Fünf Euro für die Sexsklavin + 1,8 Mio für die Rentenkasse
Eine unscheinbare Nebenentscheidung, die man sich mal ganz in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen muss, fiel mir bei der Lektüre einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ins Auge.
Worum ging´s?
Die Angeklagten hatten als führende Köpfe einer Bande mit anderen Bandenmitgliedern rumänische Frauen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren zumeist mit falschen Versprechungen über lukrative berufliche Perspektiven nach Deutschland gelockt. Hier hatten sie die Frauen unter Ausnutzung von deren Mittellosigkeit und Sprachunkenntnis dazu veranlasst, die Prostitution auszuüben. Dabei hatten die Angeklagten ab dem Jahr 2006 das Modell des sogenannten „Flatrate-Bordells“ entwickelt, bei dem Freier für einen pauschalen Eintrittspreis mit beliebig vielen Frauen (…) sexuell verkehren durften. Die (…) gefügig gehaltenen Frauen hatten hierbei teilweise mehr als 30 Freier täglich zu bedienen. (…) Die vorgeschriebenen Beiträge zur Sozialversicherung für die Prostituierten führten sie nicht ab.
Soweit, so schlecht; aber nachvollziehbar. Was nun folgt ist jedoch zumindest für jemanden mit gesundem Menschenverstand erklärungsbedürftig und selbst dann noch mit einem ganz schalen Beigeschmack verbunden:
Von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Millionenhöhe hat das Gericht wegen vorrangiger Ansprüche geschädigter Sozialversicherungsträger abgesehen.
Nach einem Bericht des Stern sollen Beiträge in Höhe von 1,8 Millionen € vorenthalten worden sein.
Das Gericht hat also festgestellt, dass die Angeklagten mit der sexuellen Ausbeutung der Frauen Umsätze in Millionenhöhe erwirtschaftet haben. Die für die „beschäftigten Arbeitnehmerinnen“ eigentlich fälligen Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht entrichtet. Nun muss man Sozialversicherungsbeiträge aber nicht auf Umsätze oder Unternehmensgewinne zahlen, sondern auf die Lohnzahlungen.
Interessant wäre daher, von welchen Lohnzahlungen das Gericht ausgegangen ist. Die Buchhaltungsunterlagen eines Flatrate-Bordells hätte ich ja wirklich gern mal näher gesehen – oder wurde die Löhne etwa geschätzt? Wurden diese dann auch wirklich gezahlt? Waren die auch angemessen? Wie sieht es mit Urlaubsansprüchen, Erschwerniszuschlägen, Überstunden etc. aus? Was ist angemessen, wenn man berücksichtigt, dass die Tätigkeit nicht freiwillig, sondern unter Ausnutzung einer Zwangslage ausgeübt werden musste?
Nach dem Sternbericht erhielten die Prostituierten weniger als 5 € pro „Kundenkontakt“ und mussten bis zu 14 Stunden an 6 Tagen pro Woche arbeiten.
Schön dass das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Fürsorgepflicht sich so rührselig um die eigentlichen Opfer kümmert. Nun bekommen die Sozialversicherungen einen Haufen Gold aus dem arrestierten Vermögen der geschäftstüchtigen Zuhälter und die rumänische Zwangsprostituierte erhält dann in 40 bis 50 Jahren pünktlich zu ihrem 67. Geburtstag eine hübsche Erinnerung an diesen unrühmlichen Abschnitt ihres Lebens in Form eines Rentenbescheids über stolze 4,33 € monatlich aus Deutschland: Na herzlichen Glückwunsch.
Hätten sich die ausgebeuteten Frauen dem Prozess als Nebenklägerinnen anschließen und so vielleicht auf dem Wege ein dickes Trostpflaster im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens für Ihre Tätigkeiten erhalten können? Hätte, hätte, hätte…
Und die Moral von der Geschicht: Mit Lobby gibt´s Kohle – ohne nicht.
Bild: Benjamin Klack / pixelio.de
Das Gericht hat von der Verfallsanordnung abgesehen. Mehr hat es nicht entschieden, insbesondere nicht, dass die Ansprüche der Sozialversicherungsträger den Ansprüchen der Opfer vorgehen. Dass es genau darauf hinauslaufen wird, da die Ansprüche der Opfer nicht geltend gemacht werden, ist nicht Schuld des Gerichts.
Das Ergebnis ist in erster Linie auf das von rot-grün mit großem Getöse 2002 verabschiedete Prostitutionsgesetz zurückzuführen
Wenn ich mich richtig erinnere, muss man Sozialversicherungsbeiträge nicht auf Lohnzahlungen zahlen, sondern auf den Lohn, den man zu zahlen hätte bzw. gehabt hätte.
Wäre es nicht traurig könnte man jetzt super über das sozialversicherungsrechtliche Anspruchsprinzip und das lohnsteuerliche Zuflussprinzip debattieren.
vllt hatten die anständigen Richter keine lust auf eine Preiserhöhung
*hust
Auch bei einer Insolvenz haben Sozialbeiträge Vorrang vor allem anderen, insbesondere vor der lohnfortzahlung. [1] Warum soll das hier anders sein? Ob man es richtig findet steht auf einem anderen Blatt.
[1] beispielsweise http://www.brennecke.pro/48442