Monatsarchive: Januar 2014

Ein ganz schwieriges Ende

Das Verhältnis zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten beginnt meist mit der Auftragserteilung. Das Ende wird von der Art des Auftrags bestimmt; geht es um die Vertretung einem gerichtlichen Verfahren, liegt in der Regel zeitlich nach der Entscheidung des Gerichts. Soweit erst einmal der unproblematisch Normalfall.

Wie sieht es aber aus, wenn der Anwaltsvertrag vor Erledigung des Auftrags beendet werden soll? Dieser Problemfall wurde kürzlich auf der Mailingliste für Rechtsanwälte erörtert.

Es ging – erwartungsgemäß – um’s Honorar. Der Mandant hatte nicht gezahlt, der Anwalt wollte daher nicht weiter arbeiten. Beim Klempner oder KFZ-Mechaniker ist das ganz einfach: Wenn der Auftraggeber nicht zahlt, bleibt das Werkzeug im Kasten. Und gut ist.

Der Zivilrechtler hat da ein ernsthaftes Problem, wenn er es richtig machen möchte. Wie man es richtig macht, beschreibt ein versierter Kollege:

Er schickt voraus, daß das Mandatsverhältnis von beiden Parteien grundsätzlich jederzeit kündbar sei, § 627 Abs. 1 BGB. Aber da geht es schon los mit den Problemen:

Die Kündigung zur „Unzeit“ ist nicht mehr „Jederzeit“, der Mandant muß noch genügend Zeit haben, sich anderen Anwalt zu besorgen, § 627 Abs. 1 1. Alt. BGB. Die Unzeit verkürzt sich aber zulasten des Mandanten, wenn er einen „wichtigen Grund zur Kündigung“ geliefert hat, § 627 Abs. 2 2. Alt. BGB.

Ein wichtiger Grund ist eine schwere Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant, aufgrund derer dem Anwalt die Fortsetzung des Mandats nicht zugemutet werden kann, z. B. bewusst fehlerhafte lnformationserteilung, unbegründete oder formell unangemessene Vorwürfe, Weisungen, die vom Anwalt ein rechtswidriges Verhalten fordern, belehrungsresistentes Festhalten des Mandanten an offenkundig aussichtslosen Rechtspositionen, Nichtzahlung angeforderter Gebührenvorschüsse trotz Ankündigung der Mandatsniederlegung.

Wenn eine dieser (von Rechtsanwalt Holger Grams hier (PDF) genannten) Gründe vorliegt, ist der Anwalt aber zunächst einmal nur in der Startposition.

Dann fängt die Arbeit erst richtig an. Der Zivilist kann jetzt nicht einfach schreiben

„Ich kündige!“

und fertig. Auch wenn der Mandant ihn nicht bezahlt hat, muß er liefern, und zwar nicht zu knapp:

    Hinweis
    auf den „Anwaltsprozess“ (§ 87 ZPO), nämlich darauf, daß Mandant sich anwaltlich vertreten lassen muß, da er nicht postulationsfähig ist, so daß das Gericht seinen Vortrag und seine Anträge nicht zur Kenntnis nehmen darf. Das ist in der Regel ausführlich darzustellen, damit der juristischen Laie das auch versteht.

    Hinweis,
    daß ein Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und zur Durchführung einer Beweisaufnahme ansteht. Und zwar mit exakter Zeit- und Ortsangabe, auch wenn der Mandant bereits vom Gericht eine Ladung erhalten hat.

    Hinweis
    auf ein Versäumnisurteil oder die Entscheidung nach Lage der Akten, wenn er in diesem Termin nicht durch einen Anwalt vertreten ist.

    Hinweis
    darauf, dass noch Fristen offen sind, er also noch rechtzeitig durch seinen neuen Anwalt vorgetragen lassen muß, da eigener Sachvortrag des Mandanten nicht vom Gericht nicht berücksichtigt wird.

    Hinweis
    darauf, daß im Falle nicht rechtzeitigen Sachvortrags allein schon deswegen Prozessverlust droht.

    Hinweis
    darauf, daß sich der Vergütungsanspruch nach § 628 BGB richtet und durch die fristlose Kündigung nicht untergeht.

So ein Kündigungsschreiben kann also durchaus schon mal einen halben Arbeitstag in Anspruch nehmen. Arbeitszeit, die dem Anwalt nicht vergütet wird. Bei Steuerberatern sieht das wohl ähnlich aus, schreibt OStA Raimund Weyand hier.

Der hilfsbereite Kollege auf der Mailingliste schrieb zum Schluß

Mehr fällt mir momentan nicht ein.

