nächsten Instanz eine zweite Chance zu erhalten.

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 62

Strafverteidiger,Berlin,,Kreuzberg,Paul-Lincke-UferHeute:

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 61

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Twitternde Krähe

Viele Richter und Staatsanwälte sind es ja nun nicht, die den Mut haben, sich im Web 2.0 zu äußern. Halbmutig ist ein anonym twitternder Staatsanwalt.

StAblabla

Als einer von vieren, denen er folgt, habe ich seine bissigen Kommentare von der anderen Seite der Theke gern gelesen. Sie haben mir gezeigt, daß natürlich auch Strafverteidiger manchmal einen Tunnelblick haben.

Nun hatte ich in der vergangenen Woche über einen Oberstaatsanwalt berichtet, der sich ganz fürchterlich daneben benommen hat und den seine eigenen Leute trotzdem vor dem sicheren Aus gerettet haben.

Das ist selbstredend ein Terrain, auf dem sich auch der strafverfolgende Twitterer zuhause fühlt. Erwartungsgemäß trudelte dann auch ein Kommentar von ihm auf meinem Twitter-Account ein. Allerdings mit einem Inhalt, mit dem ich eigentlich nicht gerechnet hatte:

Twitternde Krähe

Die provokante Frage des Staatsanwalts

Die Strafverfolger lügen zugunsten des Angeklagten und der ist jetzt beleidigt, weil er lieber 5 Jahre gehabt hätte?

wollte ich zunächst unter die Rubrik „Satire“ packen. Doch das Organ der Rechtspflege meint das ernst.

Dieser enttäuschende Staatsanwalt spricht von Justizbashing, weil (nicht nur) ich das Verhalten der Justiz anprangere, die ihren eigenen Leuten lieber unterstellt, sie seien völlig ungeeignet für den Beruf, den unser Rechtsstaat als unverzichtbar etabliert hat, als sie dahin zu schicken, wo sie hingehören.

Der Strafverfolger entzieht einem Strafverteidiger das Recht zur Kritik an der Justiz, nur weil der Straftäter zu milde bestraft wurde?

Lieber StAblabla, Sie scheinen das Prinzip, das hinter Ihrem Job steht, nicht verstanden zu haben. Ich erhebe für mich den Anspruch – und das ist das entscheidende Moment in meinem Beruf – darauf zu achten, daß es rechtsstaatlich zugeht im Gericht. Ich bin ehrlich entsetzt, daß Sie in Ihrer Position, in der Sie insoweit die selbe Aufgabe haben, die Ansicht vertreten, ein Verteidiger habe still zu schweigen, wenn ein Oberstaatsanwalt das Gericht verarscht, „nur“ weil Angeklagter (zu) gut dabei wegkommt. Welches Verständnis haben Sie von einem Strafprozeß?

Kann es sein, daß Sie durch einen untragbaren Corpsgeist motiviert diese unvertretbare Position vertreten. Wenn das der Fall ist, sollten Sie sich schämen. Krähe!

Sie haben das Recht zur Stellungnahme, hier unten oder auf Twitter. Ich bin gespannt.

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Knackig abgewiesen: Eilantrag gegen SPD-Abstimmung erfolglos

Die Streit zwischen einer Fernsehmoderatorin und einem SPD-Parteifunktionär hat nun ein Ergebnis:

Die Pressestelle des Bundesverfassungsgericht berichtet in der Pressemitteilung Nr. 73/2013 vom 6. Dezember 2013 über den Beschluss vom selben Tag zum Aktenzeichen 2 BvQ 55/13:

Eilantrag gegen SPD-Abstimmung über das Zustandekommen einer Großen Koalition erfolglos

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den Antrag abgelehnt, der SPD im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, eine Abstimmung ihrer Mitglieder über das Zustandekommen einer Großen Koalition durchzuführen. Der Antrag war abzulehnen, weil eine diese Abstimmung beanstandende Verfassungsbeschwerde unzulässig wäre.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

1. Im Wege der Verfassungsbeschwerde können nur Akte der öffentlichen Gewalt angegriffen werden (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG). An einem solchen Akt fehlt es hier. Mit der Durchführung einer Abstimmung über einen Koalitionsvertrag unter ihren Mitgliedern übt die SPD keine öffentliche Gewalt aus. Öffentliche Gewalt ist vornehmlich der Staat in seiner Einheit, repräsentiert durch irgendein Organ. Parteien sind nicht Teil des Staates. Sie wirken in den Bereich der Staatlichkeit lediglich hinein, ohne ihm anzugehören.

2. Der Abschluss einer Koalitionsvereinbarung zwischen politischen Parteien und die ihm vorangehende oder nachfolgende parteiinterne Willensbildung wirken nicht unmittelbar und dergestalt in die staatliche Sphäre hinein, dass sie als staatliches Handeln qualifiziert werden könnten. Koalitionsvereinbarungen bedürfen vielmehr weiterer und fortlaufender Umsetzung durch die regelmäßig in Fraktionen zusammengeschlossenen Abgeordneten des Deutschen Bundestages.

3. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG). Die politische Einbindung des Abgeordneten in Partei und Fraktion ist verfassungsrechtlich erlaubt und gewollt. Das Grundgesetz weist den Parteien eine besondere Rolle im Prozess der politischen Willensbildung zu (Art. 21 Abs. 1 GG), weil ohne die Formung des politischen Prozesses durch geeignete freie Organisationen eine stabile Demokratie in großen Gemeinschaften nicht gelingen kann. Die von Abgeordneten – in Ausübung des freien Mandats – gebildeten Fraktionen sind notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens. Im organisatorischen Zusammenschluss geht die Freiheit und Gleichheit des Abgeordneten nicht verloren. Sie bleibt innerhalb der Fraktion bei Abstimmungen und bei einzelnen Abweichungen von der Fraktionsdisziplin erhalten und setzt sich im Anspruch der Fraktion auf proportionale Beteiligung an der parlamentarischen Willensbildung fort.

4. Wie die politischen Parteien diesen parlamentarischen Willensbildungsprozess innerparteilich vorbereiten, obliegt unter Beachtung der – jedenfalls hier – nicht verletzten Vorgaben aus Art. 21
und 38 GG sowie des Parteiengesetzes grundsätzlich ihrer autonomen Gestaltung. Es ist nicht erkennbar, dass die vom Antragsteller beanstandete Abstimmung für die betroffenen Abgeordneten Verpflichtungen begründen könnte, die über die mit der Fraktionsdisziplin verbundenen hinausgingen.

Es ist schon ein ganzes Weilchen her, seitdem ich mich an der Uni Marburg im Verfassungsrecht habe ausbilden lassen. Aber das, was das BVerfG dort entschieden hat, habe ich noch ziemlich genau so im Hinterkopf. Es ist bemerkenswert, daß es denjenigen, die uns künftig regieren wollen, an diesem Erstsemester-Stoff mangelt.

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Das legendierte Legalitätsprinzip des Oberstaatsanwalts

Zwei eigentlich ganz leichte Aufgaben zum Nikolaustag für den gemeinen Jurastudenten:

1. Strafbarkeit des Oldenburger Oberstaatsanwalts

[…]

Haben sich die beiden Oberstaatsanwälte aus Verden und Oldenburg strafbar gemacht? Und wenn ja, wie?

2. Strafbarkeit des Verdener Polizeibeamten

[…]

(Wie) ist der Bullmann zu bestrafen?

Bitte jetzt erst einmal in Ruhe nachdenken, bevor es an die überraschende Lösung der Fälle geht.

Diesen Text finden Sie nun auf der neuen Website von Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig.

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Neue Fahrerlaubnis, neues Glück!

Unser Dauer-Mandant Wilhelm Brause war ein Vielfahrer. Manche würden sagen, ein Viel-zu-schnell-fahrer. Trotz erheblicher und oft auch erfolgreicher Gegenwehr stapelten sich seine Punkte in Flensburg

Gut 20 Stück waren es dann schon. Aber durch die geschickte Verteidigung – auch mit taktierenden Verzögerungen, Einspruchs-Rücknahmen, Ausnutzung der Schwerfälligkeit der Behörden usw. – konnten wir verhindern, dass die Pappe das Plastik damit schon weg war, obwohl er die rote 18er-Linie schon überschritten hatte.

Das war aber alles sehr aufregend für ihn. Und um sich zu beruhigen, nutzte Brause die Wirkung einer altbekannten THC-haltigen Heilpflanze. Leider wurde er auch damit erwischt. Da half dann auch keine Taktiererei mehr: Die Fahrerlaubnisbehörde entzog ihm die Fahrerlaubnis.

In sich gegangen und geläutert überkam Wilhelm Brause nun die Angst, dass er seine Fahrerlaubnis erst wieder beantragen kann, wenn seine alten Punkte durch Ablauf der Tilgungsfristen gelöscht würden. Oder bekommt er die Fahrerlaubnis später nur mit der 20-Punkte-Hypothek zurück?

582285_web_R_by_Marianne J._pixelio.deIch konnte unseren Wilhelm beruhigen: Auch die schlimmsten Amputationen – die Entziehung der Fahrerlaubnis ist eine solche! – bergen etwas Gutes in sich. Nach der Entziehung ist der § 4 Absatz 2 Satz 3 StVG ein Freund von Herrn Brause: Diese Vorschrift regelt nämlich, dass durch den Entzug der Fahrerlaubnis alte Punkte im Verkehrszentralregister gelöscht werden.

Ist die Fahrerlaubnis entzogen oder eine Sperre […] angeordnet worden, so werden die Punkte für die vor dieser Entscheidung begangenen Zuwiderhandlungen gelöscht.

„Neue Fahrerlaubnis, neues Glück!“ lautet also die Devise. Den (ehemaligen?) Dauergast in unserer Kanzlei erwartet in Kürze eine funkelnagelneue Fahrerlaubnis mit einem Nullpunktekonto in Flensburg.

