Monatsarchive: Mai 2014

Die telefonallergische Staatsanwältin

Hatte die Staatsanwältin Langeweile? Oder wollte sie die Akte erstmal ins polizeiliche Nirvana schicken, damit sie das Ding vom Tisch hat? Ich weiß es noch nicht so genau. Aber diese Verfügung macht mich nachdenklich:

Beschuldigtenvernehmung

Die Staatsanwältin schickt ihre Verfügung urschriftlich mit Akten („u.m.A.“) an die Polizei. Die soll den Beschuldigten vernehmen. Sollte die Beschuldigtenvernehmung („BV“) schon erfolgt sein, könne die Polizei die Akte ohne BV. wieder zurücksenden.

Ah, ja.

Aus gewöhnich gut informierten Kreisen wird vermeldet, die Staatsanwältin leide unter einer massiven Telefonallergie.

Achso, nochwas: Die „Akte“ besteht aus 6 Teilbänden.

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Bankgeheimnis: Offenbarung verboten

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in einer Wirtschaftsstrafsache. Unter anderem liegt der Focus auf der Nachverfolgung der Geldflüsse – nicht zuletzt auch zur Vorbereitung des Verfalls (§ 73 StGB), einer möglichen Rückgewinnungshilfe (§ 111b StGB) und anderer häßlicher Vermögensabschöpfungen.

Deswegen schreiben die Ermittler der Reihe nach alle Banken an, die irgendwie und irgendwann einmal mit dem Beschuldigten ein Verhältnis hatten oder haben könnten.

  • Nebenbei:
    Allein das reicht schon aus, um den Geschäftsmann – was seine finanzielle Zukunft betrifft – zurück in die Steinzeit zu befördern. Aber darauf kann man im Rahmen eines Strafverfahrens ja nicht auch noch Rücksicht nehmen. Die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK ist da nicht so wichtig.

Die Staatsanwaltschaft schickt also einen Brief an so ziemliche alle in Frage kommenden Finanzinstitute zwischen Flensburg und Oberstdorf:

VerdeckteErmittlungen01

Und weil man das Ganze verheimlichen möchte, erinnert der Staatsanwalt den jeweiligen Banker unter Androhung empfindlicher Übel an die Wirkungslosigkeit eines Bankgeheimnisses:

VerdeckteErmittlungen02

Aber vielleicht habe ich das mit dem Bankgeheimnis noch nicht so richtig verstanden.

Man glaubt gar nicht, wie schnell die um das Vertrauen ihrer Kunden werbenden Banken auf so eine Mitteilung reagieren und Kontenstaffeln, Darlehensverträge und Kreditunterlagen an die Staatsanwaltschaft übermitteln können, um die Umzugskisten mit den Ermittlungsakten befüllen.

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Systembedingter Wahnsinn

647973_web_R_B_by_Wolfgang Pfensig_pixelio.deVor gut zehn Jahren war der Mandant in Neukölln unterwegs. Nachts. Mit einer Messingstange in der Hand. Und mit wirren Stimmen im Kopf.

Nachdem er – den Stimmen folgend – das Inventar der Eckkneipe zerlegt hatte, wurde in einem Sicherungsverfahren die Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet.

Das sind Verfahren, die wünscht sich kein Verteidiger. Denn der Mandant ist der einzige, der die Ansicht vertritt, daß er wachen Geistes ist und alle anderen – der Verteidiger eingeschlossen – eigentlich in die Klapse müßten. Die Aufgabe des Verteidiger besteht dann in der Mitwirkung an seiner Einweisung (§ 63 StGB). Das tut der Verteidigerseele nicht gut.

Bereits nach relativ kurzer Zeit zeigte der Mandant allerdings erste Anzeichen einer Krankheitseinsicht, die Therapien hatten positive Wirkungen. Es folgten sukzessive weitere Fortschritte.

Knappe zehn Jahre später wurde die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt. Dem Mandanten wurden eine Bibliothek voll Auflagen gemacht. Unter anderem sollte er seine Medikamente nach Weisung seiner Behandler einnehmen. Und sich regelmäßigen Blut- und Urinkontrollen unterziehen.