Dazu fällt mir auch nichts mehr ein, jedenfalls nichts, was zitierfähig wäre.

Strafverteidiger haben es da wesentlich einfacher, jedenfalls immer dann, wenn es um die Vergütung geht. Die Dienstleistung des Verteidigers erfolgt, wenn die Gegenleistung des Mandanten erfolgt ist. Somit entfällt der häufigste Anlaß für die vorzeitige Beendigung eines Mandats gleich zu Beginn.

Exkurs zum Schluß:
Die Kostenhinweise unserer Kanzlei.

Danke an den freundlichen Hinweisgeber für seine Zustimmung zu diesem Beitrag!

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Gesperrter Regimeanwalt

Keine Überraschung:

Gesperrter-Regimeanwalt

Nur die Dauer, bis die Seiten vom Netz genommen wurden, ist bemerkenswert.

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Armer Zeuge – Oder: Wie man sich Freunde macht

Derjenige, der sich am ehesten darüber ärgert, daß er im Rahmen eines Strafverfahrens seiner staatsbürgerlichen Pflicht nachkommt, ist der Zeuge. Mit diesem Beitrag möchte ich die Umfrage vom heutigen Vormittag beantworten.

499444_web_R_by_siepmannH_pixelio.deWie es einer Zeugin ergehen kann, die sich hilfsbereit zur Verfügung gestellt hat, berichtet Sebastian Heiser in der taz. Eigentlich wollte sie nur einem armen Rollerfahrer dabei helfen, zu seinem Recht zu kommen. Statt dafür Lob, Dank und Anerkennung zu erhalten, findet sie sich in einem kafkaesten Verfahren wieder und hat nun einen finanziellen Schaden, den der Molloch Moabit und seine stumpfen Rechtspflegel ihr nicht ersetzen wollen.

Die Konsequenz aus dieser Geschichte beschreibt Sebastian Heiser:

Melanie Knies sagt, sie werde sich in Zukunft gut überlegen, ob sie sich bei einem kleineren Verkehrsunfall noch einmal als Zeugin zur Verfügung stellt.

Ich bin sehr sicher, diese Überlegung stellt diese arme Zeugin künftig nicht nur bei kleinen Unfällen an.

Das Thema hatte ich vor ein paar Monaten bereits anhand eines anderen Falls besprochen. Es ging um eine Fahndungslüge, die zu sizilianischen Verhältnissen geführt hat.

Die Fortsetzung dieser Geschichte entwickelte sich für den polizeilich belogenen Zeugen noch höchst unerfreulich.

Er war nun vor Gericht und wollte aber nicht mehr aussagen. Statt dessen schimpfte er – zur Recht, wie ich meine – lautstark über den lügenden Polizeibeamten (und über mich, aber das ist ein anderes Thema) und wurde schließlich unter Androhung empfindlicher Übel vom Gericht dazu gezwungen, das auszusagen, was er dem Lügner Polizeibeamten bereits freiwillig anvertraut hatte.

Ein paar Termine später platzte der Prozeß (wegen Erkrankung eines Richters) und die Beweisaufnahme mußte wiederholt werden. Der Zeuge bekam erneut eine Ladung. Es war zu erwarten: Er erscheint kein zweites Mal freiwillig vor Gericht. Deswegen beantragte die Staatsanwaltschaft ein Ordnungsgeld.

Zusammen mit dem Ordnungsgeldbeschluß bekam der Zeuge dann eine erneute Ladung. Und er erschien wieder nicht. Er hatte schlicht die Faxen dicke. Aber aus der Nummer wollte (und konnte) das Gericht ihn jetzt nicht mehr rauslassen.

Deswegen wurde er zu einem weiteren Termin morgens um halb Sieben von freundlichen Polizeibeamten …

Ziehen Sie sich mal schnell was über, Sie kommen jetzt mit!

… aus dem Bette geholt und ohne Caffè zum Gericht gekarrt.

Da nun zum einen sicher gestellt werden soll, daß der Zeuge jetzt nicht doch noch im Gericht abhaut, andererseits seine Vernehmung erst gegen 11 Uhr angesetzt war, sperrte man ihn in eine Vorführzelle: 1 Meter mal 2 Meter, halbdunkel, ein Brett als Sitzmöglichkeit, Stahltür. Moabit live aus dem 18. Jahrhurndert eben.

Gegen 11:30 Uhr wurde der Zeuge dann von zwei (einer reichte nicht aus, um seinen Zorn zu bändigen) Wachtmeistern aus der Zelle geholt und in den Gerichtssaal gebracht. Bis 12 Uhr hat sein Gezeter gedauert, dann ging ihm die Puste aus. Er machte seine Vier-Satz-Aussage und war „mit Dank entlassen“. Ohne Fahrgeld, zurück in den Wedding. Zu Fuß.

