Mit dem Mandanten hatte ich vereinbart, daß nach getaner Arbeit das vereinbarte Honorar fließen soll. Ich hatte die Hoffnung, daß diesmal nichts schief geht und auf den sonst üblichen Vorschuß verzichtet. Schließlich hat der Mandant einen ehrenwerten Beruf.
Irgendwas scheint aber abgestürzt zu sein. Deswegen habe ich dem Mandanten eine kleine Nachricht zukommen lassen:
Sehr geehrter Herr Wilhelm Brause.
Hier ist ein Schreiben der Staatsanwaltschaft eingegangen, das ich Ihnen gern übermitteln möchte. Leider fehlen mir die finanziellen Mittel für den Kauf einer Briefmarke.
Sobald die seit März offene Schlußrechnung ausgeglichen ist, werde ich zum Postamt gehen.
Bitte lassen Sie nicht allzu viel Zeit verstreichen, da in dem Brief der Staatsanwaltschaft irgendwas vom 15.06.2013 steht, was ich nicht so genau lesen kann. Ich wollte mir schon vor längerer Zeit mal ne neue Brille kaufen, aber auch dafür fehlen mir die Mittel.
Dank und Gruß aus Kreuzberg von
Carsten R. Hoenig
– Rechtsanwalt –
Vielleicht hat der Mandant ja Erbarmen mit seinem verarmten Strafverteidiger.
Hat er bestimmt. Hinterher wird er aber vielleicht unter Hinweis auf § 240 StGB und § 11 BORA an die Staatsanwaltschaft und die Anwaltskammer schreiben.
???
Anwalt??? :-)
Also Nötigung kam mir auch als erstes in den Sinn …
jaja, der Herr Brause eben ….. immer wieder :-)
Jetzt mal im Ernst, auch wenn ich das ganze sehr gut verstehen kann und es persönlich durchaus OK finde, irgendwie kann ich nicht glauben dass das in unserem Staat funktioniert. Klar, als Anwalt wird crh ja schon wissen was geht und was nicht, aber es verwundert mich dass so möglich sein soll ohne Konsequenzen zu befürchten
Hallo Herr Hoenig,
ist die Frage ernst gemeint? Natürlich meinten wir eine durch Sie begangene Nötigung ! Selbstverständlich ist das Verhalten des Mandanten nicht zu billigen, aber ich befürchte Sie als Anwalt könnten sich hier in erhebliche Schwierigkeiten bringen (Strafrechtlich und auch berufsrechtlich). Immerhin drohen Sie dem Mandanten mit einem empfindlichen Übel (Fristversäumnis mit ggf. unkorrigierbaren ernsten Folgen für den Mandanten) …
Ich an Ihrer Stelle würde schleunigst dem Mandanten das Schriftstück zuleiten … und dann gleich den Mahnbescheid hinterher …
Das mit dem „ehrenwerten Beruf“ täuscht. Ich bin von Arbeitslosen oft schneller und problemloser bezahlt worden als von Geschäftsleuten oder Politikern.
Deine Mutter sprach zu Dir:
Folge einem Stern!
Wenn Du ein toller Anwalt wirst,
hat Dich jeder gern.
Tu im Leben Deine Pflicht!
Bleibe immer stark.
Nimm von dem Mandanten nicht
noch die letzte Mark!
Im Schreiben der StA steht nur drin, dass der Mandant seine beschlagnahmten Akten abholen soll oder auch der Fall nach §153 eingestellt wurde. ;)
@Andreas Moser
Ist ja auch kein Wunder: Auf kein Geld gibt’s auch keine Zinsen, und von ehrlicher Arbeit ist noch keiner reich geworden.
Quatsch Nötigung. § 9 RVG sieht ausdrücklich vor, daß der Anwalt von seinem Mandanten einen angemessenen Vorschuß (der auch das gesamte Honorar nebst Auslagen umfassen darf) fordern kann. Es ist allgemeine Meinung in Literatur und Rechtsprechung, daß der RA nicht weiter tätig werden muß (§§ 273, 320 BGB), wenn der Vorschuß nicht eingeht. „Vorschuß“ in diesem Sinne kann selbstverständlich auch die Endabrechnung sein, die nicht bezahlt wird. In dem Schreiben von Herrn Hoenig wird lediglich die Rechtslage dargestellt.
