Hier nochmal ein Beispiel für eine Aktensicht, wie ich sie mir wünsche:
Etwa 100 Akten-Ordner als Dateien im PDF-Format, sauber gescannt, im OCR-Verfahren les- und durchsuchbar gemacht, anschließend in einer nachvollziehbaren Verzeichnis-Struktur übersichtlich abgelegt, und zum Schluß mit TrueCrypt verschlüsselt. Das ca. 40-stellige Paßwort zum Entschlüsseln haben wir ein paar Tage vorher per Briefpost bekommen; die DVD, gefüllt mit 1,1 GByte Daten, trudelte gestern hier ein.
Den Wunsch, mir auch die eine oder andere Excel-Tabelle zur Verfügung zu stellen, wird mir sicherlich auch noch erfüllt werden.
In einem vom Umfang und auch von der Materie vergleichbaren Verfahren – da wie dort geht es um „Straftaten im Internet“ – verweist mich die Staatsanwaltschaft Potsdam auf die Regale in einem eigens für die Akten eingerichteten Raum:
Nun, ich hatte irgendwann einmal Kontakt mit der General-Staatsanwaltschaft in Potsdam. Dort sicherte man mir zu, die Staatsanwaltschaft im Lande Brandenburg sei eine fortschrittliche Behörde, die auf technisch höchtsten Niveau arbeitet. Ich glaube einem General eigentlich alles und immer.
Aber vielleicht liegt es ja auch nicht an der Behörde, sondern an den Staatsanwälten, die die konkreten Sachen bearbeiten. Der eine weiß eben, wozu ein Computer eingesetzt werden kann; der andere blättert lieber in verstaubten Akten, selbst dann noch, wenn er „organisiertes Cyber Crime“ verfolgt.
Jeder nach seiner façon …
Eine Akte einzuscannen, mit Vorder- und Rückseite der Aktenblätter, einschließlich der ganzen Zettelwirtschaft, die sich in der Akte regelmäßig befindet, das ganze technisch aufzubereiten und auf DVD zu brennen, ist allerdings eine Strafarbeit, die eigentlich gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung verstößt. Daher kann ich nachvollziehen, wenn man zwar über die technischen Möglichkeiten bei der Behörde verfügt, aber niemand Zeit oder Bock hat, diese Mühsal auf sich zu nehmen. Vermutlich wird das auch weniger für die Verteidigung gemacht als auf dringende Bitte eines technikbegeisterten Staatsanwalts / Berichterstatters / Oberlandesgerichtsvogts, der die ermüdende Lektüre gerne auf seinem iPad lesen möchte.
Aber wenn man schon so fortschrittlich ist, möchte ich doch den Wunsch äußern, das ganze in 4K und 7.1 HD-DTS Master Audio auf Bluray zu brennen und die spannendsten Stellen mit dramatischer Musik zu unterlegen, damit die Akteneinsicht ein echtes Heimkinoerlebnis wird.
Ich kann das Aktenzeichen auf der CD lesen.
Da müssen die lieben Staatsanwälte in Ba-Wü aber noch erheblich aufholen. Hier ganz im süden an der Grenze zur Schweiz wird noch gar nicht digitalisiert (man bekommt angeblich den Scanner nicht ins Netzwerk ;-) Die StA Rottweil verschickt zwar CD’s, bekommt es aber hin, für ca. 6.000 Seiten 2,4 GB zu verbraten. Die CD kommt natürlich unverschlüsselt und soll dann auch noch wieder zurückgeschickt werden. Letzter schreibe ich allerdings der Tatsache zu, dass Rottweil in Schwaben liegt.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich Behörden mit mit Neuland umgehen. Es gibt sehr gute mulit-Kanal-Authenzifizierungsmethoden heutzutage, ein gutes Beispiel.
(habe mich übrigends sehr über den Satz gefreut, „…Herr Hoenig verdient schon seit Jahren mit Straftaten sein Geld“)
Das Potsdamer Bild kann hier nicht gefunden werden! (wie ironisch rekursiv aber auch …)
Klugscheissmodus an:
Selige Staatsanwälte?
Wortbedeutung laut Duden
Bedeutungen
1.
a.[von allen irdischen Übeln erlöst und] des ewigen Lebens, der himmlischen Wonnen teilhaftig
b.(gehoben) verstorben
c.(katholische Kirche) seliggesprochen
2.
a.einem tiefen [spontanen] Glücksgefühl hingegeben
b.(umgangssprachlich) leicht betrunken
Ich hoffe dass die Hannoveraner Kollegen weder aufgrund Ablebens auf der Vorstufe zur Heiligsprechung stehen, noch dass sie leicht angetrunken sind.
