Geschenkte Lorbeeren

530809_web_R_by_Marcel Erler_pixelio.deDer größte Erfolg stellt sich für einen Strafverteidiger immer dann ein, wenn es ihm gelungen ist, zugunsten seines Mandanten für ein faires und in den Grenzen des Rechts geführtes Verfahren gesorgt zu haben. Und zwar unabhängig vom Ergebnis. Eigentlich und theoretisch.

Uneigentlich und in der Praxis sieht es aber anders aus: Der vom Richter nach einer streitigen Beweisaufnahme verkündete Freispruch krönt die davor liegende Arbeit richtig. Sich stehend den Freispruch des eigenen Mandanten anzuhören, ist – losgelöst von aller Theorie – durchaus ein erhabenes Gefühl. Das Ergebnis ist also doch entscheidend.

Einen solchen Moment habe ich von einem Kollegen geschenkt bekommen, als ich auf meinen Termin beim Strafrichter am Amtsgericht wartete.

Der Kollege hatte um 13 Uhr einen Termin vor der Strafkammer des Landgerichts. Er wurde aber noch als Verteidiger in einer Sache vor dem Strafrichter gebraucht, auf den ich wartete. Die Sache am Amtsgericht hätte bereits um 12:30 Uhr beendet sein sollen, hat sich aber in die Länge gezogen. Erst um kurz vor 13 Uhr begann die Staatsanwältin mit ihrem Schlußvortrag. Sie beantragte 9 Monate für den Angeklagten.

In seinem – recht kurzen – Plädoyer entlarvte der Kollege die Argumente der Staatsanwältin als nicht stichhaltig und beantragte, seinen Mandanten freizusprechen. Der Mandant schloß sich seinem noch stehenden Verteidiger an und dann, anstatt sich wieder an seinen Tisch zu setzen, bat der Verteidiger mich quer durch den Saal, ihn bei der Urteilsverkündung zu vertreten. Es gab noch eine ganz kurze Abstimmung zwischen seinem Mandanten, dem Richter und mir … dann sah man ihn in wehender Robe den Saal verlassen.

Ich hatte gerade noch Zeit in der Beratungspause, mich dem mir anvertrauten, aber doch sehr aufgeregten Mandanten etwas ausführlicher vorzustellen und ihm noch die letzte Tips zum Verhalten bei der Urteilsverkündung zu geben. Dann kam der Richter schon aus dem Beratungszimmer und verkündete:

Im Namens des Volkes ergeht folgendes Urteil:
1. Der Angeklagte wird freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.
3. Bitte nehmen Sie Platz.

Ich glaube nicht, daß der Mandant auch nur ein Wort von den Urteilsgründen gehört hat, so erleichtert war er. Nicht vergessen hatte er aber, sich anschließend für die hervorragende Verteidigung herzlich und mit einem kleinen Tränchen im Auge zu bedanken.

Schade, daß der Kollege diesen Moment nicht genießen konnte. Ich aber auch nicht so richtig, denn es waren ja nicht meine Lorbeeren. Schön war’s aber trotzdem. Und den Dank leite ich gern weiter.

Bildquellenangabe: Marcel Erler / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Verteidigung veröffentlicht.

2 Antworten auf Geschenkte Lorbeeren

  1. 1
    renke says:

    Wie kam es denn zu diesem spontanen Entschluss des Noch-nicht-Mandanten? Der eigentliche Verteidiger hat doch – so weit ich das überblicke – alles richtig und im Interesse des Mandanten gemacht.

  2. 2
    alter Jakob says:

    Aber Herr Hoenig hat doch gar keinen Mandanten, sondern nur seinen Kollegen bei der Urteilsverkündung vertreten…