Hat funktioniert: Richterliche Kontrolle

Es ging um eine recht heftige Straftat. Die Täter konnten zunächst unerkannt entkommen, waren aber so unvorsichtig, sich auf einem U-Bahnhof und in einer Bankfiliale ablichten zu lassen. Mit diesem Bildmaterial sollten nun die weiteren Ermittlungen geführt werden.

Die Polizei schickt dazu die Ermittlungsakte mit den folgenden Bitten (Blatt 85 der Akte) an die Staatsanwaltschaft:

Raub01

Hier hat die Polizei ganz richtig (Lob von der Verteidigerbank!) erkannt, daß sie nicht ohne richterlichen Beschluß die Fotos der Verdächtigen veröffentlichen darf. Nun war erst einmal der Staatsanwalt an der Reihe, der es sich aber mit diesem Vermerk ein wenig zu einfach macht:

Raub02

Die Bitte des Polizeibeamten schlicht in Bezug zu nehmen, entspricht nicht den Anforderungen an eine saubere Arbeit eines Ermittlers. Es sollte schon deutlich werden, daß der Staatsanwalt sich auch eigene Gedanken gemacht und eigenständig geprüft hat, wie die Ermittlungen weiter zu führen sind. Dieser Ansicht war auch die zuständige Richterin, die die Akte mit folgendem Vermerk dem Staatsanwalt wieder vor die Füße legte:

Raub03

Das führte dann zur Nacharbeit und Formulierung einer korrekten „Antragssschrift“:

Raub04

Damit konnte der Richter dann auch was anfangen; wie bereits von der Polizei erbeten erlies er sechs Wochen danach den beantragten Beschluß gem. § 131b Abs. 2 StPO:

Raub05

Dieser Fall zeigt, daß die richterliche Kontrolle durchaus funktionieren kann. Und daß es (viele) (gute) (leider zu wenig) Polizisten und Richter gibt, die ihre Aufgaben auch ernst nehmen. Bedauerlich – aus Sicht der Geschädigten – ist allein, daß – aus welchen Gründen auch immer – durch dieses unnötige Akten-Ping-Pong sechs lange Wochen ins Land gegangen sind, bis der richterliche Beschluß ergangen ist.

Knapp zwei Wochen später wurde der Beschluß dann umgesetzt und die Bilder im Internet und im Fernsehen veröffentlicht. Es hat dann noch weitere sechs Monate – 12 Monate sind seit der angeblichen Tat vergangen – gedauert, bis ein Berliner Strafverteidiger einen neuen Mandanten bekommen hat.

Dieser Beitrag wurde unter Polizei, Richter, Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

10 Antworten auf Hat funktioniert: Richterliche Kontrolle

  1. 1
    roflcopter says:

    Sehr schön. Ein Beitrag, der zeigt warum sich dieser Blog von einigen anderen juristischen Blogs nach oben abhebt. Hier wird auch mal aufgezeigt, wenn etwas richtig läuft. Woanders wäre das undenkbar, gilt doch dort die Maxime, dass der strafrechtliche Rechtsstaat und seine Instrumente per se zu verteufeln sind und dazu nur die geeigneten Beiträge geschrieben werden.

    Weiter so

  2. 2
    Mace says:

    Ob das wirklich Kontrolle war oder eher die Intention des Richters, eigene Formulierungsarbeit zu sparen?

    Amüsant ist es trotzdem ;)

  3. 3
    Hans says:

    Ist das so ungewöhnlich, daß die Polizei den Richtervorbehalt einholt? In der örtlichen Ausgabe von polizeipresse.de ist ausnahmslos bei allen Veröffentlichungen die Phantombilder oder Aufnahmen aus Videoüberwachung (z.B. beim Geldautomaten-Betrug) zeigen angegeben, daß die Veröffentlichung nach Beschluss des Gerichts erfolgt. In vielen Fällen scheint dies aber dazu zu führen, daß Bilder aus einem Bankbetrug erst sechs Monate später veröffentlich werden.