Der Mandant bezog eine Wohnung und wurde an der langen Leine von Sozialarbeitern, Bewährungshelfern und Klinikpersonal gehalten. Das erste Jahr lief blendend, seine Gesundheit stabilisierte sich. Er nahm wieder am Leben teil.

Anfang März dieses Jahres verschlechterte sich sein Zustand und zwar ziemlich rapide. Diesmal war es keine Messingstange. Aber eine Haustür, ein paar Autospiegel und einige Polizeibeamte trugen Spuren davon, die nicht von einem bestimmungsgemäßen Einsatz zeugten.

Im Rahmen einer Krisenintervention (§ 67h StGB) wurde er wieder der Klinik überantwortet, die sich nun drei Monate lang darum bemüht, den Mann wieder auf die Füße zu stellen. Dann wird man weiter sehen.

Was war passiert?

Es waren einige Ursachen, die zusammen kamen, für die der Mandant nur sehr begrenzt verantwortlich war.

Die Klinik hat wegen knapper Personalressourcen die Frequenz der Kontrollen herabgesetzt: Blut und Urin wurden nur noch alle vier Wochen probiert.

Am Ende des Geldes war noch viel Monat übrig. Und für seine Medikamente, die er in der Apotheke bekam, mußte er eine Zuzahlung leisten, die er alsbald nicht mehr hatte.

Das Wirtschaften mit Geld gehört nicht zum Therapie- und Lernprogramm einer Psychiatrie. Und der Bewährungshelfer hatte auch reichlich andere Sachen zu tun, als sich wöchentlich mit dem Mandanten über das Geld zu unterhalten.

Der Mandant tat das Naheliegende: Er verschob den Einkauf und verzichtete folglich zeitweise auf die Einnahme seiner Medizin. Das fiel nicht auf, weil die Kontrollen eben nicht eng genug gesteckt waren. Jeweils kurz vor der nächsten Kontrolle kaufte er sich die Medikamente und die Behandlungspause blieb eine zu lange Zeit lang unentdeckt.

Es gibt eine weitere Ursache, die ebenfalls in diesem Kranken-Kassen-System begründet ist. Die Apotheken sind gehalten, die preislich günstigsten Tabletten an den Mann zu bringen, wenn sie denn die selben Wirkstoffe wie die verordneten Medikamente haben. Hört sich gut an. Ist in der Praxis aber brandgefährlich.

Psychiater wissen, daß nicht immer das drin ist, was drauf steht auf den Packungen. Und bei dem Zeug, was man den psychisch kranken Menschen verschreibt, kommt es auf jedes einzelne Molekül an. Fehlt eins, wird die Wirkung ganz oder teilweise verfehlt. Also schluckt der Mandant eine weniger wirksame, placedoide Medizin.

Zusätzlich gibt es noch die Nebenwirkungen (massive Gewichtszunahme, dösiger Kopf …) und ein wenig Übermut kommt auch noch hinzu (mir geht’s doch gut, warum soll ich das Zeug noch schlucken?) und Marihuana ist vereinzelt auch in Griffweite.

Und schon beginnt die wilde Fahrt in den Wahnsinn.

Das ließe sich verhindern. Wenn man die Kontrollen enger steckt, auf die Zuzahlungen verzichtet und die Tabletten ausgibt, die ihm der Arzt verschrieben hat. Wenn man dann noch die Sozialarbeiter anständig bezahlen würde, müßte mein Mandant jetzt nicht darum bangen, daß er weitere 10 Jahren in die Klapsmühle gesteckt wird.

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Bild: Wolfgang Pfensig / pixelio.de

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Die Folgen der Kronzeugenregelung

Der Stern berichtet ausführlich, welche konkreten praktischen Folgen die Einrichtung der Kronzeugenregelung des § 46b StGB haben kann und hatte:

Ex-Rocker Steffen R., der „Imperator“ und der „Pate von Weißenfels“, nutzte die „Verräternorm“ für sich und leistete die von den Strafverfolgern so dringend gewünschte „Aufklärungshilfe“.

