Staatsanwaltschaft prüft Urteile aus Eisenhüttenstadt

Als Reaktion auf den Bericht in der Sendung ‚Report Mainz‘ vom 2.7.2013, auf den ich bereits am Freitag hingewiesen hatte, hat nun die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) den Sprengel betreten. Agenturmeldungen zufolge prüft die Strafverfolgungsbehörde, ob die Urteile des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt strafrechtlich relevant seien.

Gegenstand dieser Prüfung auf strafbare Inhalte seien demnach die Entscheidungen, die die Richterin Petzoldt in so genannten Schnellverfahren gegen Asylsuchende gefällt hat. Menschenrechtsorganisationen thematisierten rassistische Entgleisungen in den Urteilsgründen.

Im Kern wird es aber weniger um „strafbare Urteile“ gehen, sondern um die Frage, ob sich die Richterin in den Verfahren und bei der Abfassung der Urteile strafbar gemacht haben könnte.

Ich kann mir gut vorstellen, daß die ansonsten als burschikos auftretende Richterin in den kommenden Verhandlungen mit erkennbar weniger Selbstbewußtsein verhandeln wird.

Und vielleicht gelingt es jetzt dem Kollegen Rechtsanwalt Volker Gerloff, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen Beleidigung zulasten der Richterin ermittelt, weil er in eine Berufungsbegründung geschrieben habe (Zitat aus der Pressemeldung vom 05.07.2013 (PDF)):

Das angegriffene Urteil fühlt sich hier berufen, in einer Art ‚richterlichem nationalen Widerstand‘ den erkannten vermeintlichen Missständen auf dem Gebiet der Migrationspolitik ‚dringend‘ durch die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe“ begegnen zu müssen.

den Wahrheitsbeweis nach § 190 StGB anzutreten. Ich wünsche ihm aber, daß seine engagierte Verteidigung nicht erst durch ein ernsthaftes Strafurteil gegen ihn gekrönt werden muß. Denn er hat schließlich mit dazu beigetragen, daß die umstrittene Praxis des Gerichts in „Hütte“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde.

Eine Stellungnahme zu den Vor-Ermittlungen war vom Amtsgericht Eisenhüttenstadt nicht zu bekommen, berichten die Medien. Ein Sprecher des Gerichts teilte mit, man werde sich nicht zu den Vorwürfen äußern. Das geht in Ordnung. Auch das Personal eines Strafgerichts hat das Recht zu schweigen, wenn es beschuldigt wird. Und mit Strafverfahren kennt man sich in Eisenhüttenstadt ja bestens aus.

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Verteidigung veröffentlicht.

9 Antworten auf Staatsanwaltschaft prüft Urteile aus Eisenhüttenstadt

  1. 1
    Trino says:

    Zwei Punkte:

    1. Es kotzt mich langsam dermaßen an, dass die Berufsgruppe der Richter offenbar der Ansicht ist, Kritik an einem Urteil sei ein Eingriff in die Unabhängikeit der Gerichte und damit verdammungswürdig. Die Damen und Herren Richter sollten begreifen, dass die „Unabhängigkeit der Richter“ die Unabhängigkeit der Judikative von Exekutive und Legislative bedeutet, nicht die Unabhängikeit vom Volk.

    Ich finde wir brauchen dringend ein „Gesetz zur Qualitätssicherung und Richterevaluierung in der deutschen Justiz“.

    Die Richter können sich meinetwegen unabhängig selbst untersuchen, aber es kann m.M. nicht weiterhin so bleiben, dass selbst massivste und deutlichste Kritik des BVerfG und BGH keine Konsequenzen hat. (Damit meine ich die Fälle, in denen eines der genannten Gerichte haarsträubend falsche Urteile der Untergerichte teilweise zum wiederholten Male aufheben … z.B. hier http://www.taz.de/!95787/)

  2. 2
    Trino says:

    ach ja und

    2. Sicherlich haben einzelne Beschuldigte das Recht zu schweigen. Ich finde aber, dass sich eine Behörde durchaus zu einem solchen Sachverhalt äußern sollte. Vermutlich sieht sich der Gerichtspräsident in einer Zwickmühle, weil er ja die Aussprüche nicht gutheissen kann, aber aus (seltsamer) Richtersolidarität heraus seine Richterkollegin nicht kritisieren darf?

    3. Mir scheint gerade dieser „Kritikmangel“ führt zu einer bedenklichen Charakterbildung bei einigen (vielen?) Richtern. Man stelle sich vor, man sitzt Tag für Tag in seinem Gerichtssaal, wo man eine fast gottgleiche Macht hat. Alle machen was man sagt, das Wort des Richters ist (in der Verhandlung) immer das letzte Wort. Kritik gibt es allenfalls ein paar Monate nach der Verhandlung durch ein aufhebendes Urteil der höheren Instanz …

    Durch den zeitlichen Abstand und die Tatsache, dass der Aufhebung des Urteils nicht zwingend eine Schlechtleistung des Ausgangsrichters zu Grunde liegen muss ist es sicherlich leicht, solche „Fernkritik“ als „unbegründet“ abzutun und sie nicht als Anlass zur Selbstreflexion zu nehmen …

    Also wie gesagt, wenn ich mir das so vorstelle, dann kann ich mir auch gut vorstellen, dass man da eine leichte Form des Größenwahns bekommt …

    Gibt es Richter hier die dazu was sagen können möchten?

