Jeweils ein zweistelliges Ergebnis haben sich gestern zwei Angels gefangen: Sie wurden vom Landgericht Potsdam u.a. wegen versuchten Mordes zu zwölf und zwölfeinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Der Dritte im Bunde wurde freigesprochen.
Den beiden rot-weißen Rockern wird vorgeworfen, an Weihnachten 2011 ein Mitglied des MC Gremium einige häßliche Schnittwunden zugefügt zu haben. Die Potsdamer Strafkammer unter Vorsitz von Richter Frank Tiemann war davon überzeugt, daß dieser Vorwurf zutreffe.
Laut mündlicher Begründung des Urteils hatte zu dieser Überzeugungsbildung maßgeblich der zerschnittene schwarz-weiße Rocker beigetragen. Er will die Angels anhand ihre auffälligen Tätowierungen im Gesicht beziehungsweise am Hals wieder erkannt haben.
Das Wieder-Erkennen ist eine Sache, die andere ist die Weitergabe dieser Informationen an die Ermittlungsbehörden. Sogar die Polizeibeamten, die in dieser Sache ermittelt hatten, zeigten sich (freudig) überrascht. Offenbar hatte die ansonsten unter Rockern verbindliche Omertà für diesen Pentito nur einen Empfehlungscharakter.
Ein solches Aussageverhalten hat für den reuigen Rocker weitreichende und leicht vorstellbare Konsequenzen. Deswegen haben die Brandenburger ihn jetzt auch ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen und ihm eine neue Vita verpaßt. Na, denn …
Ob die Potsdamer Entscheidung Bestand haben wird, dürfte der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs auswürfeln. Das Ergebnis hängt entscheidend von der Qualität der schriftlichen Urteilsbegründung ab. Bis diese vorliegt, wird sicherlich noch den einen oder anderen Mond dauern. Und wenn die roten-Roben-Träger dann schlußendlich entschieden haben werden, ist noch reichlich weiteres Wasser durch die Havel geflossen.
Liebe Medienvertreter, bis dahin ist das Urteil nicht rechtskräftig! Was wiederum heißt: Für die Verurteilten gilt die Unschuldsvermutung. Auch wenn’s schwerfällt. Aber so ist es nun mal in einem Rechtsstaat. In dem auch die Freiheit besteht, relativ viel Unsinn in Zeitungen zu schreiben.
Für die Medien gilt die Unschuldsvermutung allgemein nicht und insbesondere auch nicht mehr nach der erstinstanzlichen Verurteilung.
Gibt es keinen vergleichbaren Codex, der das „Zerschneiden“ von Konkurrenten untersagt? Möglicherweise wurde das Vertrauen des Betroffenen auf die Selbstregulierungskräfte des Millieus in der Vergangenheit… nun ja… einschneidend beeinträchtigt.
Offensichtlich stand der Rocker ja schon auf der Abschussliste. Sein Status verschlechtert sich also nicht unbedingt.
Ganz im Gegenteil: Durch das Zeugenschutzprogramm verbessert er sich sogar. Von daher eine rationale und nachvollziehbare Entscheidung.
(sorry für den Doppelpost)
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