… der Kronzeuge Steffen R., ein einschlägig vorbestrafter Gewalttäter, der zwei Frauen in die Prostitution geprügelt und nun eine hohe Haftstrafe zu erwarten hatte. Gegen ein mildes Urteil und eine neue Identität aber, so hatte er der Polizei versprochen, würde er über die Hells Angels auspacken. Er sei einer ihrer Unterstützer und in ihre vielen Verbrechen bis hin zum Mord eingeweiht. Sein Kalkül ging auf.

Die Folgen dieser den Oberstaatsanwalt Alexander Ostrowski seltsam zufrieden stellenden vermeintlichen „Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten“ sind elend teuer für die Landkassen, katastrophal für die zu Unrecht Beschuldigten und tödlich für den

Inhaber der Auto-Werkstatt, der nach der Berichterstattung der Lokalpresse über den angeblichen Folterraum viele Kunden verloren hatte …

Das sind die Auswüchse eines irrwitzigen Verfolgungswahns einiger Hardliner und von auf Teufel komm raus betriebenen Ermittlungen ohne Maß und Ziel.

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Die Zitate stammen aus einem Artikel von Kuno Kruse, veröffentlicht im Stern am 23.05.2014

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Hartnäckig für einen Caffè und Cantuccini

Seit ein paar Wochen läuft eine Frau hinter mir her. Jetzt aber nicht deswegen, was Sie jetzt schon wieder denken. Nein, diesmal keine Ferkelei. Obwohl, vielleicht doch?

Die Frau ist (oder war) Boxerin. Und jetzt schreibt sie ein Buch. Also die besten Voraussetzungen, um irgendwann mal eine kompetente Journalistin zu werden.

Und weil man als Journalistin Stoff braucht, sucht man frau sich einen Strafverteidiger. Also einen von denen, die eigentlich immer was zu erzählen haben.

Aber sie wollte nicht irgendwas, sondern nur das Eine, also was ganz Bestimmtes.

Ich hatte vor einigen Jahren einen Mandanten, der monatlich am Ersten sein Gehalt aufs Konto bekam und trotzdem zu den Unbequemen in der Firma gehörte. Nun, ja. Er hatte auch noch ein Hobby, das mit seinem Beruf eher wenig kompatibel war. Deswegen hat man ihn geärgert. Mehrmals sogar. Diese Ärgernisse endeten aber alle mit Einstellungen des Verfahrens, in einem Fall nach echt zähem Kampf mit einem Freispruch.

Das war der Stoff, der sich für die Boxerin spannend anhörte. Sie schrieb mir eine eMail und teilte mir mit, daß sie sich mit mir treffen will werde. Dazu hatte sie bereits einen Besprechungstermin erschlichen über meine Assistentin mit mir vereinbart.

800px-Biscotti_di_PratoIch mußte schon tief in meine Kiste von nachhaltigen Argumenten greifen, um ihr verständlich zu machen, daß ich als Strafverteidiger nicht einfach mal so bei Caffè und Cantuccini über meine Mandate und Mandanten plaudern kann, darf und möchte.

Boxende Journalistinnen lassen da nicht so einfach locker. Zumal wenn der Schwerpunkt eher auf Boxen liegt, als auf einer sauberen Recherche über Schweigepflichten, Vertrauensverhältnisse und Zuverlässigkeiten eines Strafverteidigers.

Sie ging ihren Weg geradlinig weiter. Ein paar Wochen danach meldete sich eben jener freigesprochene Mandant und teilte mir mit, daß „die Andrea“[*] eine gaaanz Nette sei und sie mich demnächst besuchen werde, damit ich ihr alles erzählen könne.

Mit „Alles“ meinte der Mandant das, was sich in dem dreijährigen Verfahren ereignet hatte.

Es dauerte noch ein wenig, dann meldete sich die nette „Andrea“ wieder hier:

Sehr geehrter Herr Hoenig,
inzwischen habe ich mit Herrn und Frau Bullmann[*] gesprochen. Sie haben mir gesagt, dass sie Ihnen das ok gegeben hätten zu einem Gespräch mit mir. Haben Sie Zeit und Lust auf einen Kaffee?

Solche Anträge bekomme ich ja nun nicht zum ersten Mal. Aber diesmal habe ich mir endlich mal die Zeit genommen, über die Zeit zu schreiben, die mir solche Zeitdiebe nehmen, damit ich mich am Ende nicht mehr mit den wesentlichen Dingen des Lebens (s.u.) beschäftigen kann.