  3. 3
    Willoughby says:

    @Trino: Den Punkt „unabhängig selbst untersuchen“ finde ich gut.
    Vielleicht sollten sich die Richter da etwas bei den Fussball-Schiedsrichtern abgucken. Die beurteilen sich auch gegenseitig (meinetwegen auch durch Ehemalige) und – noch viel besser – sie können statt nur aufzusteigen auch mal in der gefühlten Hierarchie wieder absteigen. Weil der Einsatz in höheren Ligen oder International jedes Jahr neu bewertet wird.

  4. 4
    Trino says:

    also das System der Fussballschiedsrichter kenne ich nicht, wenngleich ich auch schon mal gehört habe, dass es wohl sehr streng ist und funktioniert! Guter Gedanke wie ich finde!

    Zufällig habe ich gerade in einem anderen Blog folgendes gelesen:

    http://blog.strafrecht.jurion.de/2013/07/berufsbedingt-ueberheblich/

  5. 5
    ui-ui-ui says:

    Wofür gibt es den Instanzenzug? Reicht der nicht aus?

  6. 6
    Subsumtionsautomat says:

    @Trino:

    Größenwahn? Mag es in Einzelfällen geben, allerdings gibt es Selbstüberschätzung auch in vielen anderen Berufsgruppen, ja sogar unter Menschen, die überhaupt keinen Beruf ausüben. Ein Richterspezifisches Problem sehe ich da nicht. Die meisten meiner mir bekannten Kollegen sind sich wohlbewußt, dass Macht immer auch und vor allem anderen Verantwortung bedeutet! Von Ausnahmen abgesehen ist eigentlich jeder Kollege bemüht, dieser Verantwortung – im Rahmen des Möglichen – auch gerecht zu werden.

    Vor diesem Hintergrund wird sachlich gerechtfertigte Kritik auch nicht als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit begriffen. Problematisch ist jedoch Kritik, die auf mangelnder Sachverhalts- und/oder Rechtskenntnis beruht. Gefährlich ist Kritik, die moralisch oder populistisch, also nach einem vermeintlichen Volksempfinden urteilt, und die rechtlichen Gegebenheiten außen vor lässt.

    Soweit es tatsächlich vorkommt, dass Urteile wiederholt aus denselben Gründen aufgehoben werden, muss man sich im Einzelfall angucken, warum das der Fall ist. Aber nicht immer vermögen entsprechende Entscheidungen zu überzeugen, so dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, einer für falsch erkannten Entscheidung ggf. mit zusätzlichen Argumenten nicht zu folgen und die erneute Aufhebung in Kauf zu nehmen. Manchmal lässt sich ja auch das OLG oder BGH von Argumenten überzeugen, seine Rechtsprechung zu ändern… Auch dies ist also nicht der Untergang des Rechtsstaates.

    Wohlgemerkt, die Zustände in Eisenhüttenstadt sind mir ebensowenig bekannt wie die dortigen Kollegen, so dass ich mir dazu keinen Kommentar anmaße.

  7. 7
    Trino says:

    @ Subsumtionsautomat

    hmm … sicher gibt es Selbstüberschätzung auch unabhängig vom Beruf, aber ich sehe schon das Problem, dass gerade die Richter (fast) kein Korrektiv haben … ich weiß nicht wie verbreitet das in deutschen Gerichten ist, dass einem der Gerichtspräsident (=Vorgesetze) sagt: hör zu, da haste Mist gebaut, bieg das wieder grade ! Oder wie oft sagen einem die Kollgen aufm Flur: Oioi, da haste dich aber nicht mit Ruhm bekleckert, wenn das mal keinen Anpfiff gibt?

    Es geht auch meiner Meinung nicht um „sachlich gerechtfertigte Kritik“ … auch unsachliche Schmähkritik ist vielleicht eine Beleidigung aber kein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit! Unsachliche oder populistische Kritik ist für niemanden schön, muss aber von allen in der Öffentlichkeit stehenden Berufsgruppen als Teil des Berufs akzeptiert werden (was meinen Sie, wie Politikern oder Verwaltungsjuristen das gefällt was z.T. über sie geschrieben wird?).

    Ich zielte mit meinem Kommentar übrigens eher auf die Äußerung des bay. (oder deutschen?) Richterbundes zu der Kritik von Frau Merk am Fall Mollath ab. Sie sagte sinngemäß, dass die Haft von Mollath mit zunehmender Dauer unverhältnismäßig sein könnte und bekamm dann in einem Beißreflex des Richterbundes sofort den >Vorwurf serviert, die richterliche Unabhängigkeit zu mißachten.

    Ich hatte ja geschrieben, dass es nicht immer die Schuld des Ausgangsrichters sein muss, wenn ein Urteil aufgehoben wird, aber das macht es eben einfacher für den Richter sich bei einer Urteilsaufhebung einzureden, er hätte alles richtig gemacht. Das führt dann zu „grotesk falschen“ Urteilen (Zitat BGH) die zum zweiten Mal aufgehoben und an einen anderen Richter veriwiesen werden müssen.

