Beschleunigung auf Potsdamer Art

665961_web_R_K_by_Andreas Hermsdorf_pixelio.deManchmal kann und sollte es schnell gehen. Deswegen hat sich der Strafgesetzgeber das beschleunigte Verfahren ausgedacht. Immer dann, wenn die Sache auf Grund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist (§ 417 ff StPO), kann auf die Durchführung eines Zwischenverfahrens und auf eine schriftliche Anklageschrift verzichtet werden, die Ladungsfrist verkürzt sich auf 24 Stunden (§ 418 Abs. 2 S. 3 StPO) und die Beweisaufnahme wird vereinfacht.

Soweit die Theorie. Nun ein Fall aus der Praxis:
Der Mandant wird mit Alkohol am Steuer erwischt. Keine außergewöhnlichen Vorkommnisse, der Mandant ist einsichtig und geständig, die Sache also klar. Es geht „nur“ noch um die rechtlichen Konsequenzen.

Der Normalfall:
Der Verteidiger versucht mit der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl (§ 407 StPO) abzusprechen. Die Höhe der Geldstrafe und die Dauer der Sperrfrist zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis sind Themen der Absprache. Meist wird man sich schnell einig, der Staatsanwalt stellt den Strafbefehlsantrag, der Richter erläßt den Strafbefehl, der Mandant zahlt die Geldstrafe und wartet auf den Ablauf der Sperrfrist. Fertig.

Der Fall in Potsdam:
Anruf beim Staatsanwalt. Der kennt den Normalfall, aber darf nicht. Die Staatsanwaltschaft Potsdam wurde nämlich von „ganz oben“ angehalten, das beschleunigte Verfahren verstärkt zu nutzen und nicht das Strafbefehlsverfahren. Es soll ja schnell gehen. Der Anruf endet daher fruchtlos.

Das Amtsgericht setzt nun zwei Monate nach diesem Anruf – selbstredend ohne Rücksprache mit dem Verteidiger (es muß ja schnell gehen) – einen Hauptverhandlungstermin fest. Der Verteidiger ist verhindert, der Mandant im Ausland. Daraufhin lehnt das Amtsgericht das beschleunigte Verfahren ab, da es ja jetzt so lange dauert …

Nun beginnt genau das Verfahren, was durch die Einführung des beschleunigten Verfahrens – oder durch den Anruf des Verteidigers beim Staatsanwalt – vermieden werden sollte. Vielleicht sollte man da „ganz oben“ mal weiter denken als von der Wand bis zur Tapete.

Bild: Andreas Hermsdorf / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Verkehrs-Strafrecht veröffentlicht.

5 Antworten auf Beschleunigung auf Potsdamer Art

  1. 1
    Bert says:

    Was doch jetzt wieder Raum lässt für den abgesprochenen 412er-Strafbefehl: Dann müsste der Termin auch nicht verlegt werden und man könnte im beschleunigten Verfahren bleiben.

    • Danke für den Hinweis. Ich werde ihn weiterleiten. Wohin dürfen wir Ihr Honorar überweisen? crh

    Andererseits bleibt ein Risiko: Was, wenn man ganz oben auch verstärkt die Beantragung von 230ger-Haftbefehlen auch bei minimalsten Vergehen propagiert…?

    • Das ist nur scheinbar ein Risiko: Eine Anweisung an den Staatsanwalt durch die dienstvorgesetzte Behörde ist ein alltäglicher Vorgang. Eine Anweisung an einen Richter – und zudem auch noch von ganz oben – aber wäre wegen der Gewaltenteilung und insbesondere wegen der richterlichen Unabhängigkeit eine eher heikle Angelegenheit. crh
  2. 2
    BrainBug2 says:

    Ich schlage vor, bei der nächsten Wahl endlich die Piraten zu wählen. Dann könnte man die Unabhängigkeit des Staatsanwalts einführen. Und die Von-Wand-zur-Tapete-Denker von ganz oben könnten zwischen Wand und Tapete bleiben, ohne dass es jemanden stört…

  3. 3
    sven says:

    In wie weit ist das beschleunigte Verfahren mit der EMRk zu vereinbaren (insbesondere Art. 6 Abs 3 b EMRK? „ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;“

    Wäre schön, wenn ein Angeklagter im „beschleunigten Verfahren“ den Weg durch die Instanzen nimmt und die §§ 417-420 StPO zukünftig wegfallen.

  4. 4
    Martin Overath says:

    Auch die AfD propagiert die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft.

  5. 5
    f.loskel says:

    In MOL klappt das. Und dann lässt man die Staatsanwaltschaft raten, was ein Kleinunternehmer verdient