Opfersuche im Frisiersalon

Amerikanische Verhältnisse in der Keupstraße?

Der NSU-Prozess ist ein Jahrhundertereignis. Die Aufarbeitung der Taten und insbesondere die nähere Beleuchtung der zugrunde liegenden Ermittlungstätigkeiten würden wohl jeden auf dem Gebiet des Strafrechts tätigen Anwalts interessieren. Hier teilzunehmen und Einfluss auf die Beweisaufnahme auszuüben, ist sicherlich reizvoll.

Mehr und mehr entsteht jedoch der Eindruck, als handele es sich in diesen schwierigen Zeiten des stetig steigenden Wettbewerbs um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für unterbeschäftigte Anwälte.

Wenn es stimmt, was der Kölner Stadt Anzeiger berichtete und ortsfremde Anwälte tatsächlich mit Infoblättern und Visitenkarten bewaffnet Jagd auf mögliche Opfer machen und spontane Werbeveranstaltungen an Tatorten abhalten, dann haben wir endlich auch auf diesem Gebiet amerikanische Verhältnisse.

Wer wirklich verletzt wurde, der soll sich als Nebenkläger anschließen (wie bereits 31 Opfer jenes Anschlags) – wer sich aber in den letzten neun Jahren noch nicht besonders als Opfer gefühlt hat, der sollte sich das auch von keinem noch so tollen Anwalt einreden lassen.

Außer natürlich von Saul:

Dieser Beitrag wurde unter Nebenklage veröffentlicht.

12 Antworten auf Opfersuche im Frisiersalon

  1. 1
    oy-oy-oy says:

    Das Video ist der HAMMER. Was hab ich gelacht.

  2. 2
    RA Gernodt says:

    Falls das zutrifft: wie bekloppt muß man sein? Was versprechen sich diese „Kollegen“ davon? Der finanzielle Anreiz kann es ja nicht sein. Für die lumpigen Gebühren aus der Staatskasse tut man sich doch nicht so ein Verfahren an. Und Schadensersatz ist bei den Angeklagten auch nicht zu holen.

    Das müssen echt ein paar „Kollegen“ sein, die finanziell und moralisch völlig am Ende sind. Zulassung entziehen wegen offensichtlichen Vermögensverfalls!

  3. 3
    T.H., RiAG says:

    Das sind halt die Schattenseite des bei vielen Politikern so populäen „Ausbaus von Opferrechten“….

  4. 4
    Bratzenklumser says:

    Bei 600.-€ Tagesgage wird so mancher am Hungertuch nagende Armwalt, erfinderisch.

  5. 5
    Denny Crane says:

    @ Bratzenklumser

    600,- Euro Tagesgage? VV 4120 und VV 4122 versprechen nur einen Tagessatz von 356,- Euro bzw. 534,- Euro brutto. Macht netto nach Abzug von Geschäftskosten und Steuern bestenfalls 160,- bis 250,- Euro pro Tag. Dafür dürfen Sie oft tagelang in München herumhängen oder ständig pendeln und können in der Zeit keine anderen Mandate bearbeiten. Ihr Schreibtisch säuft entweder unter anderen Akten ab oder bleibt mangels anderer Mandate leer.

    Sich so ein Verfahren ans Bein zu binden ist der beste Weg in die Insolvenz. Verstehe daher auch die Kollegen Heer, Stahl und Sturm nicht. 280.000 Seiten Akten, Haftbesuche, Vorbereitung von Anträgen, 3 x pro Woche stundenlange HV in München. Das rechnet sich überhaupt nicht und ist darüber hinaus noch schlecht für’s Herz.

    Einmal abgesehen davon, daß man sich im Hinblick auf die allgemeine Stimmungslage in Bevölkerung und Medien damit auch keine Sporen verdienen kann, sondern allenfalls der Buhmann der Nation ist. Und mit Ruhm bekleckert hat sich die Verteidigung durch ihre Anträge bislang m.E. nicht.

  6. 6
    Naja says:

    Ist es nicht so, dass ein Nebenklagevertreter mehrere Mandanten gleichzeitig vertreten kann? Und dass dann bei bspw. 10 Mandanten die Gebühren auch 10 mal anfallen?

  7. 7
    Naja says:

    @ Denny: Wer sagt denn, dass die Kollegen „nur“ für den Pflichti-Satz arbeiten? Könnte mir vorstellen, dass die Angeklagte genug vermögende Unterstützer hat und auf Basis einer Ordentlichen Vergütungsvereinbarung gearbeitet wird. Für den Fall, dass die Unterstützer die über die Pflichtigebühren hinausgehenden Zahlungen nicht leisten und sie als Pflichti dann aus dem Mandat nicht mehr herauskommen waere das allerdings bitter…

  8. 8

    Ich denke, dass hier § 51 RVG zur Anwendung kommen dürfte, jedenfalls für die Verteidiger.

  9. 9
    Denny Crane says:

    @ Sebastian Schmidt

    Die Grenze dessen, was OLG-Richter als noch zumutbar empfinden, liegt derzeit etwa bei 5,50 Euro Brutto-Stundenlohn für Rechtsanwälte. Die Begründungsanforderungen sind inzwischen so hoch, daß man kaum die Zulässigkeitshürde für den Antrag überspringen kann. Und selbst wenn einmal eine Pauschgebühr gewährt wird, kommt man nicht auf einen angemessenen Stundensatz. § 51 RVG ist eher ein Instrument, damit das Gericht den Anwälten seine Geringschätzung demonstrieren kann.

    Merkwürdigerweise gewährt der BGH ganz ohne die Prüfung der Frage der Zumutbarkeit häufig einfach „angemessene“ Pauschgebühren.

  10. 10
    Joachim Breu says:

    Der „Anwaltsstrich“ ist böse in Form von standeswidrig, § 43b 2. Alt. BRAO. Ob vor Kölner Friseursalons eine Freizügigkeitssatzung greift, weiß ich allerdings nicht. Das Interesse, am Verfahren beteiligt zu sein, kann ich dagegen gut verstehen. Die anwaltlich Beteiligten der letzten großen Terroristenprozesse stiegen später teilweise in Ministerwürden auf.

  11. 11
    ui-ui-ui says:

    @Joachim Breu

    Sie spielen auf Otto Schily an. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem, was er 20 bis 30 Jahre vor seinem Ministerposten für Mandate betreute, vermag ich nicht zu erblicken. An das Standesrecht habe ich aber auch gedacht.

  12. 12
    Joachim Breu says:

    @ui-ui-ui — In der Tat, ich spiele an. Böse Zungen behaupten auch, seine ministerielle Tätigkeit sei mit seiner Vergangenheit als Strafverteidiger nicht zu vereinbaren. Bitte nicht missverstehen: Ich erkenne an, dass Sie den Vergleich missbilligen, weil zu viele Details nicht vergleichbar sind.
    Andererseits – und das halte ich für vergleichbar – ist ein derartiges Großverfahren gut geeignet, seinen Namen als Marke zu platzieren. Also unabhängig vom Inhalt Bekanntheit zu erlangen. Die später an anderer Stelle Türen öffnen kann. Gelegentlich die richtigen :)