Eitelkeit statt Vollzugslockerungen?

Die Journaille muß täglich, oder wie in diesem Fall wöchentlich, das Papier vollkriegen. Dazu kommen die Reporter auf Ideen, die nachdenklich machen sollten.

Mein Kollege und Nachbar, Rechtsanwalt Steffen Dietrich, suchte am Donnerstag vergangener Woche nach einem Verurteilten, der sich einer Wochenzeitung hingeben will.

Ein Journalist einer seriösen Wochenzeitung möchte einen Beitrag über Menschen fertigen, die sich auf eine längere Haftstrafe vorbereiten.

Der Strafverteidiger zitiert dabei aus einer eMail des Journalisten …

Ich möchte ihn/sie die letzten Tage/Wochen vor Haftantritt begleiten und so miterleben, was es heißt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden zu sein.

… der selbstredend zusicherte,

dass der Fall tatsächlich anonym bleibt.

Ischia_castello_AragoneseIch rate jedem „Verurteilten“ davon ab, sich auf diesem Weg in die Gefahr zu begeben, daß ihm Vorteile im (offenen) Vollzug nicht gewährt werden. Diese Gefahr besteht unabhängig von dem (ehrlichen) Bemühen des Journalisten um Anonymisierung; denn irgendwelche Fakten, aus denen zumindest Insider Rückschlüsse auf die Identität ziehen können, müssen in dem Bericht geliefert werden, wenn er Substanz haben soll.

Nützen tut es dem späteren Inhaftierten mit großer Sicherheit nicht – von der Pflege seiner eigenen Eitelkeit einmal abgesehen. Das (Entdeckungs-)Risiko ist nicht unerheblich und wird, so es sich denn realisiert, zu nicht vorhersehbaren Reaktionen der Kommission führen, die im weiteren Verlauf der Vollstreckung über Vollzugslockerungen zu entscheiden hat.

Nebenbei: Auch Knast-Zeitungen wie der Lichtblick sind an solchen Berichten interessiert.

Bild: via Wikipedia

Dieser Beitrag wurde unter Knast, Medien veröffentlicht.

6 Antworten auf Eitelkeit statt Vollzugslockerungen?

  1. 1
    Michael says:

    Hmm. Ist es nicht auch häufig so, das Personen, die eine längere Haftstrafe anzutreten haben, sich schon in Haft befinden? Was für Vorstellungen haben solche Journalisten?

  2. 2
    Das Fegefeuer der Eitelkeiten says:

    @Michael

    Ist die Frage, was „länger“ ist.

    Grundsätzlich muss ja erst einmal U-Haft angeordnet worden sein, damit sich der VU schon in Haft befindet.

    Möglich ist das alles natürlich grundsätzlich (§ 27 StVollstrO).

    @Beitrag

    „Was ist der Mensch für eine elende Kreatur, wenn er alle Eitelkeit abgelegt hat!“ (Goethe)

    allerdings:

    „Wir sind so eitel, daß uns sogar an der Meinung der Leute, an denen uns nichts liegt, etwas gelegen ist.“ (Ebner-Eschenbach)

    Das Thema ist wohl vielschichtig.

  3. 3
    ui-ui-ui says:

    Wieso sollte man keine Hafterleichterungen bekommen, wenn man bei so etwas mitgemacht hat?

  4. 4
    Tobias says:

    Was ich noch nicht ganz verstanden habe: Warum riskiert derjenige Vorteile im Vollzug?

  5. 5
    Koff says:

    Journalist: „Was bereuhen Sie am meisten?“
    Verurteilter: „Dass ich erwischt wurde“ *lacht*

    Der geschulte Vollzugsbeamte erkennt dadurch, dass dem Verurteilten jegliche Reuhe fehlt – eine Wiederholungsgefahr ist nicht auszuschließen.

  6. 6
    matthiasausk says:

    Warum sollte die Reue fehlen? Wenn der Verurteilte dem Journalisten und der Journalist dem Leser genau diese ehrliche Reue zuverlässig rüberbringt?