Ohne Moos nix los. Wär ja noch schöner, wenn man auch noch verpflichtet wäre, kostenlos zu arbeiten.
Warum sollte man er Sie jetzt bezahlen? Man kann auch einfach einen zivilrechtlichen Anwalt und die Anwaltskammer einschalten, oder nicht? Greift hier nicht §666 BGB und §11 BORA?
Ich würde zwar auch mit sofortiger Mandatsniederlegung drohen, aber ich finde den Inhalt der E-Mail schon etwas befremdlich. Das finde ich so nicht professionell. Würden Sie das jedem Mandanten so schreiben oder ist die Wortwahl auf einen bestimmten Mandanten zugeschnitten?
Tja, denen die hier eine mögliche Nötigung apodiktisch ausschließen möchte ich das Urteil des BGH vom 18.03.1954, BGHSt 2, 194 nahe legen, welches wie ich finde vom Sachverhalt durchaus vergleichbar ist. Zu finden u.a.hier
http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=BGHSt%202,%20194
Was haben die Leute hier für Vorstellungen? Wenn der Anwalt seinen Auftrag ausführt muss bezahlt werden. Punkt. Ihr würdet wohl auch den Mitarbeiter einer Fastfood-Kette anzeigen, wenn er sich weigert euch die Hamburger vor Zahlung eines Geldbetrages zu übergeben. Rechtsempfinden einer Neidgesellschaft, ts, ts, ts…
Schon witzig, dass hier Nötigung diskutiert wird. Ich empfehle immer die Norm zu lesen, und hier wenigstens bis Abs. II.
Ansonsten wäre ja jeder Satz wie „Wenn Sie meine Rechnung nicht bezahlen, werde ich klagen“ eine Nötigung gegen den Zahlungsunwilligen.
Sicher muss der Anwalt nicht ohne Bezahlung arbeiten … aber dann sollte er korrekterweise dem Gericht und der Staatsanwaltschaft mitteilen, dass er das Mandat niedergelegt hat. Es gibt kein „Pfandrecht“ des Verteidigers an den Schreiben der Staatsanwaltschaft.
@Rasti: 2 Sätze – 2 Fehler! Wo steht denn, dass das Mandat niedergelegt wurde? Erste Juristenregel: Zum Sachverhalt nichts hinzudichten!
Zweitens: „Pfandrecht“ am eigenen Eigentum ist auch witzig.
Das ist einfach die bittere Realität. Wir Anwälte produzieren halt nichts wirklich Greifbares außer eben einer Menge Papier. Und die paar Telefonate mit den Gegner/Gericht/RSV machen ja auch keine Arbeit. Das sind halt alles Dinge, die man nebenbei auch selbst erledigen könnte. Und dafür auch eine Rechnung präsentiert zu bekommen? Tztz…
Der Gesetzgeber hatte das Problem ja erkannt und erlaubt den RAen daher die zu erwartenden Gebühren über einen (angemessenen) Vorschuss abzurechnen. Dies wird (der erfahrene) Anwalt in der Regel tun, da man anderenfalls leider häufig seinem Geld (u.a. verbunden mit der obigen Argumentation durch den Mandanten) hinterherläuft. Das ist bedauerlich für die redlichen Mandanten, denen man eigentlich zunächst seine eigene Leistung zukommen lassen möchte, jedoch aufgrund der schlechten Zahlungsmoral einiger Mandanten eben doch die „bittere Pille“ des Vorschusses aufdrücken muss und dann eben als der raffgieriege Anwalt dasteht.
Im übrigen möchte ich mal denjenigen Arbeitnehmer sehen, der bereits 3 Monate auf sein Gehalt wartet und lieber noch eine Mahnung rausschickt anstatt einer Klage.
