Monatsarchive: Februar 2014

Gnadenerweis übers Notruftelefon

Ein Anruf über unser Notruftelefon:

Anrufer teilt mit: In seiner Sache wurde das Gnadengesuch angenommen.

Das muß wohl gestern bei ihm in der Post gewesen sein. Motivation für mich, dann heute doch nochmal kurz in die Kanzlei zu fahren, um unseren Posteingang zu checken. Und um ein Kerzlein anzuzünden.

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Fall Edathy: Pressekonferenz der StA Hannover

Am 14.02.2014 hat es eine Pressekonferenz der der Staatsanwaltschaft Hannover gegeben, in der Jörg Fröhlich für die Ermittlungsbehörde Auskünfte über das Ermittlungsverfahren, dessen Einleitung und dessen aktuellen Stand gegeben.

In dieser gut eine Stunde andauernden Konferenz erfährt der (geduldige) Zuhörer Einiges über die Art und Weise, wie eine Staatsanwaltschaft an so ein prickelndes Verfahren herangeht. Ich habe es – losgelöst vom konkreten Fall – als sehr kurzweilig empfunden und wieder etwas mehr über die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft gelernt.

Meine Empfehlung daher: Die gute Stunde vor dem Monitor lohnt sich.

Auffallend ist, wie häufig in kritischen Fällen, die felsenfeste subjektive Überzeugung der Staatsanwaltschaft, alles richtig gemacht zu haben. Wenn überhaupt Fehler gemacht wurden, dann nicht von dieser Staatsanwaltschaft, und wenn doch, dann nicht von diesem Staatsanwalt. Aber wahrscheinlich sind es ganz andere (unbekannte), bei denen die Informationen durchgesickert sind, daß gegen Herrn Edathy ermittelt wurde.

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American Dream für deutsche Kiffer?

Freiheitsstatue_NYC_fullEs mag mit der Zeit zusammen hängen, in der ich versucht habe zu vermeiden, erwachsen zu werden. Das Zeug, was aus den USA zu uns rüberschappte, hat mir damals nicht gefallen und gefällt mir heute immer noch nicht. Ich trinke keine Coca Cola, esse nicht bei McDonald’s und fahre keine Harley.

Jetzt scheint es aber einen amerikanischen Trend zu geben, der mir gefallen könnte: Die beginnende Legalisierung von Marihuana.

Wer möchte, bekommt heute bereits in 18 Bundesstaaten und auch in der Hauptstadt Washington Cannabis auf Rezept. Welche Krankheit man haben muß, um an das Dope kommen, ist noch unterschiedlich geregelt. Die einen möchten erst eine Krebsdiagnose, in California reicht schon ein „Ich habe Rücken“.

Die Bundesstaaten Colorado und Washington verlangten Ende 2012 in einem Referendum die komplette Freigabe für alle Erwachsene.

Und selbst der Präsi räumt ein, ein Cannabiskonsument gewesen zu sein. Wenn man manchem bayerischen Hardliner glauben mag, ist er es immer noch: Einmal Kiffer, immer Kiffer. Auch wenn Barak O. aktuell wieder zurück rudert und das Rauchen von Marihuana als „schlechte Idee“ und „Laster“ bezeichnet.

Laster hin, Betäubungsmittelgesetz her. Ich habe das Kiffen auch schon vor langer (rechtsverjährter!) Zeit aufgegeben. Deswegen kommt dieser neue Trend aus den USA für mich zu spät. Aber vielleicht erlebe ich dann doch noch das Ende dieser Prohibition bei uns.

Denn wenn jetzt schon den Banken in den USA erlaubt wird, (mittelbar) mit Cannabisprodukten zu handeln, dann kann es nicht mehr lange dauern, bis auch die Deutsche Bank Existenzgründungs-Darlehen an Drogen-Händler vergibt.

In diesem Sinne: Prost!

Weiterführende Hinweise in der Springer Presse, z.B. hier und hier.

