Steuerrecht – wie es leibt und lebt

Ein Kollege berichtet über ein steuerrechtliches Problem, das er im Zusammenhang mit einer Schachtel Pralinen bekommen hat.

Er hat ein paar Nettigkeiten mit einem Schweizer ausgetauscht. Höflich, wie unsere Nachbarn aus der Oase nun einmal sind, bedankt sich der EU-Ausländer für die informelle Beratung und schickt dem Kollegen ein Packeli hochwertige Süßigkeiten.

Der Zoll schätzt den Wert der Leckereien auf knapp 70 Euro und fordert von dem Kollegen runde 10 Euro Einfuhrumsatzsteuer.

Ich kann mir gut vorstellen, daß das rechtlich alles seine (gesetzliche) Ordnung haben wird; diesen Steuerrechtlern traue ich ja mittlerweile alles zu, nur nichts Gutes.

Aber unappetitlich (um nicht ein schlimmeres Wort zu nutzen) ist sowas allemal. Was denkt ein verbeamteter Zöllner eigentlich, wenn er so einen Steuerbescheid rausschickt? Denkt der überhaupt? Oder ist sowas rein reflexgesteuert, weil man für diese Arbeit eigentlich sein Gehirn abschalten muß?

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei) veröffentlicht.

11 Antworten auf Steuerrecht – wie es leibt und lebt

  1. 1
    matthiasausk says:

    (geschätzte) 70€ für Pralinen – das muß entweder sehr viel oder etwas wirklich Feines gewesen sein.

    Hoffentlich war das Paket nicht zu lange beim Zoll und beim Paketdienst herumgelegen, nicht daß die Pralinen zwischenzeitlich hinüber sind.

  2. 2
    jemand says:

    Ja ja, das mit dem Steuern und Abgaben.

    Beim Uhrenimport ist es auch immer spannend, darauf zu warten, ob erstens überhaupt irgendetwas erhoben wird und zweitens, ob zur Einfuhrumsatzsteuer dann auch noch die eigentliche Zollgebühr erhoben wird, die so lächerlich gering ist, dass sie meistens einfach weggelassen wird.

    Hier ein paar Informationen zu Geschenken:
    http://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Zoelle/Zollbefreiungen/Aussertarifliche-Zollbefreiung/Privatsendungen/privatsendungen_node.html

  3. 3
    Jens says:

    Und er hat nicht mal Vorsteuerabzug für die Einfuhr nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG, da die Pralinen wohl eher nicht für sein Unternehmen als Rechtsanwalt bezogen wurden. Nicht nur der verbeamtete (sic!) Zöllner denkt nicht, sondern auch der verbeamtete (!) Finanzbeamte. Kill them with fire. Ein Steuerbeamter.

  4. 4
    Kleiber says:

    Wie „hochwertig“ waren die Pralinen denn, soll heißen: was kosten die denn? Ab 45 Euro Wert wird es interessant und die Einfuhrumsatzsteuer fällt an. Da kann der Zollbeamter nüscht machen, er MUSS die Abgaben erheben.

    […] Aber unappetitlich (um nicht ein schlimmeres Wort zu nutzen) ist sowas allemal. Was denkt ein verbeamteter Zöllner eigentlich, wenn er so einen Steuerbescheid rausschickt? Denkt der überhaupt? Oder ist sowas rein reflexgesteuert, weil man für diese Arbeit eigentlich sein Gehirn abschalten muß? […]

    Ein Gedankenbeispiel: eine einzelne Zigarette bringt 9,44 Cent an Tabaksteuer. Klar, könnte man drauf verzichten, Pillekram. Nur – warum sollte man als Staat auf 14 Milliarden Euro Gesamthöhe verzichten? Die Masse macht’s. Und die Pralinensendung Ihres Kollegen wird in dem Postzollamt an diesem Tag weder die einzige noch die letzte Privatsendung gewesen sein.

  5. 5
    Johannes says:

    Genau.

  6. 6
    RollatorPilot says:

  7. 7
    Axel says:

    Na da kann er ja froh sein, dass es Schokolade und kein Kaffe war.