Mit dem Vorschussanspruch zu argumentieren, wenn Herr Hoenig auf diesen erklärtermaßen verzichtet hat, ist ja wohl ziemlich Banane. Zurückbehaltungsrechte an einer für den Mandanten bestimmten Behördeninformation bestehen natürlich auch nicht (es muss mindestens eine Kopie ausgehändigt werden, § 17 BORA!).
Es geht auch nicht darum, dass Herr Hoenig angesonnen wird, „kostenlos zu arbeiten“ – den Anspruch und die Möglichkeit, diesen durch Klage und Mahnbescheid geltend zu machen, nimmt ihm ja niemand weg. Dem Anspruch durch Drohung mit einem empfindlichen Übel Nachdruck zu verleihen, ist trotzdem eine Nötigung (wenn der durchgesetzte Anspruch nicht bestünde, wäre es sogar Erpressung).
@Arno: Der Fastfoodmitarbeiter bezeichnet sich selbst aber auch nicht als Organ der Nahrungsmittelindustrie. Anwälte haben gewisse Rechte und daher auch gewisse Pflichten.
Ich halte die Vorgehensweise auch für sehr problematisch. Natürlich ist es in keiner Weise verwerflich, wenn der Anwalt einen Vorschuss nimmt. Wenn er aber keinen Vorschuss nimmt, zwischendurch abrechnet und dann bei nicht rechtzeitigem Ausgleich die Übersendung von Unterlagen verweigert, wird das Eis dünner.
Geradezu brüchig wird das Eis, wenn der Mandant diese Unterlagen dringeng, insbesondere bei (ab)laufenden Fristen zur Kenntnis nehmen und Entscheidungen treffen muss. Auch ein Zurückbehaltungsrecht darf, ebenso wie ein etwaiges Kündigungsrecht, nicht zur Unzeit ausgeübt werden. Ein solches Verhalten dürfte sowohl gegen Treu und Glauben als auch gegen die Gewissenhaftigkeit der Berufsausübung im Sinne des § 43 BRAO verstoßen und wäre damit standeswidrig.
Diejenigen, die meinen, hier läge eine Nötigung vor, übersehen das Entscheidende. RA Hoenig kündigt nicht an, das Schreiben nicht herausgeben zu wollen, sondern macht lediglich dessen postalische Versendung von vorheriger Bezahlung abhängig. Man wird sich schwer tun, eine postalische Nichtversendung als „empfindliches Übel“ zu deuten.
Auch Rechtsanwälte sind nicht verpflichtet, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen.
Der Mandant kann sich ja mal überlegen, einfach mal bei Herrn Hoenig in der Kanzlei aufzutauchen und Einsicht in das Schreiben zu verlangen… Wahrscheinlich ist er dazu aber zu feige. Alternativ kann der Mandant auch unmittelbar Kontakt mit der Staatsanwaltschaft aufnehmen und dort nachfragen, was los ist.
Wie gesagt: Nötigung: (-) – kein empfindliches Übel.
Ah, hier herrscht die geballte Rechtskunde! Werde meinen Mandanten jetzt immer empfehlen, ihre weitere Leistung nicht zu verweigern, auch wenn sie der Vertragspartner nicht bezahlt. Weil: das wäre ja Nötigung….
Bitte arbeiten Sie kräftig weiter für ihren zahlungsunwilligen Arbeitgeber / Auftraggeber. Daß Sie seit 2 Monaten keinen Lohn erhalten haben, ist doch nicht so schlimm. Wenn Sie mit der Niederlegung der Arbeit drohen, machen Sie sich strafbar…
Also ich bin ebenfalls entsetzt ! Ich möchte ja kein Urteil sprechen, aber die Nötigung ausschließen? Da offenbar die große Mehrheit der Kommentatoren zu faul ist einem Link zu folgen hier nochmal die Zusammenfassung:
In der ersten Verhandlungspause verlangte der Angeklagte von Frau W. mit der Drohung, andernfalls die Verteidigung nicht weiterzuführen, Zahlung von 50 DM zunächst noch am selben Tage und schließlich bis zum nächsten Morgen 8 ½ Uhr. Unter dem Druck der BGHSt 2, 194 (194)BGHSt 2, 194 (195)Drohung lieh sich Frau W. das Geld. Als sie es am nächsten Morgen an den Angeklagten in seinem Büro zahlte, nötigte er sie mit der gleichen Drohung, einen Honorarschein über 400 DM zu unterzeichnen.