Selig im Sinne von Ziff. 2a dürfte eher der Verteidiger ob der Arbeitserleichterung sein:)
Klugscheissmodus off
Also das Scannen mit OCR und vor allem die TrueCrypt-Verschlüsselung mit 40-stelligem Passwort haben mich dann doch nachhaltig beeindruckt. Wer die IT-Affinität der Justiz kennt, weiss, dass das Meilensteine sind.
Auch noch eine OCR durchzuführen ist ein feiner Service und erleichtert die Suche in den Akten enorm.
Bin ich aber jetzt zu paranoid, wenn ich befürchte eine Staatsanwaltschaft könnte für sie unangenehme Aktenteile „versehentlich“ nicht zu OCRn – in der Hoffnung, der Anwalt übersieht sie bei einer reinen textlichen Suche/Indizierung?
Vielleicht hat die StA Hannover wirklich mal etwas gelernt, nachdem das LG Hannover ihr im letzten Jahr auf die Finger geklopft hat.
http://www.neuepresse.de/Hannover/Meine-Stadt/Gericht-laesst-Kokskoenige-in-Hannover-frei
Bonuspunkte hätte es noch gegeben, wenn CD und Passwort auf verschiedenen Wegen versendet worden wären. Denn WENN jemand die Post abfangen kann, dann schafft er’s in der Regel auch an 2 Tagen hintereinander…
Oder die 2. Sendung erst verschicken, wenn der Empfänger bestätigt hat, die 1. Sendung bekommen zu haben.
Aber das ist vielleicht dann doch etwas viel Aufwand, bei dinglichen Aktenordnern reicht ja auch das Abfangen einer Sendung…
@Felix aus Frankfurt:
Lesekompetenz stärken, eventuell dem Text eine zweite Chance geben! Ich las, dass der Brief mit dem Passwort einige Tage vor der DVD ankam.
Selber! :-p
Ich schrieb von „verschiedenen Wegen“: Wenn etwas auf einem Weg abgefangen wird ist wahrscheinlich, dass auch etwas anderes, das auf dem *gleichen Weg* (zu einem anderen Zeitpunkt) versendet wird, abgefangen wird.
Sprich: Zusätzliche Sicherheit, wenn das Passwort z.B. per SMS gesendet wird oder sonstwie.
Aber ich schrieb auch, dass der Aufwand dafür unverhältnismäßig sein könnte.
Wie versenden Baden-Württembergische Staatsanwälte eigentlich Aktenstapel, die aus mehreren DVDs bestehen?
Die http://de.wikipedia.org/wiki/Badische_Aktenheftung funktioniert bei DVDs nicht so einfach…
@Matthiasausk:
Geht doch ganz einfach in Baden (in Württemberg gilt bekanntlich das badische System nicht!): DVDs stapeln, Faden durch das Loch in der Mitte ziehen und badischen Aktenknoten rein machen.
Das Problem ist nicht, ob irgendwo ein technikaffiner Staatsanwalt sitzt, sondern ob-
– die Behörde sich einen brauchbaren Scanner anschafft
– die Behörde Leute findet, die dann auch brauchbar scannen (Vorder- und Rückseite…) und die einzelnen pdfs nicht einfach nach Dateinummer, sondern sinnvoll („Fallakte I Bl. 1-30“) benennen.
Dass die DVD nur verschlüsselt versandt werden darf, ist ein Treppenwitz, den das BDSG bereit hält . Wenn eine Papierakte unverschlüsselt durch die Gegend an Verteidiger, Nebenklagevertreter, Sachverständige geschaukelt wird, fragt sich auch niemand : Ohoho, wenn jetzt aber jemand das Päckchen abfängt, kann er doch alles lesen!
Jetzt noch ein Verschlüsselungsverfahren, das auf freier Software basiert (bspw. dm-crypt/LUKS), und alle sind glücklich ;)
Es hat Jahrzehnte mit verstaubten Blätterakten geklappt. Es klappt auch heute noch. Und ist im Zweifel sicherer.
Man muss, schon gar nicht als Staatsbehörde, nicht auf jeden Zug gleich aufspringen.
@Ingo: Wenn mal wieder so ne Akte weg ist und alle zum „Backupen“ zu faul waren, dann weißt auch du, dass sowas elektronisches im Zweifelsfall sicherer ist. Wenn man’s richtig macht, natürlich.