Eine hausgemachte Übersetzung mit Bordmitteln

Ein Telefonat unter vielen; vier dicke Akten-Ordner mit verschrifteten – also abgehörten und aufgeschriebenen – Telefonaten beschäftigen zur Zeit die Staatsanwaltschaft und die Verteidiger. Gesprächspartner waren jeweils Türken, allerdings aus unterschiedlichen Regionen.

Die einen haben ihr Türkisch in Deutschland gelernt, die anderen – zum Beispiel – in Armenien, einem Land unmittelbar östlich der Türkei. Entsprechend sind die Dialekte eingefärbt und die Sprachkompetenzen unterschiedlich. Aber wenn der Gesprächsgegenstand den Gesprächspartnern bekannt ist, versteht man sich sehr gut untereinander.

Bei den Ermittlungsbehörden arbeiten mittlerweile auch Beamte und Angestellte, deren Eltern und Großeltern muttersprachliche Türken sind bzw. waren. Aus Kostengründen übernehmen diese Mitarbeiter die Arbeit der Übersetzung solcher Telefonate.

Nun liegen hier solche hausgemachten und mit Bordmitteln zusammen geschraubte Verschriftungen vor. Hier eine Kostprobe:

Übersetzer

Man merkt recht schnell, daß hier der Inhalt so wiedergegeben wurde, wie der behördliche Migrant es verstanden haben will. Wenn es dann aber auf den exakten Inhalt der Gespräche (und nicht so sehr auf den Wortlaut) ankommt, ist sehr schnell die Grenze zur Verwertbarkeit erreicht. Die fehlenden Worte … waren die nun wichtig, oder kann man darüber hinweg sehen?

Zwei Sätze, die sich nur um ein einziges Wort unterscheiden, machen im Einzelfall schon einmal den Gegenwert für ein paar Jahre Freiheitsstrafe aus:

Ich arbeite nicht mehr mit ihm zusammen.

oder

Ich arbeite nicht mit ihm zusammen.

Während im ersten Satz auch mitgeteilt wird, daß zuvor eine Zusammenarbeit (Strafjuristen reden dann von Mittäterschaft) stattgefunden hat, ist genau dieses kollusive Zusammenwirken in der zweiten Übersetzung nicht belegt.

Das Beispiel macht deutlich, daß es dann wohl in der gerichtlichen Beweisaufnahme auf Folgendes hinauslaufen wird:

  1. Die Telefongespräche müssen im Original angehört werden.
  2. Dann werden sie von einem kompetenten Dolmetscher zuerst in der Originalsprache aufgeschrieben.
  3. Danach erst erfolgt die Übersetzung.
  4. Und wenn es diese beschriebene Mischung aus Deutsch-Türkisch-Armenisch ist, wird eine sachverständige Analyse des Inhalts wohl auch noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.

Die Frage, die sich stellt: Hat man beim Einsatz der zweisprachigen Bordmittel im Ermittlungsverfahren nicht am falschen Ende gespart? Eine echte Alternative sehe ich allerdings auch nicht so richtig.

Allerdings sollten die Leser solcher hausgemachten Telefongesprächsinterpretationen stets jenes Moment berücksichtigen, das unter dem Kapitel „tendenziöse Ermittlungen“ zu fassen wäre. Denn welche Tendenzen in einem Steuerstrafverfahren ein Steuerfahnder hat, dürfte jedem Berufspendler bekannt sein, der schon einmal versucht hat, seine Fahrtkosten beim Lohnsteuerjahresausgleich geltend zu machen-

Dieser Beitrag wurde unter Polizei, Staatsanwaltschaft, Verteidigung veröffentlicht.

8 Antworten auf Eine hausgemachte Übersetzung mit Bordmitteln

  1. 1
    Caron says:

    Genau dafür gibt es doch einen Prozess und eine Verteidigung. In jedem Fall höchste Sorgfalt schon in den Vorermittlungen zu jedem Preis walten zu lassen, hilft doch nun wirklich niemandem weiter.

    • Die Gefahr für das Ergebnis (Anklageerhebung oder Einstellung) besteht darin, daß falsche – oder auch nur sinn-entstellende – Übersetzungen die Richtung der Ermittlungen entscheidend beeinflussen (können). Die Verteidigung (eigentlich aber auch die Ermittlungsbehörde) muß also so früh wie möglich eingreifen, nicht erst im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme. Dann nämlich ist es meist schon zu spät (google -> Inertia-Effekt). crh
  2. 2
    MahnerUndErinnerer says:

    Auf http://www.heise.de/tp/artikel/13/13919/1.html kann man ebenfalls das Ergebnis schlampiger Ermittlungsarbeit und die Folgen für den zu unrecht Angeklagten nachlesen. Etwas mehr als 10 Jahre alt, der Fall.

  3. 3
    Wernher von Grün says:

    @ MahnerUndErinnerer

    Unfassbar. Da bekommt man Angst.

  4. 4
    Jens says:

    Ich wüsste nicht, welcher Grund den Verweis auf den Steuerfahnder hat. Dieser ist Polizist (§ 404 AO). Solche Fälle (LJA=meint Einkommensteuererklärung) mit unstimmigen Angaben macht die StraBu im Alleingang (§ 399 AO). Die enden meist in § 153 a StPO. Und ich finde auch eine unrichtige Steuererklärung ist eine unrichtige Steuererklärung, deren Unrechtsgehalt geahndet werden muss. Auch bei Massen- und Jedermanndelikten wie § 370 AO, veehrter Herr Hoenig.

    • Bei einen Hinterziehungsbetrag in 7-stelliger Höhe spricht nur noch ein Vorstandsvorsitzender einer großen Deutschen Bank von Massen- und Jedermannsdelikt. In dem Fall, aus dem ich hier berichte, geht es um’s ernsthaft Eingemachte. Und dann kann man mit so einer Bastelei – egal ob Steuerfahnder oder Polizist oder translate.google.de/ – einer engagierten Strafverteidigung nicht kommen. Im Übrigen hammwer hier den Fall des § 386 II AO. ;-) crh
  5. 5
    werner says:

    mein onkel ist auch strafverteidiger und ich habe ihm mal diesen beitrag gezeigt.

    er lachte leicht verächtlich und meinte, dass das eigentlich die regel sei. er versucht das auch häufig bei gericht anzuprangern aber findet nur selten gehör, denn im „endergebnis“ hatte es keine auswirkungen.
    ich finde das ja schon leicht traurig.

    ps. ich habe heute ihr schmuckstuck von einer wanne an der grenzallee gesehen. wahrlich eine pracht

    • Gefällt mir. ;-) crh
  6. 6

    @ MahnerUndErinnerer: Das Schlimme daran ist, dass sich die Situation mMn in den letzten 10 Jahren nicht wirklich gebessert hat.

  7. 7
    Schlingel says:

    Die Lösung für dieses Dilemma ist doch recht einfach: Steuern für alle rauf, insbesondere Einführung der Gewerbesteuer für Rechtsanwälte, und Pamperung des Justizhaushalts mit diesen Mitteln.

  8. 8
    Grumpfdalm says:

    Argh. Und die Dolmetscher und Übersetzer stehen sich in einem Dumpingmarkt um Aufträge die Füße wund. „Die Steuerprüfung macht bei uns aufm Amt aus Kostengründen der Heinz, der hat ne Tante, die echt gut in Mathe ist.“ m(