Das Kammergericht und die alten Kamellen

Es ist zwar inhaltlich eine alte Kamelle, aber offensichtlich noch nicht bei jedem Richter angekommen. Deswegen mußte das Kammergericht dem Richter der Abteilung 295 beim Amtsgericht Tiergarten noch einmal Nachhilfe geben.

Das OLG Karlsruhe (2 (6) SsRs 279/12) hat in einer vergleichbaren Sache das Thema so zusammen gefaßt:

Ist unmissverständlich klargestellt, dass von der persönlichen Anwesenheit des Betroffenen eines Bußgeldbescheids wegen Geschwindigkeitsüberschreitung im Hauptverhandlungstermin keinerlei weitergehende Aufklärung zu erwarten ist, weil sein Verteidiger erklärt hat, dass der Betroffene Fahrzeugführer gewesen sei und er aber weiter nichts sagen werde, so liegen die Voraussetzungen für eine Entbindung des Betroffenen von seiner Anwesenheitspflicht vor.

Verständlicher formuliert es Rechtsanwalt Tobias Glienke, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafrecht:

Eine Besonderheit im Bußgeldverfahren ist die Möglichkeit, den Mandanten von der Pflicht zur Teilnahme an der Gerichtsverhandlung entbinden zu lassen. Das ist auch ganz nützlich. Es geht oft um technische Details und Fragestellungen bei Geschwindigkeitsmessungen. Das muss sich der Mandant nicht anhören.

Überhaupt sollte der Verteidiger das Verfahren für den Mandanten nicht nur erfolgreich, sondern auch so angenehm wie möglich gestalten.

Zugleich entzieht man den Mandanten dem Einfluss des Richters, der schon mal versucht, am Verteidiger vorbei einzuwirken.

Außerdem ist es für den berufstätigen Mandanten ein Problem, sich für einen in der Regel 15 – 30 minütigen Termin frei zu nehmen.

Ein solcher Antrag kann auch noch nach Aufruf der Sache gestellt werden. Das kann sehr praktisch sein, wenn sich der Verkehr mal wieder staut, die Bahnschranke unten ist etc. Es darf nur durch die Anwesenheit des Mandanten keine weitere Aufklärung zu erwarten sein. Das bedeutet, dass bekannt sein muss, wer gefahren ist und das der Verteidiger sämtlich geplanten Angaben machen kann. Dazu muss eine schriftliche Vollmacht vorgelegt werden.

Sollte der Verteidiger auf einen Richter aus der Steinzeit geraten, der dieses Vorgehen nocht nicht kennt, hilft zum Glück die Rechtsbeschwerde.

Wie im vorliegenden Fall, in dem das Kammergericht (3 Ws (B) 202/13) das Urteil des AG Tiergarten (295 OWi 1130/12) aufgehoben hat.

Wir gratulieren Rechtsanwalt Bert Handschumacher, der die Entscheidung erstritten und uns die den Beschluß übermittelt hat.

Dieser Beitrag wurde unter Ordnungswidrigkeitenrecht veröffentlicht.

3 Antworten auf Das Kammergericht und die alten Kamellen

  1. 1
    nachgefragt says:

    Herr Handschumacher scheint in der Vollmachtsthematik eine gewisse Fixierung zu entwickeln und alle Varianten auszutesten. (angeblich vom Mandanten ermächtigt, das wird dann aber erst in der Rechtsbeschwerde behauptet/nachgewiesen, Vollmachtsurkunde nicht unterschrieben, dann doch, aber nicht mit Vertretungszusatz).
    Obs dem Mandanten im Ergebnis hilft, wenn die Fahrereigenschaft doch eingeräumt und weitere Angaben nicht gemacht werden und auch kein Fahrverbot verhängt ist? Geht es etwa um Gebühren oder ums Prinzip in unserem rechtsschutzversicherten Mirgehtsalsbürgerummeinrechtundumsprinzipland?

  2. 2
    Ingo says:

    Wie man da von „gratulieren“ sprechen kann, ist mir schleierhaft.

    In der Sache hatte das Rechtsmittel einen nur vorläufigen Erfolg. Ob dann ein endgültiger Erfolg eintritt (zu dem gratuliert werden könnte), wird man sehen. Auf einen Fahrverbotsentfall wegen zu lange zurückliegender Tat kann er erkennbar nicht spekuliert haben, da ein Fahrverbot nicht angeordnet war (sonst hätte die RB nicht zugelassen werden müssen).

    Die Sache kommt also zum Amtsrichter zurück, in diesem Fall an Richter M., der dann eine Sachentscheidung treffen wird, die nicht mehr so ohne weiteres rechtsbeschwerdefähig ist.

    RA H. kann ja mal vom endgültigen Ausgang berichten, sodass man sehen kann, ob die Gratulation berechtigt war oder nicht.

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