[…]
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in zwei Fällen verurteilt …
Ist ja toll, dass die Rechtsanwälte, die sich hier für Herrn Hoenig in die Bresche werfen, damit argumentieren, die Anwaltstätigkeit sei doch eigentlich eine hundsgewöhnliche Dienstleistung.
(Ich wüsste gerne, was sie sagen, wenn ihr Zahnarzt den Zahn demnächst nur halb zieht, dann eine Pause macht und erst mal Geld sehen will …).
@Hans-Heiner: Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich. Wenn der Mandant rechtsschutzversichert wäre bzw. eine solche Versicherung für Strafsachen möglich wäre, gäbe es das Problem nicht. Wenn Sie ohne Krankenversicherung zum Zahnarzt gehen, will der auch zuerst Geld sehen.
@ Hans-Heiner
Zwischenrechnungen und Vorschüsse sind auch in anderen Branchen üblich. Nur selten stellt ein Handwerker das Werk fertig, wenn der Auftraggeber sich schon weigert, die Zwischenrechnung zu bezahlen. Da wird die Kelle fallen gelassen und alles, was nicht niet- und nagelfest ist wieder mitgenommen.
Handwerker haben zumindest ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen, z.B. an dem zur Reparatur gegebenen Fahrzeug. Damit kann man etwas anfangen. Das Zurückbehaltungsrecht an den wertlosen Papieren des Mandanten nützt mir wenig, da bleibt nur das – rechtmäßige – Druckmittel der Arbeitsniederlegung. Natürlich nicht zur Unzeit. Aber wann kann man denn schon von „Unzeit“ sprechen? Doch allenfalls dann, wenn vor dem Gerichtssaal die Arbeit verweigert wird und dies nicht vorher angedroht wurde. Wenn der Mandant auch auf Mahnung keinen Vorschuß leistet, mir hoch und heilig verspricht, zum Gerichtstermin Geld mitzubringen und dann wieder mit leeren Händen da steht, werde ich mich mit Sicherheit nicht in den Gerichtssaal begeben. Das hat nichts mit Nötigung, sondern mit Abwesenheit von Doofheit zu tun.
Übrigens: die meisten Mandanten, die so handeln, schreiben einem früher oder später aus dem Knast, wo sie sitzen, weil sie auch Rechnungen anderer Leute nicht bezahlt haben. Die armen genötigten Betrüger…
@Tobias
Nö, will er nicht… weil er weiß, daß er mein Geld nach Rechnungslegung schneller auf dem Konto hat als er „kassenzahnärztliche Bundesvereinigung“ auch nur sagen könnte… dafür muß man dann auch nicht warten.
Also für mich als Laien besteht ein klarer Unterschied zwischen einem Menschen der aufhört zu arbeiten weil er kein Geld bekommt, was vollkommen legitim ist, und jemandem der wichtige Unterlagen zurück hält weil er kein Geld bekommt, was ich für nicht legitim halte. Und dabei ist es ganz egal, ob der Mandant auch anders an die Informationen kommen könnte, denn es ist auf jeden Fall eine Verzögerung.
Herr Hoenig muss dem Mandanten natürlich nicht mehr sagen wie er sich in der aktuellen Lage am Besten verhält (vom Zahlen mal abgesehen, das wäre wahrscheinlich wirklich das Beste) aber er muss meiner Meinung nach dem Mandanten die aktuelle Lage mitteilen. Und zwar alles davon.
Und den Mandanten zu „belügen“ macht es nicht wirklich charmanter.
@ Tobias Glienke: Ob und unter welchen Vorausssetzungen Ärzte einen Vorschuss verlangen können, ist bekanntlich sehr streitig. Jedenfalls darf der Arzt das nicht, wenn er zu Behandlungsbeginn auf einen Vorschuss ausdrücklich verzichtet hat (wie Herr Hoenig in diesem Fall).