Gesichert

Hermannsdenkmal Schwert 7 m lang und ca. 550 kg schwerEs war Anfang 2008, als der Mandant seine Nachbarin um eine Zigarette bat. Das Blöde war, daß er dabei ein 1,70 m großes Schwert in der Hand hatte. Aber er war trotz Nikotin- (und-so-weiter-) Entzugs imstande, die 8 rechten Außenspiegel der parkenden Auto mit seinem Schuh zu treffen. Problematisch wurde es dann, als er in einem türkischen Imbiss auf unkonventionelle Art das Geschirr sortiert und sich das Dönermesser gegriffen hatte. Als er dann wild gestikuliernd mit dem Messer in der einen, und dem Schwert in der anderen Hand ankündigte, seine Mutter zu töten (die etwa 15 Jahre zuvor verstorben war), haben ihn die Freunde und Helfer in ihre Obhut genommen.

Ein nicht einfach zu lösende Aufgabe für einen Verteidiger. Denn eine Verteidigung, die darauf abzielt, jemand in die Klapse (§ 63 StGB) zu verteidigen, muß einkalkulieren, daß er dort so schnell nicht wieder rauskommt. (Ich erinnere an dieser Stelle nochmal an den Fall Mollath.)

Der erste Schritt war der Antrag auf Aufhebung des (Untersuchungs-)Haftbefehls, der am Tag nach der Verhaftung erlassen und verkündet wurde. Der Ermittlungsrichter im Haftprüfungstermin war mit mir einig: Der Mann gehört nicht in den Knast, sondern in ein Krankenhaus. Er wurde antragsgemäß nach § 126a StPO vorläufig untergebracht. Damit waren die Weichen gestellt.

Bevor ein solcher Antrag vom Verteidiger gestellt werden darf, muß der sich im Klaren sein, was er damit auslöst. Zumal diese Art der Verteidigung in den seltensten Fällen vom tatsächlichen Willen des Mandanten gedeckt sein dürfte; der will im Zweifel weder dort, noch hier rein. Sondern raus! Und zwar sofort.

Das Verfahren vor der Großen Strafkammer startete dann auch nicht mehr mit einer Anklageerhebung. Denn wenn von vornherein klar ist (z.B weil ein Sachverständigengutachten das entsprechend bestätigt), daß der Beschuldigte schuldunfähig (§ 20 StGB) ist, darf er nicht angeklagt werden. Für diese Fälle hat sich der Gesetzgeber das Sicherungsverfahren (§ 413 StPO) ausgedacht. Ziel des Verfahrens in dann nicht mehr die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, sondern zu einer Unterbringung.

485741_web_R_by_Kai Niemeyer_pixelio.deDer „Vorteil“ einer Freiheitsstrafe besteht darin, daß der Verurteilte jeden Tag anhand der verbleibenden Kalenderblätter abzählen kann, wann er (spätestens) entlassen werden muß. Einen solchen Kalender hat der Sicherungsverwahrte nicht. Er sitzt mit open end hinter Schloß und Riegel. Keine guten Aussichten, auch wenn Schloß und Riegel rosa angemalt sind.

In der vergangenen Woche war es nun soweit. Der Psychiater kam in seinem Gutachten gemeinsam mit den behandelnden Ärzten zu dem Ergebnis, daß von dem ehemaligen Schwertkämpfer wohl keine Gefahr mehr ausgeht. Das ist die zentrale Voraussetzung für die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung.

Der Mandant wird nun aus der Obhut der Klinik und in eine betreute Wohngemeinschaft in die Vor-Selbständigkeit entlassen. Auf Bewährung zwar noch, aber immerhin.

Der Mandant freut sich über diese – seine – Entwicklung. Und ist dankbar.

Schwert-Bild: UWe / pixelio.de
Betten-Bild: Kai Niemeyer / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Strafverteidiger, Strafvollstreckung veröffentlicht.

4 Antworten auf Gesichert

  1. 1
    Caron says:

    Wo ist da das Problem. Der Anwalt ist doch ein wichtiges Organ der Rechtspflege, das seinem Mandanten ein faires Verfahren garantieren soll – und nicht etwa ihm alles recht machen.
    Wieso sollte es in einem so klaren Fall dann problematisch sein, gegen seinen Willen zu handeln.

  2. 2
    ???? says:

    Die Rechtsanwälte können nichts dafür, dass es solche Menschen gibt.
    Möchtet Ihr so ein Prachtexemplar in Eurem Mietshaus haben?
    Schon Schiller (der Mann war Arzt) wusste:
    Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben……

  3. 3
    Miraculix says:

    @Caron
    Der Anwalt muss die Interessen seines Mandanten vertreten. Kann er das nicht muss er sein Mandat niederlegen, er darf aber in keinem Fall gegen die Interessen seines Mandanten handeln.
    Deshalb ist eine solche Situation sehr problematisch für den Anwalt. Es gehört schon einige Erfahrung dazu das so elegant wie in diesem Fall zu lösen.
    Ich hoffe sehr, daß der Mandant wirklich nicht gefährlich ist.

  4. 4
    ferri says:

    Bei Mollath stand eine Geldstrafe im Rau8m und sein Anwalt beantragte Schuldunfähigkeit.
    7 Jahre .

    Lese gerade eine lustige Kurzgeschichte von 1912 wo ein Gesunder betru8nken in die Klapse kommt und nie mehr raus kommt weil er keine Krankheitseinsicht zeigt.
    In 100 Jahren nichts geändert.