  4. 4
    Hans says:

    Was heisst eigentlich „U.m.A.“? Und ist der Beschluss des Gerichts nicht trotzdem etwas seltsam? Die Veröffentlichung wird ja nicht wie beantragt nur genehmigt, sondern ausweislich des Worttextes wird die Veröffentlichung selber angeordnet.

  5. 5
    Lemmy K. says:

    @Hans: U.m.A.: Urschriftlich mit Akten.

  6. 6
    HD says:

    Ich finde vor allem interessant, dass zwei unterschiedliche Richter tätig geworden sind. Zurückgeschickt wurde die Akte von einer „Richterin“, erlassen wurde der Beschluss von einem „Richter am Amtsgericht“. Wer weiß, ob der letztlich entscheidende Richter die Akte auch zurückgeschickt hätte – oder gleich sein Vorstück verwendet hätte, wie er es nun getan hat.
    Die Umlaufzeiten in Berlin finde ich enorm. Im hiesigen LG-Bezirk kenne ich es eigentlich so, dass ein derartiges Pingpong in der Regel in etwa einer Woche über die Bühne gegangen wäre. Ich nehme an, das sind Reibungsverluste wie sie in Monsterbehörden wie in Berlin unvermeidlich sind.

  7. 7
    Subsumtionsautomat says:

    Interessant ist vor allem, dass es der Polizeibeamte richtig gemacht hat, der Staatsanwalt und der 2. Richter aber nicht: Für die Veröffentlichung der Bilder im Polizeiintranet (ich nehme an um ein solches handelt es sich bei INPOL) bedarf es nämlich, wie von dem Polizeibeamten angeregt, lediglich der Zustimmung durch den Staatsanwalt – der Richter braucht insoweit nicht involviert zu werden, so dass die entsprechende Anordnung im Beschluss fehl am Platze ist. Richtigerweise hätte sich die richterliche Anordnung daher auf die Öffentlichkeitsfahndung in den Medien beschränken müssen.

    Die Laufzeit von sechs Wochen finde ich im Übrigen auch ziemlich lang – würde mich mal interessieren, ob die Akte bei Gericht oder bei der StA so lange lag.

  8. 8
    Moritz says:

    Schön, dass es Polizisten und (junge Probe-) Richer gibt, die den Richtervorbehalt wirklich ernst nehmen. Anscheinend führt langjähriges Berufsleben zu einer Abstumpfung. Der zweite Richter begügnt sich leider mit knappen Worten. Das hört sich eher an wie eine Behauptung, als an eine transparente, rechtstaatliche Begründung. Was ist denn bitteschön eine Straftat von erheblicher Bedeutung? Mag sein, dass es (zumindest für den Richter) offensichtlich ist, aber für den Bürger einfach nicht nachvollziehbar.

    Vielen Dank für diesen Einblick in die Berliner Justiz. Und noch ein kleiner Tipp: „daß“ gibt es nicht mehr, wurde vollständig durch „dass“ ersetzt.

  9. 9
    Subsumtionsautomat says:

    @Moritz: Der Beschluss führt doch zumindest knapp aus, dass es sich um einen Raub gemäß § 249 StGB handelt. Als Verbrechen mit einer Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe ist das per se eine Straftat von erheblicher Bedeutung.

    Was die richtige Schreibweise von „daß“ betrifft, muss ich widersprechen, obwohl ich selbst einige Schreibänderungen, die mir sinnvoll oder zumindest nicht völlig unsinnig erschienen, für mich übernommen haben. Verbindlich festgelegt hat das aber niemand. Die Kultusministerien mögen den Schülern etwas vorschreiben können, aber damit sagen sich noch lange nicht, was allgemein „richtig“ ist. Richtig wäre für alle Nicht-Mehr-Schüler eigentlich „daß“, aber mittlerweile muss man wohl feststellen, dass beides geht, da sich auch das „ss“ eingebürgert hat.

  10. 10
    RA Garweg says:

    Bleibt zu hoffen, dass die Staatsanwaltschaft den gerichtlich geprüften und für gut befundenen Antrag nicht als Textbaustein anlegt.