    Ich denke auf die Dauer kann sich auch das Justizwesen einer Qualitätskontrolle nicht enziehen … da besteht Handlungsbedarf ! Wie geschrieben darf das durchaus gerne durch die Richter selbst geschehen, muss aber effektiv sein !

  8. 8
    T.H., RiAG says:

    @Trino

    Auch auf die Gefahr hin, dass sie mir Kritikunfähigkeit unterstellen: wenn mir mein Präsident auf eine SACHentscheidung erklären würde, ich hätte „Mist“ gebaut, würden wir uns vor dem Dienstgericht treffen, sowas würde ich mir nicht gefallen lassen. Dem Dienstvorgesetzten sind solch Eingriffe von Verfassungs wegen verboten, und das hat auch gute Gründe. Eine auch nur halbwegs unabhängige Rechtsprechung können Sie nämlich getrost vergessen, wenn es den vom Ministerium ausgesuchten Behördenleitern möglich wäre, Anweisungen zu erteilen, wie was zu entscheiden ist. Einflussmöglichkeiten gibt es im Übrigen auch so schon genug, sei es bei der Kandidatenauswahl für Beförderungsämter oder über das Beurteilungswesen. Neu eingestellte Kollegen werden anfangs halbjährlich beurteilt, das bringt eine aus Sicht der Oberen hervorrragende „Formbarkeit“ der neuen Richter mit sich. Und was die von Ihnen angesprochene Qualitätskontrolle betrifft: es gibt hierzulande, Berufungskammern, Revisionssenate, den BGH, das BVerfG und, wenn alle Stricke reißen, Wiederaufnahme und Gnadenverfahren. Dazu intrnational EuGMR und EuGH. Selbst nicht rechtsmittelfähige Entscheidungen nach § 495a ZPO können nach Karlsruhe gebracht werden. Sooo weit her ist es dann also auch nicht mit der richterlichen Allmacht. Zugeben will ich allerdings gerne, dass gegen Kritik aus der Politik eine gesteigerte Empfindlichkeit besteht. Das halte ich auch für gerechtfertigt, gibt es doch gerade von dort immer wieder Versuche der Einflussnahme, mir ist zB ein Fall bekannt geworden, in dem ein Landrat diverse Telefonate geführt hat, um für einen angeklagten Kreisrat ein „gutes Wort“ einzulegen, was erst endete, als ein Kollege androhte, das gute Wort aktenkundig zu machen. Und was die bayerische Noch-Ministerin betrifft: die Dame will mit ihrer Kehrtwende in der Sache Mollath ausschließlich den eigenen Posten retten, und sonst gar nichts. Die Unterbringung des Herrn M. hat sie lange Zeit völlig teilnahmslos für rechtmäßig erklärt; erst, als die Sache so hochgekocht wurde, dass sie als Gefahr für den Wahlkampf eingestuft wurde, kam es zu dem Sinneswandel. Eingestehen kann man so etwas natürlich nicht, also fällt man denen in den Rücken, die doch bislang nach Meinung der Frau Ministerin alles richtig gemacht haben. Das ärgert mich dann schon. Entweder man geht der Sache sofort nach, wofür in der Sache Mollath ja offensichtlich aller Anlass bestand, oder man hält sich raus. Im Übrigen wäe es auch angemessen, seine Stellungnahme zum BVerfG zuerst diesem vorzulegen, ehe man den Inhalt in der Presse herausposaunt.

  9. 9
    Trino says:

    @ T.H.

    Was wird denn im Beurteilungswesen beurteilt, wenn nicht die Qualität der Sachentscheidungen? Etwa ob die Robe frisch gebügelt ist?

    Ich hoffe Sie verstehen mich: was mich so ärgert ist nicht die Tatsache, dass Fehler passieren, sondern dass sie nicht oder nur sehr unwillig berichtigt werden. Ich meine damit nicht nur den Fall Mollath sondern auch andere (z.B. Fall Peggy (?) da wo der Familienvater angeblich von seiner Familie zerstückelt wurde).

    Dass Frau Merk praktisch alles falsch gemacht hat sehe ich auch so. Hoffentlich wird sie nach der Wahl nie wieder ein politisches Amt ausüben! Aber man kann Sensibiltät gegenüber öffentlicher Kritik nicht mit Versuchter Einflussnahme auf anderen Wegen entschuldigen. Ihr Kollege hätte gegen den Landrat Anzeige erstatten sollen ! Ja das wäre eine unangenehme Geschichte, für den Landrat und ebenso für den Kollegen! Aber nur so läuft der korrekte Weg! Und die richterliche Unabhängigkeit gibt es deswegen und genau deswegen ist sie so wichtig: dass ein Richter gegen alle Widerstände den korrekten, d.h. gesetzmäßigen Weg gehen kann!!. Die Unabhängigkeit darf keineswegs dazu führen die Richter vor Kritik zu schützen oder eine Berichtigung von Fehlern zu verhindern/erschweren!