Eine psychisch kranke Vernehmung

Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, versucht zu haben, sich in einem Spätkauf ohne Bezahlung mit Zigaretten zu versorgen.

Auszug aus dem Vernehmungsprotokoll.

Antwort:
Ich will hier nur soviel sagen: Ich wollte niemandes etwas Böses. Das habe ich der Frau auch zweimal gesagt. Ich hatte nur eine Spielzeugwaffe.

Frage:
Warum haben Sie auf die Polizei gewartet?

Antwort:
Ich will nichts mehr dazu sagen.

Frage:
Möchten Sie generell nichts mehr dazu sagen oder möglicherweise später nach Rücksprache mit einem Anwalt?

Antwort:
Ich will nichts mehr dazu sagen. Fertig aus.

Frage:
Es ist für die Beurteilung ihrer Person und der Straftat durchaus von Interesse wie und mit welcher Einstellung Sie diese Tat begangen haben. Was Sie vorher gemacht haben und was Sie persönlich dabei dachten und fühlten. Möchten Sie dazu vielleicht noch etwas sagen?

Antwort:
Nein. Ich will dazu nichts mehr sagen.

Frage:
Ist es Ihnen denn egal was jetzt mit Ihnen passiert?

Antwort:
Nein. Ich will nichts dazu sagen.

Frage:
Haben Sie einen Beruf?

Antwort:
Nein. Ich habe eine Lehre zum Gas- und Wasserinstallateur abgebrochen. Ich weiß nicht mehr in welchem Lehrjahr. Es war zu schwer für mich.

Frage:
Haben Sie sonstige Straftaten in der Vergangenheit begangen? Auch dazu hätten Sie das Recht, die Aussage zu verweigern.

Antwort:
Ich verweigere. Sie kriegen das schon raus.

Frage:
Heißt das Sie haben Straftaten begangen für die Sie noch nicht belangt wurden?

Antwort:
Nein, habe ich nicht.

Frage:
Haben Sie in Deutschland schon einmal eine DNA-Probe abgegeben?

Antwort:
Nein.

Frage:
Wären Sie bereit auf freiwilliger Basis eine DNA-Probe zu geben und der Untersuchung und Speicherung zuzustimmen?

Antwort:
Ja, na klar.

Frage:
Sie haben angegeben, nach [Ausland] zu wollen. Was hat es damit auf sich?

Antwort:
Nein, das habe ich nur so gesagt. Ich will in Deutschland bleiben.

Frage:
Sie haben das schon einmal gegenüber einem Polizeibeamten angegeben.

Antwort:
Das stimmt. Ich habe das geschauspielert. Wäre das denn möglich?

Frage:
Nach [Ausland] im Moment wahrscheinlich eher nicht. Möchten Sie denn in ein anderes Land, wo Sie möglicherweise Familie haben?

Antwort:
Nein. Ich will nicht mehr reden. Ich will zurück in die Zelle, eine rauchen.

Frage:
Eine letzte Frage: Über wieviel Geld verfügen Sie monatlich?

Antwort:
380 Euro vom Jobcenter.

Frage:
Stehen Sie unter rechtlicher Betreuung?

Antwort:
Ja, sein Name ist Gottfried Gluffke.

Der Beschuldigte ist deutlich erkennbar psychisch krank. Die Art und Weise der Tatbegehung trägt bereits klare Hinweise auf eine dringend behandlungsbedürftige Psychose. Ihm gelingt es gleichwohl, sieben(!) Mal deutlich zu machen, daß er nicht weiter aussagen möchte. Dem Vernehmungsbeamten ist das alles völlig Wurscht, er arbeitet stur sein Programm ab und fragt munter weiter.

Sieben Mal wurde protokolliert, wie der gnadenlos überlegene Polizeibeamte sich rücksichtslos über ein elementares Grundrecht eines Beschuldigten hinwegsetzt. Wie oft wohl wurde es während dieser Vernehmung nicht protokolliert?

Der Beschuldigte kann sich an die Vernehmung nicht mehr erinnern. Zur Zeit der Vernehmung war er auf Psychopharmaka- und Nikotin-Entzug. Jetzt wird er im Justizvollzugskrankenhaus behandelt.

Der Polizeibeamte ist weiter im Dienst.

Dieser Beitrag wurde unter Polizei veröffentlicht.

9 Antworten auf Eine psychisch kranke Vernehmung

  1. 1
    Caron says:

    In Zellen ist das Rauchen erlaubt? Wie stets denn da mit dem Schutz der Nachbarzellen?

  2. 2
    Tim says:

    Nun,

    1. heißt es ja „das Recht zu schweigen“ und nicht das „Recht, nicht durch Fragen belästigt zu werden“.

