Die Streit zwischen einer Fernsehmoderatorin und einem SPD-Parteifunktionär hat nun ein Ergebnis:
Die Pressestelle des Bundesverfassungsgericht berichtet in der Pressemitteilung Nr. 73/2013 vom 6. Dezember 2013 über den Beschluss vom selben Tag zum Aktenzeichen 2 BvQ 55/13:
Eilantrag gegen SPD-Abstimmung über das Zustandekommen einer Großen Koalition erfolglos
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den Antrag abgelehnt, der SPD im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, eine Abstimmung ihrer Mitglieder über das Zustandekommen einer Großen Koalition durchzuführen. Der Antrag war abzulehnen, weil eine diese Abstimmung beanstandende Verfassungsbeschwerde unzulässig wäre.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
1. Im Wege der Verfassungsbeschwerde können nur Akte der öffentlichen Gewalt angegriffen werden (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG). An einem solchen Akt fehlt es hier. Mit der Durchführung einer Abstimmung über einen Koalitionsvertrag unter ihren Mitgliedern übt die SPD keine öffentliche Gewalt aus. Öffentliche Gewalt ist vornehmlich der Staat in seiner Einheit, repräsentiert durch irgendein Organ. Parteien sind nicht Teil des Staates. Sie wirken in den Bereich der Staatlichkeit lediglich hinein, ohne ihm anzugehören.
2. Der Abschluss einer Koalitionsvereinbarung zwischen politischen Parteien und die ihm vorangehende oder nachfolgende parteiinterne Willensbildung wirken nicht unmittelbar und dergestalt in die staatliche Sphäre hinein, dass sie als staatliches Handeln qualifiziert werden könnten. Koalitionsvereinbarungen bedürfen vielmehr weiterer und fortlaufender Umsetzung durch die regelmäßig in Fraktionen zusammengeschlossenen Abgeordneten des Deutschen Bundestages.
3. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG). Die politische Einbindung des Abgeordneten in Partei und Fraktion ist verfassungsrechtlich erlaubt und gewollt. Das Grundgesetz weist den Parteien eine besondere Rolle im Prozess der politischen Willensbildung zu (Art. 21 Abs. 1 GG), weil ohne die Formung des politischen Prozesses durch geeignete freie Organisationen eine stabile Demokratie in großen Gemeinschaften nicht gelingen kann. Die von Abgeordneten – in Ausübung des freien Mandats – gebildeten Fraktionen sind notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens. Im organisatorischen Zusammenschluss geht die Freiheit und Gleichheit des Abgeordneten nicht verloren. Sie bleibt innerhalb der Fraktion bei Abstimmungen und bei einzelnen Abweichungen von der Fraktionsdisziplin erhalten und setzt sich im Anspruch der Fraktion auf proportionale Beteiligung an der parlamentarischen Willensbildung fort.
4. Wie die politischen Parteien diesen parlamentarischen Willensbildungsprozess innerparteilich vorbereiten, obliegt unter Beachtung der – jedenfalls hier – nicht verletzten Vorgaben aus Art. 21
und 38 GG sowie des Parteiengesetzes grundsätzlich ihrer autonomen Gestaltung. Es ist nicht erkennbar, dass die vom Antragsteller beanstandete Abstimmung für die betroffenen Abgeordneten Verpflichtungen begründen könnte, die über die mit der Fraktionsdisziplin verbundenen hinausgingen.
Es ist schon ein ganzes Weilchen her, seitdem ich mich an der Uni Marburg im Verfassungsrecht habe ausbilden lassen. Aber das, was das BVerfG dort entschieden hat, habe ich noch ziemlich genau so im Hinterkopf. Es ist bemerkenswert, daß es denjenigen, die uns künftig regieren wollen, an diesem Erstsemester-Stoff mangelt.
Ich verstehe irgendwie nicht wie sie aus diesem Urteil schließen, dass die zukünftigen Bundesregierung keine Ahnung hat. Das Bundesverfassungsgericht sagt ja wie Gabriel: „Alles Quatsch“. Zudem benutzt es genau die gleichen Argumente wie Gabriel im Slomkainterview. Slomka hat damals nur die Argumente nicht verstanden und immer und immer wieder die gleiche Frage gestellt.
Hier kann man also meiner Meinung nach nicht heraus schließen, dass Gabriel keine Ahnung von der Verfassung hat.
Sehe ich auch, dass das alles Quatsch ist. Der Vorstand der SPD holt sich nur das o.K. der Basis. Wen die Abgeordneten tatsächlich zum Kanzler/in machen konnen sie immer noch selbst entscheiden.
Muss mich „veri“ anschliessen, da komme ich auch nicht mit. Außer dem Fall, das damals in Marburg gelehrte unterscheidet sich von dem was das BVerfG jetzt entscheiden hat, müsste der Satz doch lauten: „Es ist bemerkenswert, daß es denjenigen, die uns künftig MODERIEREN wollen, an diesem Erstsemester-Stoff mangelt.