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Bilderrätsel zu einem Bußgeldverfahren

Ein Bußgeldverfahren in vier Bildern:

1. Die Tat

Verteidiger-OWi-1

2. Die Verräter

Verteidiger-OWi-2

3. Die Subsumtion

Verteidiger-OWi-3

4. Der Täter

Verteidiger-OWi-4

5. Die Folgen

Was kam dabei heraus?


     

 

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Die Auflösung nebst Auszug aus der Verteidigungsschrift kommt in Kürze.

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Eine Frage zuviel

Unter dem Titel „Manche Fragen sollte man sich als Verteidiger verkneifen“ berichtet der Kollege Müller auf „Kanzlei und Recht“ über den Kardinalfehler eines Strafverteidigers. Dazu fällt mir folgende Begebenheit ein:

Szene:
Tatvorwurf: Körperverletzung, Hauptverhandlung, Beweisaufnahme, Zeugenvernehmung

Richter:
Haben Sie denn gesehen, wie der Angeklagte dem Geschädigten das Ohr abgebissen hat?

Zeuge:
Nein, das konnte ich nicht gar nicht sehen.

Richter:
Ich habe keine Fragen mehr an den Zeugen.

[…]

Staatsanwalt:
Sind Sie sich ganz sicher, daß Sie das nicht gesehen haben?

Zeuge:
Na klar, ich hatte mich doch da gerade mit meiner Frau unterhalten und stand mit dem Rücken zum Angeklagten.

Staatsanwalt:
Ich habe keine Fragen mehr an den Zeugen.

[…]

Verteidiger:
Ja, was haben Sie denn überhaupt gesehen?!

Zeuge:
Ich habe gesehen, wie der Angeklagte das Ohr wieder ausgespuckt hat.

[…]

Ich darf gespannt sein, wie der Kollege nun plädieren wird …

schrieb Rechtsanwalt Müller. Mit Recht.

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Verurteilungsbegleiter

Ein Überraschungs-Fax vom Haftrichter: Er hat mich zum Pflichtverteidiger bestellt. Mein neuer Mandant ist beim Klauen eines abgeschlossenen Fahrrades erwischt worden. Versuchter Diebstahl im besonders schweren Fall, §§ 242, 243 Abs. 1 Ziff. 2 StGB iVm §§ 22, 23 StGB, und das unter den wachsamen Augen zweier Polizeibeamter.

An sich wäre das kein ausreichender Grund für einen Untersuchungshaftbefehl. Allerdings hat der Mandant keinen festen Wohnsitz in Deutschland. Das hingegen reicht in Berlin für die Untersuchungshaft: Der Ausländer als personifizierte Fluchtgefahr sozusagen. Auch wenn er – wie hier – keine Vorstrafen hat. Der Haftbefehl wurde vollstreckt und der Mandant in eine Zelle der Moabiter Untersuchungshaftanstalt gesperrt.

Man – d.h. der Verteidiger – kann sich nun auf die Hinterbeine stellen und mit allerlei Rechtsprechung zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz argumentieren. Das hilft vielleicht der Rechtsfortbildung weiter. Nicht aber dem in seiner Zelle schmorenden Mandanten.

Also Wahl des praktikablen Wegs

Step One:
Zunächst mal der Antrag auf mündliche Haftprüfung und Akteneinsicht. Dieser Haftprüfungsantrag ist der ultimativer Beschleuniger. Und zwar wegen des § 118 Abs. 5 StPO. Diese dort festgeschriebene 2-Wochen-Frist bringt Schwung in die Bude der Ermittler. Denn bekommt der Verteidiger bis zum Haftprüfungstermin die Akte nicht, hat der Haftrichter ein massives Problem mit der Aufrechterhaltung des Haftbefehls.

Step Two:
Und dann der Anruf beim Staatsanwalt, der in diesem Fall aber auch nicht von gestern war, er kannte das ultimative Gegenmittel: Sofortige Fertigstellung der Anklageschrift. Das war in diesem Fall kein Problem, weil der Sachverhalt mehr als eindeutig war. Und dann ab mit der Anklage und der Ermittlungsakte zum Amtsrichter. Das genau war das Ziel meines Anrufes.

