Befangenheitsantrag – immer schön vorsichtig

In den Medien wurde in den letzten Tagen viel von „Befangenheitsanträgen“ geschrieben und gesprochen. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist und wann ein – richtig bezeichnet – Ablehnungsgesuch begründet ist, möchte ich mit den folgenden, Zeilen erläutern.

Ein Ablehnungsgesuch ist begründet, wenn der Angeklagte bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhaltes Grund zur Annahme hat, der abgelehnte Richter nimmt ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der abgelehnte Richter im Grunde tatsächlich befangen ist. Die Befangenheit ist ein Zustand eines Richters, der seine vollkommen gerechte, von jeder falschen Rücksicht freie Einstellung zur Sache, seine Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten beeinträchtigen kann (BVerfGE 21, 146 = NJW 1967, 1123). Ein solcher Zustand kann in der Regel nicht mit hinreichender Sicherheit bewiesen werden.

Daher ist die Ablehnung schon begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Es ist also nicht erforderlich, daß der Richter in der Tat parteilich oder befangen ist. Ob der abgelehnte Richter sich selbst für unbefangen hält oder er für Zweifel an seiner Unbefangenheit Verständnis aufbringt, ist deshalb ebenso bedeutungslos (BVerfGE a.a.O.; BVerfGE 32, 288 (290)).

Es kommt entscheidend darauf an, ob der den Richter ablehnende Angeklagte bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit, d.h. an der objektiven und zu allen Verfahrensbeteiligten Distanz wahrenden Einstellung des abgelehnten Richters innerhalb des vorliegenden Verfahrens zu zweifeln (BVerfG E 32; 288 (290); BGHSt 24, 336 (338))

Der Text ist Teil eines (bereits schon älteren) Textbausteins, den ich in einigen (wenigen) Verfahren bereits erfolgreich verwendet habe (in einem Verfahren allerdings gleich mehrfach).

Anzumerken ist, was in den Medien oftmals übersehen wird, daß ein Ablehnungsgesuch auch dann „erfolgreich“ sein kann, wenn es „abgelehnt“ wurde. Denn ein solches Ablehnungsverfahren hat immer irgendeine Auswirkung auf den weiteren Gang des Verfahrens, und nicht in jedem Fall ist die Stimmung im Saal danach auf dem Tiefpunkt. So manches Mal hat eine Richterablehnung die reinigende Kraft eines Gewitters, die dem Gang eines fairen Verfahrens durchaus förderlich ist.

Die Verteidiger (bzw. genauer: ihre Mandanten) haben mit diesem Antragsrecht ein scharfes Instrument in der Hand, das aus verschiedenen Gründen sehr vorsichtig zum Einsatz kommen sollte.

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Strafrecht veröffentlicht.

5 Antworten auf Befangenheitsantrag – immer schön vorsichtig

  1. 1
    Michael says:

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass nur wenige Richter sich auf diesem Gebiet auskennen. Leider fühlen sich auch viele Richter durch einen solchen Antrag persönlich angegriffen.

    Weiterhin fällt auf, dass durch den Umgang mit dem Antrag die meisten fehler gemacht werden, die dann letzlich dem Antrag zum Erfolg verhelfen.

    Persönlich rate ich immer von Anträgen ab, die ohne vorherige Absprache mit dem Mandanten ,,spontan“ aufgrund der Verfahrenssituaion gestellt werden.

  2. 2
    Andreas says:

    Ergänzung: Ein zu Unrecht verworfener Befangenheitsantrag stellt sogar einen absoluten Revisionsgrund dar, so dass ein Verfahren allein deshalb neu aufzurollen ist (§ 338 Nr. 3 StPO). Besonders gefährlich ist hier, wenn der Strafrichter einen Befangenheitsantrag selbst verwirft (§ 26a Abs. 2 S. 2 StPO), weil die höchstrichterliche Rechtsprechung solche Entscheidungen in eigener Sache nur unter strengen Bedingungen akzeptiert.

  3. 3
    ui-ui-ui says:

    War der angesprochene Fall derjenige einer Verkehrsordnungswidrigkeit, wo der Richter ohne bzw. mit abstruser Begründung die Terminverlegungsgesuche von Herrn Hoenig abgelehnt hat? :-)

  4. 4
    gant says:

    Das da oben lese ich so, dass Sie einen Ablehnungsantrag dann extra so (oder in der Hoffnung) stellen, dass er abgelehnt wird und der betroffene Richter damit den „reinigenden“ Schuss vor den Bug erhält. (Und vorsorglich auch, um den besagten Revisionsgrund zu schaffen?)
    Und wenn das nicht reicht, wird der „scharf“ gemachte Ablehnungsantrag gestellt?

    • So einfach ist es (leider?) nicht. Wenn es einen Ablehnungsgrund gibt, muß man ihn sofort vortragen, sonst ist er verbrannt: § 25 II 2 StPO, § 26a I 1 StPO.

      Mit ein wenig Geschick und Erfahrung findet ein geschickter und erfahrener Strafverteidiger ;-) aber durchaus einen Weg, mehrere Ablehnungsgesuche hintereinander zu schalten, deren „Schärfe“ sukzessive zunimmt. Es gibt aber auch einige geschickte und erfahrene Richter, die genau das durchschauen. 8-) crh

  5. 5

    […] Obersatz habe ich in meinem Textbaustein für Befangenheitsanträge ein wenig ausführlicher, aber im Prinzip inhaltlich identisch […]