Präsentierte Vermutungen

Die Durchsuchungsbeschlüsse ergingen wegen vermuteter Waffen. Ja, wegen einer Vermutung. Mehr braucht es im Grunde nicht, damit 280 zweibeinige Polizeibeamte mit ihren vierbeinigen Freunden ausrücken, um nach Revolvern, Schrotflinten und Munition zu schnüffeln suchen.

Wenn man sich in Fachkreisen umhört, gelten für einen behördlichen Besuch diese Voraussetzungen (Achtung, der nächste Absatz ist ausnahmsweise keine Belletristik!):

Verdächtiger iSd § 102 StPO ist diejenige Person, von der aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte oder kriminalistischer Erfahrungen angenommen werden kann, dass sie als Täter oder Teilnehmer einer Straftat in Betracht kommt. Als Verdachtsgrad genügt damit ein Anfangsverdacht (BGH NStZ 2000, 154; NJW 2000, 84). Ausreichend ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Straftat bereits begangen oder versucht und nicht nur vorbereitet worden ist. Anders als bei § 103 StPO rechtfertigt bereits die allgemeine Aussicht, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden, die Maßnahme nach § 102 StPO (BGH NStZ 2002, 215, 216). Der Tatverdacht darf allerdings nicht ganz vage sein; auch bloße Vermutungen genügen nicht (vgl BVerfG NJW 2006, 2974; BGH StV 1988, 90). Es muss mindestens im Bereich des Möglichen liegen, dass der Verdächtige durch das ihm vorgeworfene Verhalten eine Straftat begangen hat (BVerfGE 20, 162, 185).

Und da ist sie wieder, die neue japanische Weisheit: Nichts ist unmöglich bei Rockern. Deswegen reiten knapp 300 Zwei- und Vierbeiner in Wohnungen und Lokalen ein, um schlußendlich ein paar Tütchen mit Marihuana zu finden.

Spannend wäre jetzt noch zu wissen, ob die Sprengstoffsuchhunde das Gras in raffinierten Verstecken gefunden haben. Oder ob es die paar Reste waren, die irgendwelchen Kneipenbesuchern beim Tütenbauen auf den Boden gefallen sind.

Aber vielleicht ging es ja auch gar nicht um Waffen (oder Betäubungsmittel). Sondern um einen Betriebsausflug, um mal wieder ein wenig Präsenz zu zeigen. Einfach, weil es mal wieder an der Zeit war …

Dieser Beitrag wurde unter Polizei, Rocker veröffentlicht.

10 Antworten auf Präsentierte Vermutungen

  1. 1

    […] Gefunden wurde nichts, nach dem gesucht wurde […]

  2. 2
    user124 says:

    …oder es ging um waffen und betäubungsmittel und nicht um einen betriebsausflug.
    ach, es ist wunderbar, wenn man schriftlich so ins bodenlose spekulieren kann. niemand und nichts hindert einen seinen freien geist über die tastatur fliegen zu lassen…

    • Bitte berücksichtigen Sie bei Ihrer freigeistigen Spekulation, daß der eine oder andere Verteidiger über eine zusätzliche Erkenntnisquelle verfügen könnte, die der Journaille oder den Kommentatoren verborgen bleibt. crh
  3. 3
    Donnerkatze says:

    Und was nützt es noch, wenn man im Nachhinein beweisen kann, daß dem so nicht war?
    Selbst wenn man belegen kann, daß wider besseren Wissens, die Durchsuchung statt fand…
    Passiert ist passiert – Zufallsfunde hätten sich nicht ereignet, aber nun ja doch :-/
    Was auf dem Tableau war, auch wenn nachträglich belegt ohne Rechtsgrundlage, kann schwerlich aus den Köpfen und Akten getilgt werden.
    Dagegen sollte es WIRKSAME Rechtsmittel geben, die Zufallsfunde komplett ausblendet und für ungültig erklärt.
    Strafe muß sein, in beide Richtungen – damit diese GEZIELTE Suche nach Zufallsfunden aufhört.

  4. 4
    Carullus says:

    Solange es kein Beweisverwertungsverbot gibt (analog zur fruit-of-poisoned-tree Doktrin), was bei uns die absoluite Ausnahme ist, wird sich am Status Quo nichts ändern. Der Gesetzgeber hat damit offensichtlich kein Problem.