Bildquellenangabe: Marianne J. / pixelio.de

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Geschenkte Lorbeeren

530809_web_R_by_Marcel Erler_pixelio.deDer größte Erfolg stellt sich für einen Strafverteidiger immer dann ein, wenn es ihm gelungen ist, zugunsten seines Mandanten für ein faires und in den Grenzen des Rechts geführtes Verfahren gesorgt zu haben. Und zwar unabhängig vom Ergebnis. Eigentlich und theoretisch.

Uneigentlich und in der Praxis sieht es aber anders aus: Der vom Richter nach einer streitigen Beweisaufnahme verkündete Freispruch krönt die davor liegende Arbeit richtig. Sich stehend den Freispruch des eigenen Mandanten anzuhören, ist – losgelöst von aller Theorie – durchaus ein erhabenes Gefühl. Das Ergebnis ist also doch entscheidend.

Einen solchen Moment habe ich von einem Kollegen geschenkt bekommen, als ich auf meinen Termin beim Strafrichter am Amtsgericht wartete.

Der Kollege hatte um 13 Uhr einen Termin vor der Strafkammer des Landgerichts. Er wurde aber noch als Verteidiger in einer Sache vor dem Strafrichter gebraucht, auf den ich wartete. Die Sache am Amtsgericht hätte bereits um 12:30 Uhr beendet sein sollen, hat sich aber in die Länge gezogen. Erst um kurz vor 13 Uhr begann die Staatsanwältin mit ihrem Schlußvortrag. Sie beantragte 9 Monate für den Angeklagten.

In seinem – recht kurzen – Plädoyer entlarvte der Kollege die Argumente der Staatsanwältin als nicht stichhaltig und beantragte, seinen Mandanten freizusprechen. Der Mandant schloß sich seinem noch stehenden Verteidiger an und dann, anstatt sich wieder an seinen Tisch zu setzen, bat der Verteidiger mich quer durch den Saal, ihn bei der Urteilsverkündung zu vertreten. Es gab noch eine ganz kurze Abstimmung zwischen seinem Mandanten, dem Richter und mir … dann sah man ihn in wehender Robe den Saal verlassen.

Ich hatte gerade noch Zeit in der Beratungspause, mich dem mir anvertrauten, aber doch sehr aufgeregten Mandanten etwas ausführlicher vorzustellen und ihm noch die letzte Tips zum Verhalten bei der Urteilsverkündung zu geben. Dann kam der Richter schon aus dem Beratungszimmer und verkündete:

Im Namens des Volkes ergeht folgendes Urteil:
1. Der Angeklagte wird freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.
3. Bitte nehmen Sie Platz.

Ich glaube nicht, daß der Mandant auch nur ein Wort von den Urteilsgründen gehört hat, so erleichtert war er. Nicht vergessen hatte er aber, sich anschließend für die hervorragende Verteidigung herzlich und mit einem kleinen Tränchen im Auge zu bedanken.

Schade, daß der Kollege diesen Moment nicht genießen konnte. Ich aber auch nicht so richtig, denn es waren ja nicht meine Lorbeeren. Schön war’s aber trotzdem. Und den Dank leite ich gern weiter.

Bildquellenangabe: Marcel Erler / pixelio.de

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Post an einen Mandanten

Ich wurde dem Mandanten zum Pflichtverteidiger bestellt. Die Staatsanwaltschaft hat den Erlaß eines Strafbefehls beantragt, mit dem eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt werden soll. Auch wenn diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird, ist dem Angeschuldigten ein Pflichtverteidiger zur Seite zu stellen, § 408b StPO. Soweit, sogut.

Ich habe die Akten bekommen und die Anschrift des Mandanten, den ich mehrfach freundlich angeschrieben habe. Und ich habe ihn gebeten, sich zu melden, damit wir uns bei einer Tasse leckerem italienischen Caffé über seine Verteidigung unterhalten können.

Man wirft ihm eine gefährliche Körperverletzung vor, aber es gibt keine unmittelbaren Tatzeugen mehr, weil die angeblich Verletzte sich nicht äußern muß und wird. Es steht also nicht in Stein gemeißelt, daß die Beweislage für eine Verurteilung reicht.

Und was macht der Mandant? Nichts! Er rührt sich nicht. Er meldet sich weder auf den ersten Brief, nicht auf den zweiten und auch nicht auf den dritten. Telefonnummer oder eMail-Adresse läßt sich nicht ermitteln.

Ich weiß aber um die Hemmschwellen, die manchen Menschen haben, wenn sie zu einem Strafverteidiger gehen sollen. Deswegen habe ich nun einen letzten Versuch gestartet:

Postkarte01

Ich schicke ihm eine Postkarte, allerdings im verschlossenen Umschlag. Handschriftlich, damit es weniger „offziell“ wirkt:

Postkarte02

Auch wenn das alles nicht so elegant aussieht, wie er es vom einem Rechtsanwalt erwartet wird: Vielleicht hilft das aber, die Schwelle zu senken. Wenn der Mandant allerdings auf so eine Post dann auch nicht reagiert, kann ich ihm wirklich nicht helfen. Es wäre jammerschade …

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