Tief-entspannter Puffmais

Es ist für einen Strafverteidiger immer wieder eine Freude, mit Mandanten zu arbeiten, die das Gefühl für das Machbare nicht verloren haben. Als Realisten werden solche Menschen gemeinhin bezeichnet.

Wir haben dem Mandanten den Beschluß eines Oberlandesgerichts (OLG) übermittelt. Das Gericht hat der Beschwerde eines Unternehmens stattgegeben, dessen Urheberrechte der Mandant verletzt haben soll. Oder verletzt hat – die Ansicht hat jedenfalls die Strafkammer des Landgerichts ein paar Monaten zuvor vertreten.

Das Unternehmen möchte nun gern auf das Kontenguthaben zugreifen, das die Staatsanwaltschaft vor einiger Zeit bereits beschlagnahmt hat. Von wegen Schadensersatz und so. Mit der OLG-Entscheidung ist es dem Unternehmen jetzt gelungen zu verhindern, daß das Guthaben an den Fiskus geht. Für noch nicht abgeführte Steuern und für die (hoch fünfstelligen) Verfahrenskosten.

Der Mandant hat den Beschluß nur mit einem einzigen Wort kommentiert:

Popcorn

Glücklich isst ist, wer vergißt, was ohnehin nicht mehr zu bekommen ist.

Übrigens:
Das Unternehmen, von dem hier die Rede ist, stellt sich als eine Non-Profit-Organisation dar, die angeblich zur Unterstützung eines Open-Source-Projekts ins Leben gerufen wurde. Non-Profit also auf Kosten der Landes- und/oder Justizkasse. Als Ersatz für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist (§ 97 Absatz 2 Satz 3 UrhG). Sowas ähnliches wie Schmerzensgeld also; dafür, daß der Mandant eine Software verteilt hat, die von anderen auch nur kostenlos verteilt wird. Für Strafrechtler – einschließlich Strafrichter und Strafverfolger, nicht nur für Strafverteidiger – nur ganz schwer verständlich.

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten veröffentlicht.

7 Antworten auf Tief-entspannter Puffmais

  1. 1
    Koff says:

    Die Texte hier werden doch auch kostenlos verteilt, oder etwa nicht? ;)

    Mal abgesehen von entgangenen Werbeeinnahmen (kein Besuch der Originalwebsite zum Download) werden auf Drittanbieterseiten die Programme oft mit Adware/Spyware/wasauchimmer versetzt. Oder man benötigt einen speziellen Downloadmanager (welcher wiederum zu 90% aus Adware besteht). Oder es wird einem ein kostenpflichtiges Abo untergeschoben, um das Programm gratis runterzuladen. Auch hat der Hersteller keine Kontrolle darüber, ob eine aktuelle Version des Programms angeboten wird. Gründe gibt es also genügend, die Verbreitung auf den eigenen Server zu beschränken, und sei es nur zur Wahrung des eigenen Rufs.

  2. 2
    le D says:

    dafür, daß der Mandant eine Software verteilt hat, die von anderen auch nur kostenlos verteilt wird.

    Hätte auch der Mandant gefahrlos machen können, wenn er sich denn dabei an die Lizenzbedingungen gehalten hätte. Wenn er sich nicht daran gehalten hat, dann darf er die Software nicht verteilen. Das ist dann nicht nur ein zivilrechtlicher Klops, sondern auch Dein Bereich …

    • Wenn es nicht mein „Bereich“ gewesen wäre, dann wäre er nicht mein Mandant. Das klopsige Zuvielrecht ist nichts für mich. ;-) crh
  3. 3
    Thomas says:

    Ich habe ja mit Strafrecht wenig zu tun. Neulich hatte ich allerdings mal einen Fall, in dem wir ein betrügerisches Vorstandsmitglied (auch) strafrechtlich verfolgt haben. Die StA hat (ehrlicherweise: zu meiner Überraschung) auch Arreste über das Vermögen des Vorstandsmitglieds zum Schutz der Geschädigten erwirkt, was für uns natürlich sehr fein war.
    Meine Vermutung wäre ja, dass jedenfalls der Fiskus (als Gläubiger) am gesicherten Vermögen partizipieren kann, oder?

    • Wenn der Arrest / die Beschlagnahme nicht der Rückgewinnungshilfe dient und das Vermögen ganz oder teilweise der Einziehung unterliegt, fließt es am Ende in die Landeskasse. Liegen die Voraussetzungen vor, kann die (Justiz-)Kasse – z.B. nach einer Verurteilung – auch die entstandenen Verfahrenskosten aus dem Vermögen auf dem Wege der Aufrechnung befriedigen.

      Zu einer umfassenden strafrechtlichen (Standard-)Beratung eines Beschuldigten gehört es daher stets, daß der Verteidiger ihn auf solche möglichen Folgen eines Ermittlungsverfahrens hinzuweist, solang der Arrest bzw. die Beschlagnahme noch nicht erfolgt ist.

      In Ihrem Fall hatte der Beschuldigte entweder keine Zeit mehr dazu oder einen Verteidiger, der ihm diesen Hinweis nicht gegeben hat. Oder er hat seinem Verteidiger nicht geglaubt. 8-)

      crh

  4. 4
    schneidermeister says:

    Von anderen auch nur kostenlos verteilt wird

    Hat denn der Mandant „auch nur kostenlos“ verteilt oder einen kleinen Sternchenhinweis mit Abovereinbarung angebracht und so sein Konto derart aufgebessert, dass es sich lohnte, das Konto dichtzumachen?

  5. 5
    icke says:

    Ach? und der Verurteilte hat die kostenlose Software nicht zufällig teuer verkauft, indem er eine Abofalle betrieb? Popcorn!

  6. 6
    Ablage P says:

    Der Zen-Meister sagt: „Man wird sehen.“ (Einfach mal googeln.)

    Vielleicht ergibt sich aus dem Beschluss ja eine schöne Achterbahnfahrt.

  7. 7
    Engywuck says:

    non-profit heißt ja nur, dass das Unternehmen selber nicht gewinnorientiert ist.
    Wenn es die Einnahmen aus dem Streit also komplett an das unterstützte Projekt weiterleitet bleibt non-profit bestehen.Egal ob nun „auf Kosten der Justizkasse“ oder nicht.
    Die Justiz hat sicher andere Möglichkeiten an das Geld heranzukommen (oder wurde wirklich alles Geld beschlagnahmt und der Beklagte hat gar nichts mehr?