    Nachfolgendes Zitat aus Wikipedia zur Kaffeesteuer:

    Als Besonderheit ist festzustellen, dass es keine Geringfügigkeitsgrenze gibt. Dies bedeutet, dass Privatpersonen, die Kaffee in kleinen Mengen durch Versandhandel aus dem EU-Ausland beziehen, verpflichtet sind, in Deutschland Kaffeesteuer anzumelden und abzuführen. In vielen solcher Fälle (z. B. Senseo-Pads) hat der Zoll 2007/08 Strafverfahren eingeleitet. Strafverfahren gegen Kleinkonsumenten, die per Internet Kaffee aus anderen EU-Staaten bezogen hatten, erbrachten bisher ca. 25.000 Euro an nachträglichen Steuereinnahmen (0,01–10 €/Vorgang) – bei Zollpersonalkosten von 800.000 Euro (aus: Bemerkungen des Bundesrechnungshofs 2009).

  8. 8
    RA Hellinger says:

    @ Jens:
    Doch, er hat den Vorsteuerabzug erst einmal und muss die Pralinen auch zusätzlich der Einkommensteuer unterwerfen.

    Erst wenn er die Pralinen für Zwecke außerhalb seines Unternehmens verwendet, ändert sich die ust-liche Einordnung. Er könnte jedoch die Pralinen (einzeln) z.B. seinen Mandanten mit dem „Beraterkaffee“ servieren… dann wären sie wieder Betriebsausgaben. ;-)

  9. 9
    Miraculix says:

    Der Vorsteuerabzug bleibt wie oben richtig bemerkt erhalten. Einkommensteuer fällt aber nicht an.

    @Axel
    25.000 Euro an nachträglichen Steuereinnahmen bei Zollpersonalkosten von 800.000 Euro sind doch eine Super-Quote. Ich verstehe gar nicht warum immer über unsere Beamten geschimpft wird.

    Na wenigsten dürfen die keine Praline essen, jedenfalls nicht von denen die in der Kanzlei ausliegen – wär auch schade drum :)

  10. 10
    RA Hellinger says:

    @Miraculix:
    Wieso sollte keine Einkommensteuer anfallen? Die Pralinen sind meinem Verständnis nach im Rahmen der selbständigen Tätigkeit angefallen und daher Einkünfte iSd. § 18 EStG. Aufgrund des Wertes kann man auch nicht mehr von einer reinen Aufmerksamkeit sprechen. Solche Geschenke unterliegen bei Selbständigen idR. der einkommensteuerlichen Besteuerung. Zur Erläuterung kann man auch § 37b EStG als Umkehrschluss heranziehen…

  11. 11
    Jens says:

    Mitnichten bleibt der Vorsteuerabzug erhalten:

    Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 eingeführt worden sind.

    Nun ist streitig, ob die Pralinen überhaupt die Voraussetzung der Einfuhr FÜR SEIN UNTERNEHMEN erfüllen. Hierzu wird hilfsweise § 15 Abs. 1 S. 2 UStG herangezogen: „Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt […] die Einfuhr eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

    Die Abziehbarkeit iSv. § 15 Abs. 1 UStG ist nicht erfüllt, da die FinBeh. nicht erkennen kann, wo der unternehmerische Bezug der Pralinen liegt. Daran ändert auch eine unrichtige Rechtsauffassung nichts, die eine Besteuerung durch Wertabgabenbesteuerung im Sinne §§ 3 Abs. 1, 3 Abs. 1 b UStG herbeiführen würde. Ich schließe mich der Meinung nicht an, dass erst der Verzehr eine Verwendung außerhalb des Unternehmens darstellt, da ein unternehmerischer Bezug nicht gegeben ist. Damit ist die Abziehbarkeit nicht gegeben und die Abzugsfähigkeit §§ 15 Abs. 2 UStG ff. nicht zu prüfen.

    Weiterhin erfüllt der Vorsteuerabzug in diesem Falle bei einem Rechtsanwalt §§ 369, 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, d.h. die Steuerhinterziehung durch ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs. Auf § 398 AO weise ich aber ausdrücklich hin (Einstellung wegen Geringfügigkeit).

    Zweitens: Es handelt sich ertragsteuerlich um Betriebseinnahmen § 8 Abs. 1, Abs. 2 EStG analog oder § 4 Abs. 4 EStG i.U. die in Geldeswert zufließen. Mithin bei einem Rechtsanwalt § 4 Abs. 3 EStG in Höhe der als Sachzuwendung zugeflossenen Mitteln.

    Noch Fragen?