Aber jetzt! Ich verabschiede mich nun mit dem Hinweis auf einen kleinen Beitrag über mein Leben und setze mich in einen freundlichen Biergarten … italienische Heißgetränke gibt es erst morgen früh wieder. Und die trinke ich gemeinsam mit einem noch viiiel netteren Menschen.

Schönes Wochenende!

[*] der richtige Name ist der Redaktion bekannt ;-)

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Gelernt ist gelernt

Den Mandanten kenne ich schon seit ein paar Jahren. Rein beruflich natürlich.

Nun wurde er überraschend festgenommen. Ihm wurde ein ziemlich heftiger Tatvorwurf gemacht. Und dann wurde er – soweit ersichtlich – ordnungsgemäß über seine Rechte belehrt worden, dass

  • es mir nach dem Gesetz freisteht, mich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen
  • ich jederzeit, auch bereits vor meiner Vernehmung, eine Verteidigerin oder einen Verteidiger befragen kann
  • ich zu meiner Entlastung einzelne Beweisanträge beantragen kann
  • mir die Vernehmung Gelegenheit gibt, die gegen mich vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu meinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

Und wie entscheidet sich der Mandant? Richtig!

Geraten1

Und wir reagiert der Herr Kommissar? Falsch!

Denn er fängt an, die Entscheidung des Mandanten zu unterlaufen. Der allerdings kennt diese unfairen Spielchen und verhält sich wie? Richtig!

Geraten

Das ist ein Mandant, mit dem ein Verteidiger echt gut arbeiten kann.

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Rundreisefieber

276045_web_R_K_by_Peter Reinäcker_pixelio.deGottfried Gluffke hatte – wie gestern hier berichtet – einen Termin bei einem Haftrichter an einem kleinen Amtsgericht in Norddeutschland. Mit seinen Katzen am Pool unter der südeuropäischen Sonne liegend, wartete er auf seine Auslieferung. Ich habe ihm ziemlich genau erklärt, wie das Ganze von Statten gehen wird.

Er hatte noch eine gute Woche Zeit, seine Klamotten zu packen, um dann am Freitag bei der Flughafenpolizei auf der Matte zu stehen. Ein freundlicher Uniformierter würde dann die Bordkarten überreichen und ihn in den Flieger nach Deutschland begleiten.

Und ich habe ihm eine Alternative aufgezeigt:

Statt am Freitag zum Flughafen zu fahren, bietet sich an, zwei oder drei Tage vorher mit dem Zug nach Norddeutschland zu fahren. Ich könnte seine Ankunft dem Staatsanwalt und dem Richter ankündigen und mit ihm dann gemeinsam zur Haftbefehlsverkündung schreiten.

Die Tatvorwürfe für sich genommen würden eine Untersuchungshaft kaum rechtfertigen. Und daß eben keine Fluchtgefahr besteht, hätte er dann durch sein „freiwilliges“ Erscheinen bestens glaubhaft gemacht. Das sollte eigentlich reichen für eine Haftverschonung.

Aber nein, das war nicht sein Ding. Gottfried hat eine richterliche Weisung erhalten – wenn auch nur telefonisch durch einen ausländischen Rechtsanwalt – und der dürfe man sich ja als guter Deutscher nicht widersetzen. Punkt und aus!

Und so ging’s dann weiter:

Gluffke trottete wie befohlen am Freitagvormittag zum Flughafen und bestieg einen Flieger, der ihn erst einmal – nein, nicht nach Hamburg – nach München transportierte. Dort wurde er von freundlichen Polizeibeamten mit einem fröhlichen „Grüß Gott!“ in Empfang genommen. In gutem Glauben, daß er nun auf kürzestem Weg aus Bayern nach Norddeutschland gekarrt würde, rief er mich noch abends aus dem Freistaat an. Den Zahn mußte ich ihm aber leider ziehen.

Daß, was dem armen Gluffke jetzt bevorstand, wünscht man seinem ärgsten Feind nicht.

Verschubung“ heißt die Überschrift über das nun folgende Kapitel.

