Seit 2008 ist Herr S. mein Mandant. Er sitzt seit dieser Zeit in der Psychiatrie, im Maßregelvollzug. In den letzten anderhalb bis zwei Jahren hatte er sich gut entwickelt. Er wurde sukzessive „gelockert“ und es stand der Wechsel in ein betreutes Wohnen außerhalb der Klinik unmittelbar bevor.
Diese Mitteilung der Klink an mich deutet darauf hin, daß es mit weiteren Lockerungen eher düster aussieht, jedenfalls in absehbarer Zeit.
Der Mann ist 26 Jahre alt. Er war 21 als er verhaftet und eingeliefert wurde. Bis dahin hatte er eine klassische Heimkarriere hinter sich. Seine Mutter hatte (unter anderem) ein Alkoholproblem, auch während der Schwangerschaft. Sie ist schon seit über zwei Jahrzehnten Patientin einer anderen Psychiatrie im Südwesten der Republik.
Herr S. hatte im Grunde nie eine reelle Chance auf ein freies und selbstbestimmtes Leben.
Tja, das ist man ein Anwalt in den besten Jahren, denkt man hat schon alles erlebt … und eines Tages wird einem plötzlich klar: die Welt ist ungerecht!
Willkommen im Club, Herr Hönig !
Ich habe einen Mandanten mit ähnlicher Geschichte und Symptomatik. Nach langen zähen Kampf über mehrere Instanzen konnte eine zweite Unterbringung verhindert werden. Allerdings frage ich mich immer wieder, wo der Mandant am besten aufgehoben wäre. Leider fällt mir außer der geschlossenen Psychiatrie kein anderer Ort ein. Er ist nun seit zwei Jahren da und Fortschritte gibt es nicht. Tragisch.
Blauäugiger Erstgedanke:
Wechsel der Psychiatrie um sicherheitshalber die Klinik auszuschließen.
@Bulli: Viele Einrichtungen machen mittlerweile einen sehr guten Job und die Horroreinrichtungen aus den 60-ern gibt es eigentlich gar nicht mehr.
Ein Wechsel bei psychisch Erkrankten sollte man daher nur angehen bei ernsthaften Hinweisen, da natürlich jeder Wechsel eine enorme Belastung ist.
Gleichwohl muß man das von Bulli angedeutete Thema stets und auch in Zukunft im Blick behalten. crh
Wie wäre es mit einer betreuten Ausbildung zum Gärtner. Pflanzen haben schon viele beruhigt.
Säen, sich kümmern, ernten
Aus der Mitteilung der Klinik geht nicht hervor, was tatsächlich passiert ist. Ohne diese Angaben handelt es sich um eine Wertung, die zutreffend, oder auch unzutreffend sein kann.
steht doch das wichtigste da: irgendwas hat ihn so aufgeregt, dass er anderen auf die Pelle gerückt und ihren „Persönlichkeitsabstand“ mehrfach unterschritt. Das sorgt dann für Aggressionen bei denen, denen er zu nahe kam.
Wenn er das „draußen“ bei den falschen Menschen versucht hat er kein leichtes Leben. Sogar die harmlosesten Menschen reagieren nervös, wenn ihnen laufend jemand fremdes so nahekommt, dass sich die Nasenspitzen fast berühren.
Ein Verhalten wird in „Medizinersprech“ rein bewertend, ohne nachvollziehbare Situationsbeschreibung dokumentiert.
Wollte er Kiontakt? Wollten andere Kontakt und er hat sich „distanzgemindert“ verwahrt? Wollte er jemanden verdrängen? Wir wissen es nicht.
Nach 5 Jahren in der „Geschlossenen“ wäre selbst ein agressives Verhalten nicht verwunderlich.
Aus der (mutmaßlichen) Mücke ist ein Elefant geworden und – wie passend – die Klinik hat eine Bettenbelegung sicher.
Traurig, traurig.
ACK. Eine Wertung, die vieles offen läßt, was tatsächlich passiert ist. Alles sehr subjektiv.
Was für Wortschöpfungen:
Distanzgemindert, konfrontative Situation, Entaktualisierung.
Lol