  5. 5
    Bulli says:

    @user124
    Das ist nicht Spekulation, sondern Erfahrung.
    Im Fachjargon sagt man auch: „Flagge zeigen“.

  6. 6
    JLloyd says:

    Wer wollte angesichts der faktischen Straflosigkeit der Vertreter der Exekutive kein Verständnis für eine präventive Selbstjustiz der Bürger aufbringen ?

  7. 7
    Jens says:

    Die Früchte des verdorbenen Baums verfolgen in Amerika einen anderen Zweck. Sie sollen die Ermittlungsbehörden disziplinieren.

    Dies lässt sich aber nicht einfach vom angelsächsischen Kreis auf den deutschen Rechtskreis übertragen.

    Ich halte unser System mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als absolute Leitregel allen staatlichen Handelns hinreichend genug. Es bedarf keiner Disziplinierung der angeblich ach so entfesselten Exekutive. Hierfür gibt es als Ausfluss der VHM i.e.S. die Beweisverwertungsverbote, die dafür sorgen, dass nur rechtsstaatlich einwandfreie Beweismittel in die Hauptverhandlung transportiert werden.

    Ein Inkulpationsakt ist etwas subjektives. Der Tatverdacht hängt von der kriminalistischen Erfahrung des Ermittlers ab. Wer 20 Jahre im Rockermilieu ermittelt, der wird schneller einen Tatverdacht haben als ein junger Kommissar.

    Ein Beschluss muss von einem Amtsrichter erlassen werden, den unterschreibt nicht die Polizei oder die StA.

    Beachtet also bitte, dass die Exekutive nicht faktisch straflos ist.

  8. 8
    le D says:

    Es braucht dringend Disziplinierung der Ermittlungsbehörden. Es gibt mehr als ein Beispiel, dass sich die Ermittler über ausdrückliche Anordnungen der Gerichte (und zwar angefangen vom Amtsgericht, das einen beantragten Beschluss nur teilweise erklässt, bis hin zum BVerfG schlicht und einfach ignoriert werden. Im ersteren Falle wurde so vollstreckt als hätte das AG wie beantragt erlassen, das Ignorieren der Rechtsprechung des BVerfG lässt sich wunderbar anhand der Gefahr im Verzug zur Durchsuchung oder der Anordnung einer Blutentnahme nachvollziehen).

    Folgen für die Ermittlungsbehörden: maximal (wenn überhaupt) ein mit strengem Blick erhobener Zeigefinger. Beweisverwertungsverbote: vollständige Fehlanzeige. Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: oft ebenso Fehlanzeige. Es werden Ermittlungsmaßnahmen, die mit dem Argument Terrorabwehr eingeführt wurden, zu Ermittlung von Kleinstkriminalität eingesetzt.

    Und ja, ich freue mich trotzdem, wenn ich im kommenden Monat eine Gastvorlesung im TK-Recht an einer Polizeiakademie halten werde und Diskussionen vom Zaun brechen werde.

  9. 9
    schneidermeister says:

    Man fragt sich, wenn denn der Waffenbesitz der Fachkreise bloße Vermutung ist, wie es denn immer wieder mal möglich ist. dass ein Kuttenträger durchsiebt ins Krankenhaus kommt.
    Dass nichts gefunden wurde, kann auch damit zu tun haben, dass die Fachkreise nicht nur zu Verteidigerkreisen, sondern zum öffentlichen Dienst gelegentlich gute Kontakte haben sollen,diezwar nicht vor Besuchen, aber vor dem beabsichtigten Überraschungseffekt und damit vor überraschenden Funden schützen.
    Merkwürdig ist auch, dass Fachblätter wie die Bikers News sich immer sehr bedeckt halten, wenn es um die Frage geht, weshalb sich in bestimmten Gebieten neue MCs nur mit „Genehmigung“ (wie geht das denn: Antrag, fünffach, Bearbeitungsgebühr ???) niederlassen dürfen, wo doch MCs die Vereinsfreiheit predigen,die Gesetze in D so toll finden und nur von ihren Freiheitsrechten Gebrauch machen wollen.

  10. 10

    […] sinnvolle Tätigkeit, eine Arbeit, Gewöhnung an die Freiheit. Das wäre insgesamt eher etwas für Carsten Hoenig. Aber was fällt dem Arbeitsrechtler dazu ein? Erstmal nichts, aber ich bin ja auch nur Anwalt. Der […]