Step Three:
Der arme Richter muß nun zusehen, wie er mit der 2-Wochen-Frist klarkommt. Deswegen ruft er beim Verteidiger an, wenn er – wie in diesem Fall – erfahren genug ist. Vereinbarung eines Hauptverhandlungstermins innerhalb von 5 Tagen (Freitag bis Mittwoch, also inklusive Wochende und Freitagnachmittag), sofortige Zustellung von Anklage und Ladung unter Verzicht auf die Einhaltung aller Fristen, nachdem der Verteidiger den Haftprüfungsantrag zurück genommen hat.

Step Four:
Im Termin wird die Anklage verlesen, der Mandant erklärt über seinen Verteidiger ein „schlankes“ Geständnis, der Staatsanwalt beantragt eine Freiheitsstrafe von 4 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Der Verteidiger schließt sich den überzeugenden Worten des Staatsanwalts an und beantragt nur die Aufhebung des Haftbefehls.

Step Five:
Das Gericht verkündet das Urteil, 4 Monate zur Bewährung, erklärt auuuuuuuusführlich die Folgen einer etwaigen weiteren Straftat während der Bewährungszeit, hebt dann erst den Haftbefehl auf. Der Mandant wird noch im Saal aus der Haft entlassen.

Wenn ich jetzt so zurück blicke, ist das der klassische Fall einer schieren Verurteilungsbegleitung. Im Haftbefehl standen quasi schon die Urteilsgründe. Der Spielraum einer Verteidigung war so gut wie nicht vorhanden. Ziel konnte also nur sein, so schnell wie möglich zu einem Urteil zu kommen. Richtig wohl ist mir bei so einem Verfahren nicht. Aus dogmatischen Gründen. Aber mit Dogmen wäre dem inhaftierten Mandanten nicht geholfen.

Finish:
Alle sind zufrieden: Der Fahrradfahrer hat sein Fahrrad behalten, die Polizeibeamten haben ein Erfolgserlebnis, der Staatsanwalt eine erledigte Akte, der Richter ein Urteil mit einer zweizeiligen Begründung, der Angeklagte hat nach knapp 2 Wochen Haft seine Freiheit zurück und der Verteidiger hat einen dankbaren Mandanten.

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Notwendige Verteidigung wegen notwendiger Akteneinsicht

Gottfried Gluffke hat mich mit seiner Verteidigung in der Berufungsinstanz beauftragt. In der ersten Instanz ist er verurteilt worden. Der Vorwurf war eine gefährliche Körperverletzung.

Gluffke hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten. Und er hat sich gedacht, weil er unschuldig ist, brauche er auch keinen Verteidiger. Das hat der Richter am Amtsgericht ganz ähnlich gesehen, aber nur in Hinblick auf den Verteidiger, nicht in Bezug auf die Unschuld.

Erwartungsgemäß sieht der Gluffke anders, deswegen auch die Berufung. Ich habe mich beim Gericht für ihn gemeldet und beantragt, mich zu seinem Pflichtverteidiger zu bestellen. Aus meiner Antrags-Begründung:

Bereits in der ersten Instanz hätte Herrn Gottfried Gluffke ein Pflichtverteidiger bestellt werden müssen, weil es sich vorliegend um einen Fall der notwendigen Verteidigung handelt.

Es sind hier mehrer Zeugen anzuhören, die in sich widersprüchliche Angaben gemacht haben und deren Aussagen sich untereinander widersprechen. Der Mitangeklagte war verteidigt. Die Sachlage war ohne Aktenkenntnis für Herrn Gluffke nicht überschaubar, so daß er auf eine durch einen Verteidiger vermittelte Akteneinsicht angewiesen war und ist.

Daran hat sich im Grunde auch in der Rechtsmittelinstanz nichts geändert. Es ist damit zu rechnen, daß der (frühere) Mitangeklagte mit einem Zeugenbeistand vor Gericht erscheinen wird. Es ist zu erwarten, daß die Zeugen weitere Varianten des Vorgangs schildern.

Zudem muß Herrn Gluffke ermöglicht werden, die Aussagekonstanz anhand der Vernehmungs- und Sitzungsprotokolle prüfen zu können, weshalb ihm die Akteneinsicht mittels eines Verteidigers gewährt werden muß, der ihm den Akteninhalt erläutert.

