Rosemarie F. war am Donnerstagnachmittag in einer Wärmestube gestorben, zwei Tage nachdem ihre Wohnung in der Aroser Allee zwangsgeräumt worden war.
[…]
Bis zuletzt hatte F. vor Gericht versucht, wegen „Räumungsunfähigkeit“ in der Wohnung bleiben zu dürfen – die Richter lehnten den Antrag aber ab, da die Rentnerin kein fachärztliches Attest vorlegen konnte.
Bericht im Tagesspiegel
Mein Beileid. Ich finde das wirklich traurig.
Aber wer genau soll sich dafür schämen, dass die Wohnung einer Frau geräumt wird, die offensichtlich die Nachbarn terrorisierte, die Wohnung verkommen ließ, sich jedem (auch psychologischen) Kontakt verweigerte und ein halbes Jahr keine Miete zahlte?
Oder sollen sich die Richter am AG und LG schämen, die – obwohl die Räumung seit Langem bekannt war – mehrfach darauf hinwiesen, dass sie mit einem fachärztlichen Attest Räumungsschutz erlangen kann?
Tja, hab ich zuerst auch gedacht. Aber wer soll sich schämen? so steht’s im SPON:
‚…..Doch offenbar waren es nicht nur die Schulden, weswegen die Vermieter die 67-Jährige aus der Wohnung haben wollten. Ein Nachbar sagte dem Berliner „Tagesspiegel“, F. habe ihre Nachbarn tyrannisiert und sei durch aggressives Verhalten aufgefallen. Ein anderer sagte der Zeitung, die Wohnung der 67-Jährigen sei völlig zugemüllt gewesen und habe „bestialisch gestunken“…..‘
Wofür schämen?
http://schnarchnase.blog.de/2013/04/13/anfuehrungszeichen-hartz-iv-mord-15750766/
Sicher nur darüber, dass einer solchen undifferenzierten Berichterstattung Raum gegeben wird.
Nun ja, ich bezweifele auch, dass sich hier jemand schämen muss. Der Vermieter hatte mehr als sechs Monate Zahlungsausfall und hat den sozialpsychiatrischen Dienst eingeschaltet. Die Frau hat angeblich die Nachbarn tyrannisiert, im eigenen Müll gelebt und alle Hilfsangebote abgelehnt.
Unser Land zeichnet aus, dass wir hier Hilfsangebote für Schwache haben und niemand verhungern oder erfrieren muss. Zugleich leben wir aber auch in einem freien Land, in dem jeder selbst seines Glückes eigener Schmied ist.
Davon abgesehen, dürfte wohl klar sein, dass dem Vermieter eine weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar gewesen sein dürfte und er alles richtig gemacht hat. Ein Kollege von mir hat vor einiger Zeit mal Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen einen Schuldner (Unternehmer der Vermögensgegenstände verschoben hat) durchgeführt. Am Ende hat der Schuldner Selbstmord begangen…
Soll die Lehre daraus sein, dass man als RA Blut an den Fingern hat, wenn man Räumungsklagen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleitet??? Wie sieht es denn dann mit StV aus, die Angeklagte aus der Patsche hauen, die später wieder Straftaten begehen? Unfair dürfte hier auch der latente Vorwurf gegen den Richter sein, die Vollstreckung nicht verschoben zu haben.
Warum haben Sie denn der Frau nicht eine Wohnung angeboten, anstatt nun u.a. auf den Vermieter zu schimpfen? Als Rechtsanwalt verdient man ja nicht gerade schlecht.
Bei allem Ärger, den Vermieter und Nachbarn mit dieser Frau möglicherweise gehabt haben, darf es nie so weit kommen, dass eine Räumung zu einem Todesfall führt. Ein solches Risiko darf man nicht einmal ansatzweise in Kauf nehmen. Art. 1 GG!
Die Richterin, die das entschieden hat, wird mit Sicherheit jetzt auch nicht mehr ruhig schlafen können.
die räumung soll also ursächlich für den tod gewesen sein?
dass die dame unmittelbar in der notunterkunft starb ist natürlich unglücklich, mehr aber auch nicht
Warum sollte sich die Richterin schämen? Dafür dass die Stadt Berlin keinen Wohnraum nach der Räumung zur Verfügung gestellt hat?
Ein paar mehr Infos zum Fall bei: http://www.welt.de/vermischtes/article115256290/Tod-einer-Berliner-Mietschuldnerin-erschuettert.html
Traurig für die Räumungsschuldnerin. Aber jeder ist nunmal seines eigenen Glückes Schmied. Und wenn man die Entscheidung trifft, die Mietzahlungen einzustellen und jegliche Hilfsangebote zu verweigern, muss man eben die Konsequenzen tragen.