So geht unsere Justiz mit dem Wertvollsten um, das ihr in den meisten Beweisaufnahmen zur Verfügung steht. Sie hindert die Zeugin am Geldverdienen, verweigert ihr den Ausfall-Ersatz (so wie in dem von Heiser geschilderten Fall) oder wendet Zwang an und sperrt ihn in dunkle Löcher (so wie in dem von mir beschriebenen Fall).

Es gibt weitere, zahlreiche üble Unarten, wie die Gerichte Zeugen traktieren. Ich bin nicht weit von der Warnung entfernt, sich als Zeuge in einem Verfahren zur Verfügung zu stellen. Dazu aufrufen, sich freiwillig als Beweismittel zu melden, werde ich aber auch nicht.

Nebenbei:
Es ist nicht auszuschließen, daß die Zeugin Melanie Knies wegen desselbens Unfalls, den sie beobachtet hat, nochmal zum Gericht muß: Vielleicht in der Berufungsinstanz zum Strafgericht. Oder zum Zivilgericht, weil der Rollerfahrer gegen den Unfallgegner klagt. „Mein“ Zeuge wird eher nicht mehr gebraucht.

Bildquellenangabe: siepmannH / pixelio.de

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Meinungs-Umfrage: Wer ärgert sich am meisten?

Strafprozesse machen nur den wenigsten Menschen Freude, die Verhandlungen vor Gericht sind den meisten Menschen ein Ärgernis.

Es stellt sich – nicht nur mir – die Frage: Wem geht es wohl am ehesten quer den Hals runter, wenn er die Mitteilung bekommt, er möge morgens um 9 Uhr beim Strafgericht vorstellig werden:

Wer bekommt den dicksten Hals bei der Ladung zum Strafgericht?

  • Zeuge (41%, 81 Stimmen)
  • Angeklagter (19%, 38 Stimmen)
  • Richter (10%, 19 Stimmen)
  • Verteidiger (9%, 18 Stimmen)
  • Wachtmeister (8%, 15 Stimmen)
  • Schöffe (6%, 11 Stimmen)
  • Sachverständiger (4%, 8 Stimmen)
  • Staatsanwalt (3%, 6 Stimmen)
  • Dolmetscher (3%, 5 Stimmen)

Gesamte Stimmen: 199

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(Umfrage um 17:20 Uhr geschlossen. crh)

Für Begründungen und Hinweise kann die Kommentarfunktion genutzt werden. Die Auflösung mit einer belegten Begründung liefere ich dann heute Nachmittag gegen 17 Uhr.

Update/Auflösung:
Eine zutreffende Beschreibung liefert ein ehemaliger Zeuge und heutiger Richter hier unten in den Kommentaren. Den ganzen Wahnsinn anhand zweier Beispiele, wie sich sowas auswachsen kann, kann man in dem nachfolgenden Beitrag lesen.

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Der zerbrochene Krug

Den Mandanten haben wir in unserer Kanzlei seit vielen Jahren. Es fing damit an, daß die Polizei ihm sein Motorrad weggenommen hatte, weil er damit so zügig unterwegs war, daß die vier Streifenwagen ihm nicht folgen konnten, als er auf dem Hinterrad über den Supermarktparkplatz zwischen zwei Begrenzungspillern hindurch schlüpfte. Das war Ende der 90er. Das Mopped – eine wunderschöne Yamaha R1 – hat er zurück bekommen, es gab ein paar Flens und gut war’s.

In der Zwischenzeit bis heute kam er immer mal wieder vorbei, ähnliche Delikte, auch mal etwas mehr als nur eine kleine OWi. Stets hart an der Kante und dauerhaft ein gut gefülltes – aber knapp nie überfülltes – Konto in Flensburg. Mit viel Arbeit ist es uns gelungen, über die langen Jahre für den Erhalt seiner Fahrerlaubnis zu sorgen.

Nun aber ist der Krug – ein 7er BMW – auf dem Weg zum Brunnen zerbrochen:

Schade

Da hilft erstmal kein Verteidiger mehr. Und es sieht auch nicht so aus, als würde das eine problemlose Wiederteilung der Fahrerlaubnis geben, wenn die Sperrzeit abgelaufen ist.

Aber der Mandant ist ein optimististisches Stehaufmännchen und ich rechne damit, daß er bald wieder sein Mopped bei uns vor der Kanzleitür parken wird.

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