Zudem ist eher wahrscheinlich, daß ein Sachverständigengutachten zur Frage der Schuldfähigkeit notwendig werden wird.

Ergänzen sollte ich vielleicht noch, daß der Mitangeklagte (Wilhelm Brause, wer sonst? ;-) ) in der ersten Instanz geständig war und das Urteil für ihn rechtskräftig geworden ist.

LG Berlin Beschluss vom 04.02.2014, 581 Ns 13_13

Nun reagiert das Gericht und gibt meinem Antrag – für mich einigermaßen überraschend – statt:

Zwar stellt sich die Rechtslage nicht als schwierig dar. Doch ist die Sachlage als schwierig zu bewerten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass umfassende Akteneinsicht zur sachdienlichen Verteidigung mit Blick auf die Angaben der Belastungszeugen notwendig ist.

Eine knappe, aber durchaus zutreffende Entscheidung des Landgerichts: LG Berlin, Beschluß vom 04.02.2014, 581 Ns 13/13 (PDF).

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Moral ist wichtig. Muß man doppelt haben.

Wer über lange Jahre hinweg den ultimativen Moralapostel (m/w) gegeben hat, für den (m/w) sind die Konsequenzen besonders heftig, wenn man ihm (m/w) in eigener Sache unmoralisches Verhalten nachweisen kann. Ja, ich schreibe über Frau Alice Schwarzer (m/w).

Die in Ehren (das meine ich ernst!) alt gewordene Journalistin hat sich in meinen Augen spätestens seit dem Strafverfahren gegen Herrn Kachelmann als ernst zu nehmende Journalistin disqualifiziert. Mit ihrem erbärmlichen „Versuch“ (oder sollte ich Wahndelikt schreiben?), sich als Gerichtsreporterin bei der BILD einen Namen zu machen, hat Frau Schwarzer eindrucksvoll belegt, daß Altwerden nicht in jedem Fall etwas mit zunehmender Weisheit zu tun hat.

Aber es ist ihr zumindest hervorragend gelungen, im Sumpf des Boulevard nicht aufzufallen; sie hat das dortige Niveau gehalten (wenn’s hoch kommt): Das, was sie über den Strafprozeß geschrieben hat, zeigt, sie hat vom Strafrecht ebenso viel Ahnung, wie das Nachtschattengewächs aus dem Inkareich, an das ich in Form des Sejerlänner Riewekooche gute Erinnerungen habe. Auf dieser intellektuellen Höhe vermarktet sie sich und Ihre Straftaten nun selbst.

Frau Schwarzer ist bei einer 30 Jahre andauernden Steuerhinterziehung erwischt worden. Nun aber nicht so, wie sie es gern gehabt hätte. Und darüber jault sie auf:

Ja, ich hatte ein Konto in der Schweiz. Seit Jahrzehnten, genauer: seit den 1980er Jahren. Und erst im vergangenen Jahr habe ich es bei meinem Finanzamt angezeigt.

Frau Schwarzer nutzt einen Begriff aus der Abgabenordnung: Anzeige, Selbstanzeige nach § 371 AO:

Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO bestraft.

Ein Unikum im deutschen Straf(prozeß)recht.

Sie schreibt weiter:

Inzwischen ist alles legal.

Denn sie habe

unaufgefordert die Initiative ergriffen […], ihr Konto in der Schweiz zu legalisieren

Alles sei wieder gut: Sie habe …

den Fehler wieder gutgemacht. [Sie] habe für die letzten zehn Jahre gesamt rund 200.000 € Steuern nachgezahlt, plus Säumniszinsen. Der Fall ist damit auch aus Sicht der Steuerbehörde bereinigt.

Alles gut? Nein, das ist genauso dummes Zeug, was sie da schwätzt, wie das in der Bildzeitung zum Fall des Herrn Kachelmann.

Unaufgefordert?
Von wegen, Sie hatte einfach Schiss, daß ihr Name auf einem dieser geklauten und gehehlten Datenträger aus der Schweiz auftaucht. Feigheit und fehlende Eier waren die Motive für diese Selbstanzeige. Das ist nur durch die juristische Brille „Freiwilligkeit“, Moral sieht anders aus.