Ich denke zwar auch, dass der Mitgliederentscheid verfassungsrechtlich okay ist. Das heißt aber noch nicht das die Gegenmeinung Quatsch ist und dies für jeden Erstsemester erkennbar ist. Immer hin wird es auch von namenhaften Staatsrechtlern vertreten, dass der Mitgliederentscheid verfassungsrechtlich problematisch ist. Ich möchte hier z.B. den Herrn Prof. Degenhart nennen. Der ist durch seine Veröffentlichungen im Staatsrecht ja nicht ganz unbekannt. Man kann also nicht sagen, dass das Problem des Mitgliederentscheid von jedem Erstsemester gelöst werden kann.
@FN 87: Das stimmt so nicht ganz. Selbst Degenhart hat ja gesagt, dass natürlich die Parteien fragen, wenn sie fragen wollen und zu einem beliebigen Thema. Er benutzt ja noch nicht einmal das Wort verfassungswidrig. Im Gegenteil argumentiert er meiner Meinung nach sehr diffus. Offenbar ist er der Meinung, dass dieses Mitgliederentscheid irgendwie der Intention des GGs widersprechen würde. Ich finde jedenfalls auf so einem diffusem Level kann man nicht diskutieren.
@Veri: Also ich würde schon sagen, dass er recht deutlich macht, dass er die Sache für verfassungswidrig hält. Denn in an einer Stelle sagt er, dass das ganze nach einem imperativen Mandat klingt. Ein imperatives Mandat würde gegen Art. 38 I 2 GG verstoßen und wäre verfassungswidrig. Im Übrigen stimmt es schon, dass seine Argumentation sehr schwamig ist. Das ändert aber nichts daran, dass man nicht sagen kann das die Ansicht der Mitgliederentscheid sei verfassungswidrig „Quatsch“ ist. Ich möchte es mal so sagen etwas als Quatsch zu bezeichnen, zeugt nicht von einem hohen Niveau der Diskussion. Im Gegenteil… Um es kurz zu machen: Ich störe mich halt daran ein Meinung als Quatsch zu bezeichnen ohne sich mit ihrer Argumentation zu befassen, wie es Herr Gabriel und einige andere getan haben.
@FN 87: Woher wollen Sie denn wissen, dass sich Herr Gabriel nicht mit der Argumentation auseinandergesetzt hat, bevor er sie als Quatsch bezeichnet hat? „Es klingt nach einem imperativem Mandat“ … „Mitgliederentscheid widerspricht irgendwie der Intention des GG“ … Das ist eine typische Argumentation für „Mir passt das nicht, ich will das nicht, ich hab aber kein stichhaltiges Argument dagegen.“
Die didaktisch saubere Lösung des Falls – und da muss ich dem Kollegen Hoenig recht geben – wäre Prof. Eibe Riedel seinerzeit in seiner wöchtlich (am Stück) vierstündigen Vorlesung Staatsorganisationsrecht im ersten Semester an der Uni Marburg einen Likör wert gewesen.
Kleiner Flüchtigkeitsfehler: Es sind demzufolge die Moderatoren, denen es a) an Ohren zum Zuhören und b) an Informationsbeschaffung mangelt, um derartige Themen richtig, verantwortungsbewußt und eben nicht einseitig polarisierend bearbeiten zu können. Schade, Frau Slomka, aber Sie hatten den Likör offenbar schon vor dem Interview getrunken.
@ Hansen: Das sich Herr Gabriel sich damit nicht auseinander gesetzt hat, ergibt sich meines Erachtens aus seinem Verhalten in dem Interview: Denn er hat ja gesagt: Den Staatsrechtler der das vertritt möchte er mal sehen und den gibt es ja bekanntlich. Das hat Frau Slomka auch versucht Herrn Gabriel zu sagen.
Im Ergebnis haben sie natürlich nicht ganz Unrecht, wenn sie meinen, dass Herr Degenhart seine Ansicht besser hätte begründen müsste und die vorhandene Begründung insgesamt etwas dünn ist. Da muss Herr Degenhart noch nachbessern.
Das heißt aber noch nicht, dass die Ansicht völliger Quatsch ist und das sage ich obwohl ich ihr nicht folgen würde. Im Gegenteil der Mitgliederentscheid ist demokraitetheoretisch durchaus zu begrüßen und ist vielleicht ein gutes Mittel gegen die weitverbreitete Politikverdrossenheit in Deutschland.
Am Ende noch etwas zum Erstsemester: Der könnte es durchaus vertreten, dass der Mitgliederentscheid verfassungswidrig ist und dies müsste jeder Professor anerkennen, auch solche aus Marburg.
Denn ich habe im Erstensemester gelernt, dass zumindestens das vertretbar ist, was ernsthaft in der Literatur vertreten wird und das dürfte hier ja der Fall sein. Die Rspr. sieht das im Übrigen genauso.
„Denn ich habe im Erstensemester gelernt, dass zumindestens das vertretbar ist, was ernsthaft in der Literatur vertreten wird “
Ich müsste es also nur schaffen, „ernsthaft“ (also mehrfach/nicht sofort als Satire erkennbar) irgendeinen Blödsinn als Jurist zu veröffentlichen, schon wäre das vertretbar?
Interessante These.
Damit war in den 1930ern die Judenhetze also gut vertretbar, in der DDR deren Propaganda, etc.