Die taz berichtet über eine Talk Show, die unter anderem die Qualität von psychiatrischen Sachverständigengutachten in Gerichtsverfahren zum Gegenstand hatte.
Der Artikel zitiert die Psychiaterin Hanna Ziegert aus München:
„Ich weiß nicht, ob ich mich wirklich begutachten ließe“, sagt sie und führt dann aus, dass es zahlenmäßig nur wenige Gutachter in Deutschland gibt.
„Jeder Gutachter hat einen Ruf und nach diesem Ruf wird er von der Staatsanwaltschaft und den Richtern gewählt“, so Ziegert. „Je nach dem, welches Ergebnis ich erreichen will, wird der Gutachter danach ausgewählt.“ Auch seien viele Gutachter, die darüber hinaus keine Aufgaben hätten, finanziell von Aufträgen der Gerichte abhängig. „So ein Gutachter wird darauf achten, dass er nicht in Ungnade fällt“, so Ziegert.
Das sei jedem, der in der Branche arbeitet, bekannt.
Damit ist sicher nicht nur die Branche der Neurologen und Psychiater, sondern auch die der Strafjuristen gemeint.
Aus den von Dr. Zieger genannten (oft) zutreffenden Gründen wird ein erfahrener Strafverteidiger sich stets darum bemühen, auf die Auswahl des Sachverständigen Einfluß zu nehmen. Denn nicht in wenigen Fällen ist es so, daß die Gutachter de facto das Urteil schreiben und nicht das Gericht.
Natürlich. Und das ist selbstverständlich auch zB im Rentenverfahren wg. Erwerbsminderung, Unfallkassenverfahren, Betreuungsverfahren etc. so, und somit sind es nicht mal mehr nur Psychiater, sondern auch Internisten, Orthopäden etc., die das Urteil schreiben…
Die Sendung kann man sich übrigens in der ARD-Mediathek noch anschauen.
Und weil das so ist, und weil alle das wissen, wird Strafverteidigern im Fachanwaltskurs geraten, möglichst denjenigen Gutachter zu benennen, den man auf gar keinen Fall haben möchte. Denn Gerichte ernennen einen Gutachter aus Prinzip zumeist dann nicht, wenn er von der Verteidigung vorgeschlagen wurde. Was das noch mit richterlicher Objektivität und Unabhängigkeit zu tun haben soll, weiß ich nicht, aber die Taktik funktioniert. In diesem Sinne: Schönes Wochenende nach Berlin!
Die gestrige Beckmann-Talkshow mit Mollath, Ziegert und RA Strate kann man sich hier
http://www.youtube.com/watch?v=EfqMumP0ODs
anschauen. Der Youtube-Kanal ist offiziell lizensiert …
Das unterstellt schon, dass das Gericht bei der Beauftragung des Gutachters ein bestimmtes Ergebnis haben möchte, was ich zumindest für mich und soweit ich das beurteilen kann auch für die meisten mir bekannten Kollegen nicht bestätigen kann. Selbst wenn dies der Fall wäre, müsste der Gutachter dann aber auch noch wissen, welches Ergebnis mir vorschwebt. Gerade weil es nur eine relativ überschaubare Zahl guter psychiatrischer oder psychologischer Sachverständiger gibt, wird die Auswahl in der Regel eher durch die zeitliche Verfügbarkeit diktiert, da man ggf. bei mehreren Sachverständigen anfragen muss, bis man einen findet, der gerade Zeit bzw. Kapazitäten hat. Und mit der Strategie von Herrn Nebgen kann man auch ziemlich auf die Nase fallen…
Ich bin seit 25 Jahren Strafrichter und kann mich „Subsumtionsautomat“ nur anschließen.
Die Beauftragung eines Sachverständigen X statt Y ist meiner Erfahrung nach eher von praktischen Problemen abhängig als von einem „gewünschten Ergebnis“.
Mir hat auch noch niemand schlüssig erklären können, weshalb ich ein bestimmtes Ergebnis wünschen sollte.
@Excutor
Es ist leider nichts Neues für Kinder und Eltern, die ebenfalls unbescholten in den Mühlen der Familienjustiz stecken.Die geschilderten Methoden sind identisch.Enteignung, Willkür, Entsorgung über Falschgutachten, Korruption und Vertuschung bei allen Verfahrensbeteiligten. Eigene Erfahrung.
Stellt sich für mich auch die Frage, warum das Gericht/der Richter die Auswahl des sog.Gutachters
trifft. Zudem kommt noch die Frage, ob das immer nötig ist und man sich nicht in vielen Fällen besser auf die eigenen Fähigkeiten verlässt.
Infos http://jugendamtwatch.blogspot.de/
Es sind meiner Meinung nach umgehend Konsequenzen fällig. Die Begutachtung auf Distanz allein Aufgrund von Verhaltensbeobachtungen oder der Deutung von Aussagen muss als standeswidrige Ausübung der Tätigkeit erkannt werden und zum Verlust der Zulassung führen.
Die Befugnis, sich einen passenden und gerichtsbekannten Gutachter selbst auszusuchen, muss den Richtern entzogen werden.
Warum werden Gutachtenaufträge überhaupt extra entlohnt? Warum sind dies nicht Aufgaben, die von den staatlich angestellten Ärzten als Teil ihrer ständigen Arbeit erledigt werden müssen?
Ansonsten würde ich gerne auf das Modell in Norwegen hionweisen, wo den Schilderungen nach nicht nur ein Gutachter und der sich auf ihn verlassende Richter über eine Zwangsunterbringung entscheiden, sondern ein fünfköpfiges Gremium das Subjekt selbst anhört und danach nur ein einstimmiges Ergebnis zur Verräumung führt.
Tja, Frau Ziegert („Wurden Sie gestillt“) muss es ja wissen, wie man begutachtet (Spiegel vom 15.12.1997)
„Frau Ziegert befindet sich im Konflikt mit dem Vorsitzenden der Münchner Schwurgerichtskammer, der sie nicht mehr als Sachverständige bestellt. Er ist ein mächtiger und manchen Verteidiger zum Zorn reizender Mann, unter seiner Herrschaft hat sich in München eine besondere Art der Rechtskultur breitgemacht. Doch der Hanna Ziegerts Beratung zu dankende Antrag läßt Verständnis für den Münchner Vorsitzenden aufkommen.
Nur einige Beispiele: Es wird bemängelt, daß die bestellten Gutachter nicht erfragt hätten, ob der Angeklagte gestillt wurde; Schreiner zeige eine paranoide Symptomatik, ein Gefühl der Verfolgung und Benachteiligung, die ihre Wurzel in der Ermordung des Großvaters mütterlicherseits – 1935 – im KZ haben könne; Schreiner könne einer Inzestfamilie entstammen, in der er von den Eltern oder anderen mißbraucht wurde, und so fort.
In Augsburg explodierte der Saal. Schon in den zwanziger Jahren versuchte die Psychoanalyse, die Gerichtssäle zu stürmen, vergeblich. Frau Ziegert fühlt sich offenbar als die Heilige Johanna der Begutachtung. Nur: Die Psychoananalytiker haben inzwischen gelernt, nicht mehr von Ödipus und dem „Verbrechen der Strafe“ zu sprechen. Wenn sie vor Gericht auftreten, selten genug, versuchen sie sich zugänglich zu äußern. Hanna Ziegert aber bringt ihre Meinung ohne jedes Gefühl für die Angehörigen der Opfer vor.“