Kaltes Kalkül!
Dieser § 371 AO ist der in eine Rechtsnorm gegossene Ausdruck der Verlogenheit. Der Rücktritt vom vollendeten Delikt gegen Geldzahlung führt im Steuerrecht zur Straflosigkeit. Das ist so, als würde der Schläger nach seiner Tat zum Opfer sagen: „Och, das tut mir jetzt aber Leid!“, ihm 50 Euro für die zahnärztliche Versorgung zwischen die nicht mehr vorhandenen Zähne stecken und deswegen nicht mehr bestraft würde (denken Sie das Beispiel mal mit einer Sexualstraftat durch!). Von dieser Regelung hat Frau Schwarzer Gebrauch gemacht. Das ist keine Sternstunde einer vollendeten Moral.

Alles wieder legal?
Legal bedeutet in diesem Zusammenhang, daß die Straftat nicht bestraft werden kann, und keine Steuerschulden mehr offen sind. Und wie sieht das aus mit der Moral? Frau Schwarzer hat für 10 Jahre nachgezahlt. Und was ist mit den anderen, davor liegenden 20 Jahren? Yup, wegen der Straftaten in dieser Zeit kann Frau Schwarzer nicht bestraft werden. Sie muß auch nichts von den 20 Jahre lang hinterzogenen Steuern nachzahlen. Über diese Zeit ist Gras gewachsen. Das Gras der Verjährung. Eine Wiese, auf der das Unmoralkraut meterhoch steht.

Diese unmoralische Person schwingt sich nun auf, und reklamiert die Verletzung ihrer Persönlichkeit und den Mord ihres Rufes. Weil die Medien, der Spiegel, aufgedeckt haben, daß die Moral-Ansprüche, die Frau Schwarzer an andere hat, für sie selbst keine Geltung haben. Sie beweint die Verletzung des Steuergeheimnisses durch die Journalisten des Spiegel.

Das Steuergeheimnis hat der Gesetzgeber aber nicht dazu installiert, um eine Person, die sich mit Macht in das Licht der Öffentlichkeit gedrängt hat, um ihr Moral zu lehren, dann vor eben genau dieser Öffentlichkeit zu schützen, wenn sie als nicht mehr bestrafbare Straftäterin unterwegs war.

Der Fall ist damit auch aus Sicht der Steuerbehörde bereinigt.

… möchte Frau Schwarzer uns nun glauben machen. Ist er nicht!

Ich kann nicht einschätzen, ob sie (wieder einmal?) gelogen hat oder ob sie – als Bildzeitungsreporterin – einfach nur keine Ahnung hat von dem, was sie da schreibt.

Anders als von der Journalistin Alice Schwarzer in der vergangenen Woche behauptet, ist ihr Verfahren auch nach einer Selbstanzeige und Steuernachzahlung nicht beendet. Die Finanzbehörden prüfen derzeit noch, ob Schwarzers Selbstanzeige vollständig ist und sie damit vor Strafverfolgung bewahrt.

lese ich im Spiegel.

Die Frage, ob für die Steuerhinterzieherin die strafbefreiende Wirkung ihrer Selbstanzeige eintritt, ist noch unbeantwortet. Das ist auch nachvollziehbar. Denn wenn sie erst gegen Jahresende die Hosen runterlassen hat, dann ist nicht damit zur rechnen, daß binnen weniger Wochen das gegen sie eingeleitete Strafverfahren wieder beendet wurde.

Merkwürdig ist, daß Frau Schwarzer die Legalisierung ihrer eingeräumten Straftaten noch nicht bestätigt bekommen hat. Für meine Mandanten und mich ist eine Selbstanzeige erst dann „erfolgreich“, wenn wir eine entsprechende Mitteilung von der Straf- und Bußgeldstelle erhalten haben. Vorher halten wir uns bedeckt und tönen nicht rum, weil das ansonsten auch die sensiblen Gemüter der Finanzverwaltung wecken könnten.