Ich habe mal ein Gebäude in einer Zwangsversteigerung gekauft. Der Vorbesitzer weigerte sich auszuziehen. Auch weigerte er sich eine – sehr günstige – Miete zu zahlen. Kurz: er wollte kostenlos weiter in dem Haus wohnen.
Als es dann zur Räumung kommen sollte,für die ich mich überhaupt nicht schäme, ging es los. Eine Woche vorher (!) schrie sein Anwalt er sei selbstmordgefährdet. Und ein (Gefälligkeits-)Gutachten von irgendeinem Psychologen war auch gleich noch mit dabei.
Zum Glück saßen bei Gericht Menschen mit gesundem Verstand, so daß die Räumung letztlich doch durchgeführt wurde. Die Sache wurde am Amtsgericht und am Landgericht (also zwei Instanzen) nach vier Tagen (!) gut begründet abgewiesen. Und? Passiert ist letztlich gar nichts.
Der ehemalige Besitzer hat mich dann beim Bauamt angezeckt und mir seine Bausünden angeheftet…
Sollte man Räumungen nun einstellen? Nein! Sonst könnte jeder kostenlos wohnen, wenn er denn nur mit Selbstmord droht. Der Vermieter/Eigentümer hat jedenfalls keine Schuld daran, was sich ein Dritter selbst antut. Hinreichend einseitige (Miet-) Gesetze zugunsten der Mieter gibt es ja schon.
Wenn 10% der Energie, die manche Nachbarschaften aufwenden, um ein Straßenfest zu organisieren, für diese Frau übrig gewesen wäre, hätte das Ergebnis vielleicht schon viel eher anders und besser aussehen können.
Für das Polizeiaufgebot während der Räumungsdemo gilt in Bezug auf Behörden vergleichbares.
Ingo, über eine offenkundig nicht nur körperlich kranke Frau zu sagen, dass „jeder seines eigenen Glückes Schmied sei“, finde ich unanständig!
Sie hätte erstmal in die Psychiatrie kommen können. Das können Richter auch veranlassen.
Aber die Richter, die über Räumungsklagen entscheiden, sind nicht befugt, über Zwangseinweisungen zu entscheiden.
die teilweise unglaublich dummen weil unsensiblen kommentare sind UN-ER-TRÄG-LICH !!! ist das die zukunft? (sollten diese „harten“ typen nachts um3 im strassengraben liegen weil sie evtl einen unfall hatten, dann gehen wird hin & sagen : selbst schuld. helf dir selbst) tatsächlich war diese person krank und hätte hilfe gebraucht….ist leider nicht mehr „automatisch“ bestandteil des kapitalismus . ich warne !!!
@ tom engel
Vielleicht erläutern Sie einmal kurz, wer hier was falsch gemacht haben soll?
Laut Artikel in der Welt ist die Frau in einer Unterkunft des Hilsfbündnisses Kälte Nothilfe gestorben, wo sie sich geweigert haben soll, in ein Krankenhaus gebracht zu werden. Insofern sehe ich hier zwei Möglichkeiten: (1) Entweder die Frau hat eine freie Entscheidung keine Hilfe in Anspruch zu nehmen oder (2) es hätten vom Hilfsbündnis Maßnahmen in Richtung einer Zwangseinweisung eingeleitet werden müssen. Das der Initiator des Hilsbündnisses den Tod als „Mord durch Staatsgewalt“ bezeichnet ist daher m.E. nur ein unsäglicher Fehlgriff.
Außerdem darf darauf hingewiesen werden, dass die Mieterin monatelang keine Miete gezahlt hat, die Wohnung völlig verwahrlost war und die Mieterin ihre Nachbarn tyrannisiert hat. Abgesehen davon, dass dies eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar machen dürfte, ist es unter solchen Umständen wohl auch nicht geboten, dass eine Frau noch alleine in einer Wohnung haust, wo sie offensichtlich nicht mehr alleine zurecht kommt.
Vermieter, Richter und Gerichtsvollzieher haben hier alles richtig gemacht.
@Tom Engel
Es ist nicht die Aufgabe eines Hausbesitzers sich um die geistige Hygiene eines Mieters zu kümmern, zumal in dem hier zu diskutierenden Fall die Dame alle Hilfen (welche teilweise vom Vermieter in Gang gebracht wurden) abgelehnt hat.
