Nach erfolgter Regulierung ihrer Verkehrsunfälle beikommen unsere Mandanten in aller Regel, nämlich dann wenn fiktiv abgerechnet wurde und der Schaden über 2.500 Euro liegt, zum Abschluss noch ein nettes Schreiben von der gegnerischen Versicherung, in dem ihnen mitgeteilt wird, dass die Daten zum Fahrzeug – Kfz-Kennzeichen und Fahrzeugidentifizierungsnummer – an das Hinweis- und Informationssystem (HIS) übermittelt wurden.
Es folgen auf ein solches Schreiben oft aufgeregte Anrufe. Dürfen die das? Ja, sie dürfen.
Bei dem HIS handelt es sich um eine Datensammlung der deutschen Versicherungswirtschaft, die der Aufdeckung und Prävention von Versicherungsbetrug und Versicherungsmissbrauch sowie der begleitenden Risikoprüfung dienen soll. Sozusagen die „Schufa“ für Versicherungen.
Zweck der Meldung im Falle fiktiver Abrechnungen ist in erster Linie, dass beschädigte Fahrzeuge nicht mehrfach als Versicherungsfall gemeldet werden. Fiktivabrechner werden also unter den Generalverdacht gestellt, das sie sich durch Mehrfachabrechnung von Unfällen einen netten Zusatzverdienst verschaffen. Kennt man, machen Unfallgeschädigte ständig. Dagegen müssen sich die gebeutelten Versicherungen natürlich schützen.
Klagen gerichtet auf Löschung erfasster Daten, bleiben ohne Erfolg. Aktuell hat das Amtsgericht Kassel eine solche Klage abgewiesen.
In der HIS-Datenbank würden ja keine personenbezogene Daten im Sinne des § 3 BDSG gespeichert, lediglich fahrzeugbezogene Daten und die könnten nur über Umwege, so z.B. über das Kraftfahrtbundesamt oder die örtliche Kfz-Zulassungsstelle in Bezug zu einer bestimmten Person gesetzt werden.
Ob das so richtig ist, darüber kann man trefflich streiten. Aber selbst wenn man anderer Ansicht ist, sei die Speicherung der Daten erlaubt im Sinne des § 4 BDSG. Die Speicherung personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung finde in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG ihre Grundlage, da schutzwürdige Interessen der von der Datenspeicherung betroffenen Fiktivabrechner nicht tangiert würden.
Denn das System dient dem Interesse der Versichertengemeinschaft. Mithilfe der solchermaßen gespeicherten Daten können nämlich Fälle leichter bearbeitet werden, in denen eine unberechtigte Inanspruchnahme von Kfz-Haftpflicht- bzw. -Kaskoversicherungen in Frage steht, nachdem ein Schadensfall lediglich fiktiv, d.h. ohne Vorlage einer konkreten Reparaturkostenrechnung reguliert worden ist. Dabei kommt es nicht auf die Person des Halters am, sondern auf das Fahrzeug an sich, um ermitteln zu können, ob dieses bereits einmal einem vergleichbaren Schaden zuvor erlitten hat. (…)
Denn den dem …angeschlossenen Versicherungsunternehmen wird, wie bereits ausgeführt, die Bearbeitung besonders auffälliger Schadensfälle damit erleichtert, insbesondere im Hinblick auf Fälle, in denen der Verdacht betrügerischen Verhaltens durch mehrfache Abrechnung ein- und desselben Schadens eine Rolle spielt. Steht aber ein solches Verhalten eines Anspruchstellers zur Debatte kann er nicht für sich datenschutzrechtliche Bestimmungen reklamieren, weil er sich der dann selbst möglicherweise rechtswidrig verhalten hat oder zumindest ein solcher Verdacht auszuräumen ist (im Ergebnis wie hier AG Coburg, Urteil v. 07.11.2012 – 12 C 179/12).
Was an der fiktiven Abrechnung gegenüber einer Kfz-Haftpflichtversicherung auffällig, betrügerisch und unberechtigt sei, erklärt das Gericht leider nicht.
AG Kassel, Urteil vom 7. Mai 2013, Az: 435 C 584/13
Ja, ich muss zu meiner tiefsten Schande gestehen, ich rechne gerade einen unverschuldeten Unfall fiktiv ab. ;)
Nun interessiert mich, ob mein Fahrzeug nun in dieser ominösen HIS steht / stehen wird.
Zitat: ‚der Schaden über 2.500 Euro liegt“
Bezieht sich diese Grenze auf netto, brutto oder den ausgezahlten Betrag?
Eckdaten:
Gutachten: 2300 netto, 2740 brutto
ausgezahlt: 1810 (bisher)
Natürlich ist es Unfug, wenn man annimmt, daß jeder der fiktiv abrechnet, ein Betrüger ist. Der Masse der Menschen, die so abrechnen, wird damit etwas unterstellt, was nicht stimmt.
Auf der anderen Seite ist es eine Tatsache, dass es Betrüger gibt, die Unfälle fingieren und dann Geld abgreifen. Wie soll man denen beikommen, wenn man keine Daten erfassen darf?
Es liegt auf der Hand, dass die Versicherungen nicht nur sich selbst schützen wollen. Auch die Versicherungsnehmer wollen geschützt werden, nämlich vor unnötig hohen Versicherungsbeiträgen. Damit profitieren genau die von der „bösartigen Unterstellung“, die am unschuldigsten sind.
Es stellt sich im Kern die Frage, ob man zugunsten des Datenschutzes verunfallter Fahrzeuge den Versicherungsnehmern höhere Beiträge auflasten will. Das muss jeder für sich selbst beantworten. Ich persönlich befürworte diese Datensammlung, da sie einen ganz konkreten Zweck – Erkennung von Straftaten und damit Schutz der redlichen VN – hat und der Eingriff in die persönlichen (!) Daten vergleichsweise niedrig ist.