Was kann man sonst noch zu dieser alten Dame des Feminismus sagen? Das schreibt RiBGH Thomas Fischer, eher wenig zurückhaltend, dafür in der gebotenen Deutlichkeit, in der Zeit – unbedingt lesen!

Nicht Nachsinnen über das Unrecht treibt die Menschen an, ihre geheimen Konten von ganzem Herzen zu bedauern, sondern die pure Furcht vor dem Erwischtwerden. So funktioniert Strafrecht.

Schönes Schlußwort von Herrn Dr. Fischer.

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Bayerische Umgangsformen

Ich verteidige den Mandanten bereits seit Herbst vergangenen Jahres. Dazu habe ich mich bei der zuständigen bayerischen Staatsanwaltschaft gemeldet. Der Staatsanwalt hat mir einen Teil der Ermittlungsakte übersandt, aus der ich zwei-und-zwei zusammenzählend gesehen habe, daß es einen Haftbefehl gegen meinen Mandanten gibt.

Nach entsprechender Beratung des Mandanten habe ich dann mit dem Staatanwalt telefoniert, der nach anfänglicher Reserviertheit – Bayern vs. Berlin, Sie wissen schon … – dann doch recht aufgeschlossen erschien; es war ein freundliches Telefonat, in dem wir auch über die verschiedenen Möglichkeiten einer (nunja, freiwilligen) Selbststellung gesprochen haben. Der Mandant lebt nämlich nicht in Deutschland und ein Auslieferungsverfahren aus dem nicht-europäischen Ausland ist für keinen der Beteiligten eine angenehme oder bequeme Sache.

Vor ein paar Tagen habe ich – durch eine mir namentlich nicht bekannte Person aus dem Umfeld meines Mandanten – eine Nachricht aus dem Ausland erhalten, daß die dortige Polizei den Mandanten verhaftet habe; er werde nun in Richtung Bayern auf den Weg gebracht.

Bis heute weiß ich nichts Genaues. Ich ärgere mich darüber, daß die Staatsanwaltschaft es nicht für nötig hält, mir als Verteidiger eine kurze Nachricht zukommen zu lassen, daß es nun losgeht …

Vielleicht ist es in Bayern immer noch nicht angekommen, daß die Verteidigung eines Beschuldigten zu den Basics eines fairen, prozeßordnungsgemäßen und rechtsstaatlichen Verfahrens gehört. Es kann aber auch sein, daß sich dieses nicht-europäische Ausland und Bayern nur hinsichtlich des Wetters unterscheiden. Ich weiß es nicht.

Jetzt bin ich nur gespannt, wie die Bayern mit dem § 118 V StPO umgehen werden. Entsprechende Anträge habe ich jedenfalls mal gestellt.

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Pressemitteilung: Strafanzeige beim Generalbundesanwalt erstattet

Ich veröffentliche die Pressemitteilung der Internationalen Liga für Menschenrechte vom 03. Februar 2014 nachfolgend im vollen Wortlaut:

Internationale Liga für Menschenrechte initiiert Strafanzeige gegen Geheimdienste und Bundesregierung wegen geheimdienstlicher Massenüberwachung und –Ausforschung durch NSA & Co.

Heute hat die Internationale Liga für Menschenrechte zusammen mit

  1. dem Liga-Vizepräsidenten und Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner,
  2. dem Chaos Computer Club e.V., Hamburg, und seiner Sprecherin Dr. Constanze Kurz,
  3. dem Datenschutzverein digitalcourage e.V. (Bielefeld) und den Vorstands­mitgliedern Rena Tangens und padeluun

Strafanzeige beim Generalbundesanwalt erstattet.

Die anlasslose Massenüberwachung und Ausforschung der Bevölkerung, die systematische Digitalspionage durch den US-Geheimdienst NSA und andere Geheimdienste und die damit mutmaßlich verbundenen Bürgerrechts- und Strafrechtsverstöße müssen endlich gerichtlich überprüft und ggf. geahndet werden. So etwa die Straftatbestände der verbotenen Geheimdiensttätigkeit, der Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs, des Ausspähen von Daten und der Strafvereitelung.