    2. Hat der Vernehmungsbeamte das Schweigen des Beschuldigten ja schon respektiert, er hat eben zu anderen Themenkomplexen gefragt (z.B. seinem Beruf, den er ja auch nennen muss).

    3. Also „Nikotin-Entug“ … mimimi … hundert tausende Menschen sind täglich auf diesem „Nikotinentzug“ wenn sie in der Arbeit nicht rauchen dürfen … manchmal ist weniger mehr, Herr Anwalt, will sagen nicht jeder Rechtfertigungsgrund sollte genannt werden, wenn man die abwertung der anderen vermeiden will (Beispiel hier: Psychopharmaka und Nikotinentzug zusammen …)

  3. 3
    Jan says:

    Ich denke das s für die Ermittler immer schwerer wird den Beschuldigten auf dem falschen Fuss zu erwischen, denn die meisten kennen ihre Rechte doch sehr genau.Deswegen werden solche Extremsituationen, wie Verhaftung oder Hausdurchsuchung gerne ausgenutzt die eine oder andere Spontanäußerung ab zugreifen. Schön doof wenn man drauf reinfällt, denn meistens gilt „gesagt ist gesagt“.
    In diesem Fall ist der Beschuldigte psychisch krank , das ist hinterhältig aber wenn die Psychose sich bestätigt, ist die Aussage sowieso für die Rundablage .
    Mir ist aufgefallen, das Ermittler am Anfang einer Befragung gerne darauf achten ob der zu Vernehmende raucht, kann es sei das deshalb die Vernehmungen dann länger dauern?? Ein Schelm der böses dabei denkt :-)

  4. 4
    Jens says:

    Tja, ein echter „Rechtsstaat“. Solange es nahezu ausgeschlossen ist, dass Polizisten wegen so was (und auch Anderem) mal auf die Finger geklopft bekommen, wird sich auch nichts daran ändern.

    @????: Mit ihren rassistischen Aussagen sind Sie hier glaube ich falsch.

    • Ich habe den Kommentar von ???? gelöscht. crh
  5. 5
    Alex Wieczorek says:

    Andererseits darf man eine so deutliche Abfassung der Übertretung wohl als seltenen Glücksfall bezeichnen. Üblicherweise findet man ja eher in einer sehr langen Vernehmungsdauer (darunter dann ein lediglich ein halbseitiges Protokoll) einen Anhaltspunkt für eine kunterbunte Vernehmung. ;-)

  6. 6
    Gottfried Gluffke says:

    Vermutlich ist der Beschuldigte wirklich psychisch krank. Armer Kerl.

    Auf der anderen Seite ist es nicht witzig mit einer Pistole bedroht zu werden (zumindest wenn man nicht auf den ersten Blick sieht, dass es ein Spielzeug ist und selbst dann ist es unangenehm).

    Wenn man also mal die Schuld und die Schuldfähigkeit völlig beiseite stellt, ergibt sich das Problem solche Vorfälle künftig zu verhindern. Gerade wenn jemand psychisch krank ist, sind Wiederholungen nicht ausgeschlossen. So landet man dann zwangsläufig bei einer Einrichtung, wie sie Herr Mollath kennt.

    Ob das besser als Knast ist? Und ob einem da wirklich geholfen wird? Ich jedenfalls würde nur gern für „krank“ plädieren, außer Heilung ist bald in Sicht.

  7. 7
    Gottfrieg Gluffke says:

    Sollte natürlich nicht „gern“, sondern „ungern“ heißen.

  8. 8
    A. says:

    Es ist doch erstaunlich, wie oft das Argument der Schwere des Tatvorwurfs als Rechtsfertigung bemüht wird, um einen fragwürdigen Umgang mit Rechten zu entschuldigen, die Ausdruck des Rechtstaatprinzips sind. Die Unschuldsvermutung gilt offensichtlich nur für Unschuldige. Gut, dass Hellseherei nicht nur in der anwaltlichen, sondern auch in der polizeilichen Ausbildung ganz oben auf dem Lehrplan steht.

  9. 9
    ui-ui-ui says:

    Meine Erfahrung ist, dass Polizisten elementarste Rechte der Bürger und eigene Pflichten nicht kennen oder sich bewusst über sie hinwegsetzen und nur aus ihrer Sicht heraus handeln. Sie fühlen sich über dem Gesetz. Das Gesetz ist auf ihrer Seite. Sie sind die Guten und die Beschuldigten sind automatisch die Bösen. Gut, dass unabhängige Volljuristen mit jahrelanger theoretischer und praktischer juristischer Ausbildung und zwei überdurchschnittlich absolvierten Staatsprüfungen (Richter) das letzte Wort haben und nicht die Stümper und Pfuscher von der Polizei.