Da hätte sich z.B. auch mal der mit der Räumung beauftragte Gerichtsvollzieher mit einer entsprechenden Stelle in Verbindung setzen können.
Im Übrigen ist die Situation desjenigen, der über Monate hinweg keine Miete zahlt, den Räumungsprozess über sich ergehen lässt und dann sich nicht um eine neue Unterkunft kümmert, nicht mit einem Unfallopfer am Straßenrand vergleichbar. Das ist billige Polemik.
@Wolfram, wer denn sonst als Amtsrichter sind das? Man hätte auch von Amts wegen einen Betreuer bestellen können und der hätte dann die Einweisung über § 1906 BGB eingeleitet. Wäre alles möglich gewesen. Und zwar vom selben Amtsgericht, das für Mietsachen zuständig ist, vgl. § 23 GVG. Eine andere Abteilung desselben Gerichts kann ja wohl kein Argument sein, oder? Das befiehlt schon Art. I III, 2 II 1 GG.
@ ui-ui-ui
Der vorhergehende Blog-Eintrag von Herrn Hoenig beschäftigte sich übrigens mit dem Thema der willkürlichen Zuständigkeitsannahme am Amtsgericht und den sich daraus ergebenden Konsequenzen (Rechtsbeugung?) im Hinblick auf den Erlass eines sachlich begründeten Haftbefehls. Dürfte auf Einweisungen wohl übertragbar sein.
Richtig ist aber, dass der Amtsrichter, der für die Vollstreckung der Mietsache zuständig war, seinen Kollegen darauf hätte aufmerksam machen können, WENN es konkrete Hinweise für eine Einweisung oder die Bestellung eines Betreuers gegeben hätte. Die Voraussetzungen für eine Einweisung sind aber hoch. AUSSERDEM: Wer als Richter ohne hinreichenden Anlass eine Einweisung anregt, der erweckt sofort den Eindruck der Befangenheit
@Andreas, Ihre Hinweise tragen nicht bezüglich der von mir aufgeworfenen Frage, warum nicht von Amts wegen ein Betreuer bestellt wurde, wie es § 1896 BGB verlangt. Dem Gericht waren offenbar die Verwahrlosung und die Krankheit der Frau bekannt. Man hätte nur nicht auf einem ärztlichen Attest bestehen müssen. Es gibt eben psychische Krankheiten, wo man nicht zum Arzt gehen kann oder will. Für diese Fälle gibt es dann Betreuer.
@ ui-ui-ui
Bekannt war laut Zeitungsartikel in der Welt lediglich, dass die Frau nach einer Herzoperation und einem Bruch der Wirbelsäule schwer krank war, aber jegliche Hilfsangebote ablehnte. Von einer psychischen Krankheit steht da nichts. Ist auch nicht zwingend, dass das Gericht eine solche Krankheit hätte erkennen müssen.
Gegen den freien Willen eines Erwachsenen darf auch kein Betreuer bestellt werden (§ 1896 Abs. 1a BGB). Wenn der Wille der Frau aber nicht frei gewesen sein soll, dann frage ich mich, warum das Hilsfbündnis Kälte Nothilfe nicht einfach gegen den Willen der Frau für eine Einweisung gesorgt hat???
Wir leben in einem freien Land und aufgezwungene Hilfe gibt es nur in besonders gelagerten Fällen, nämlich wenn jemand erkennbar psychisch nicht mehr sein eigener Herr ist. Die Tatsache, dass die Frau Rechtsbehelfe gegen die Zwangsräumung eingelegt hat (und selbst anwaltlich vertreten war), lässt aber eher das Gegenteil vermuten. Die hatte Hilfe und ggf. hätte ihr eigener Anwalt für entsprechende Maßnahmen sorgen müssen.
Woher nehmen Sie, dass die Dame anwaltlich vertreten war? In dem oben verlinkten Artikel finde ich dazu nichts. Ein Anwalt ist vorm Amtsgericht nicht zwingend. Aber wenn es so war, dann wäre natürlich der Anwalt in der Pflicht gewesen, auch gegenüber dem Sozialamt tätig zu werden. Damit die Miete nachgezahlt und die Obdachlosigkeit verhindert wird. Das ist nämlich bis 2 Monate nach Rechtskraft des Räumungsurteils noch mietrechtlich möglich, § 569 III Nr. 2 BGB.
@ui-ui-ui: § 569 II Nr. 2 BGB spricht von zwei Monaten nach Rechtshängigkeit der Klage. Das ist dann doch etwas ganz anderes als Rechtskraft eines Urteils.
Sorry, habe mich verlesen.