Die Strafanzeige richtet sich gegen US-amerikanische, britische und auch deutsche Geheimdienste (Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) und namentlich gegen die jeweils zuständigen Leiter, die über enge Kooperationen in diese flächendeckenden Geheimdienstaktivitäten verstrickt und mit uferlosen Datenübermittlungen an diesem globalen Ausforschungssystem und den Datenexzessen unmittelbar und mittelbar beteiligt sind. Die Anzeige richtet sich auch gegen die Bundeskanzlerin und den Bundesinnenminister als Verantwortliche für die mutmaßliche Mittäter- und Gehilfenschaft bundesdeutscher Geheimdienste. Die Anzeige richtet sich schließlich gegen die gesamte Bundesregierung sowie gegen alle zuständigen Amtsvorgänger während der letzten beiden Jahrzehnte.

Liga-Vizepräsident Dr. Rolf Gössner zu seiner Motivation, die Anzeige mit zu erstatten:

Dieser Schritt ist der Versuch, die allenthalben spürbare Ohnmacht und Duldungsstarre angesichts der Überwachungsdimension und der täglichen Enthüllungen zu durchbrechen und die politisch und strafrechtlich Mitverantwortlichen in Bundesregierung und Geheimdiensten endlich ausfindig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen. Und zwar für deren enge Kooperation und den intensiven Datenaustausch mit der NSA und anderen Geheimdiensten und dafür, dass bundesdeutsche Geheimdienste, wie der BND, sogar Überwachungsinstrumente und –Infrastrukturen mit der NSA teilen, wie Edward Snowden vor kurzem dargelegt hat.

Die inzwischen bekannt gewordenen Geheimdienst-Praktiken und Strukturen jenseits demokratischer Kontrolle haben gravierende Auswirkungen auf die betroffenen Bürger_innen, auf zivilgesellschaftliche Vereinigungen, auf Staat und Gesellschaft, auf Politik und Wirtschaft auf die Substanz von Grund- und Bürgerrechten sowie auf Bewusstsein und Verhalten der Menschen.

Rolf Gössner:

Das von der Verfassung garantierte Recht des Einzelnen, unkontrolliert zu kommunizieren, ist unverzichtbare Grundvoraussetzung einer offenen demokratischen Gesellschaft – wird aber unter den Bedingungen dieser Massenüberwachung schwer verletzt. Doch sowohl die alte als auch die neue Bundesregierung haben es bislang, sträflich unterlassen, mit der Massenüberwachung verbundene Straftaten und Bürgerrechtsverletzungen zu unterbinden und die Bürger_innen und von Wirtschaftsspionage betroffene Unternehmen pflichtgemäß vor diesen feindlichen Attacken zu schützen – obwohl es zu ihren Kernaufgaben gehört, diesen Schutz zu gewährleisten und der Erosion des demokratischen Rechtsstaates und der Bürgerrechte wirksam Einhalt zu gebieten.

Liga-Präsidentin Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin ruft aus all diesen Gründen dazu auf, sich kollektiv zu widersetzen und die Strafanzeige zu unterstützen:

Wir brauchen dringend eine straf- und verfassungsrechtliche Klärung der Verantwortlichkeiten in dieser Affäre – ohne Rücksicht auf (außen-)politische Interessen. Deshalb hat die Liga die Strafanzeige gegen Verantwortliche der Massenüberwachung initiiert – parallel zu unseren Schwesterligen in Frankreich und Belgien und koordiniert durch unsere gemeinsame internationale Dachorganisation FIDH in Paris.

Unsere Initiative soll die Zivilgesellschaft eindringlich dazu ermuntern, sich diesen bürgerrechtsfeindlichen Angriffen auf geltendes Recht mit aller Kraft zu widersetzen – ehe es zu spät ist. Wir rufen Vereinigungen sowie Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich zahlreich der Anzeige anzuschließen und sie öffentlichkeitswirksam zu unterstützen!

Für weitere Informationen verweist der Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV) auf die Pressemitteilung der Anwälte Eberhard Schultz und Claus Förster in Berlin (PDF), die die Strafanzeige für die Liga und im Namen der beteiligten Anzeigeerstatter_innen gefertigt haben.

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