Gluffke wird erst einmal von Freitag bis Montag vor Ort frisch gehalten. Und erst dann geht es los. Aber nicht auf direktem Weg nach Norddeutschland. Gluffke wird eine Rundreise durch die Republik machen, um dann 10 Tage später (also am übernächsten Donnerstag) die Ansage zu hören: „Sie haben Ihr Ziel erreicht!“.

Und weil es so unglaublich ist, zitiere ich noch einmal den Kollegen Andreas Mroß aus Lübeck, der die (Tor-)Tour beispielhaft beschrieb:

Die Person wird in eine Kabine eingesperrt. Die Kabine befindet sich eingebaut in einem Bus. Die Fahrt wird mehrere Stunden dauern. In Stehhöhe dieser Kabine ist ein Sehschlitz angebracht. Die Milchglasscheibe lässt sich nicht öffnen. Die Person kann die Außenwelt nicht sehen. Eine Frischluftzufuhr von außen gibt es nicht. Ebenso wenig ist der Raum klimatisiert. An sonnigen Tagen wird es in der Kabine unerträglich heiß. Die Grundfläche der Kabine beträgt weniger als einen halben Quadratmeter. Die Person erreicht irgendwann am Tag ein Zwischenziel. Sie wird nun in einen spärlichst eingerichteten Haftraum verbracht. Nichts persönliches ist vorhanden. Den Rest des Tages bleibt sie unter Verschluss. Findet die Weiterfahrt erst am übernächsten Tag statt, mag die Person am Folgetag an einem einstündigen Hofgang teilnehmen dürfen. Eine Kontaktmöglichkeit zur Familie, zu Angehörigen oder zum Verteidiger gibt es in dieser Zeit nicht. Die Behandlung kann zwei Wochen oder länger dauern.

Ich bin mir ganz sicher, daß Gluffke sich, wenn er denn das Ziel noch einigermaßen lebend erreicht hat, heftigst Gedanken darüber machen wird, wie er sich künftig gegenüber richter- und behördlichen Anordnungen zu verhalten hat und welchen Wert er dem Rat seines Verteidiger beimessen sollte.

Einen Trost werde ich aber für ihn haben: Das, was er auf dem Schub erlebt hat, wird sich beim Strafmaß deutlich bemerkbar machen. Hoffentlich.

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Bild: Peter Reinäcker / pixelio.de

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Haftsache: „Rufen Sie morgen nochmal an …“

564040_web_R_by_Günter Havlena_pixelio.deIn einer eiligen (neuen) Haftsache habe soeben ich versucht, den zuständigen Staatsanwalt zu ermitteln und zu erreichen. Dazu stellt mir das Telefonverzeichnis der Staatsanwaltschaft für die zuständige Abteilung insgesamt vier Telefonnummern zur Verfügung, die ich der Reihe nach angewählt habe. Beim zweiten Durchgang bei der vierten Rufnummer (also beim achten Versuch) erreiche ich endlich eine völlig gestresste Mitarbeiterin der Geschäftsstelle.

Ich trage mein Anliegen vor, nachdem ich der Frau das Aktenzeichen mitgeteilt habe, und erhalte die folgende Informationen:

  1. Sie ist für diese Sache nicht zuständig.
  2. Ich bin im falschen Zimmer angekommen.
  3. Das Telefon im richtigen Zimmer ist nicht besetzt.
  4. Den zuständigen Dezernenten für diese Sache kann sie mir nicht nennen.
  5. Das komplette EDV-System der Staatsanwaltschaft ist ausgefallen.
  6. Mit der Wiederherstellung ist heute nicht mehr zu rechnen.
  7. Ich solle mich morgen noch einmal melden.

Mir blieb nichts anderes übrig, als der armen Frau starke Nerven und Durchhaltevermögen zu wünschen. Denselben Wunsch schicke ich auch an meinen Mandanten, der in der Untersuchungshaft auf seine mündliche Haftprüfung wartet.

Die Frist des § 118 Abs. 5 StPO ist angesichts der armseligen Moabiter Verhältnisse reine Makulatur.

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Bild: Günter Havlena / pixelio.de

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Von der Hollywoodschaukel in die Auslieferungszelle

636811_web_R_by_H.D.Volz_pixelio.deDer Anruf aus einem sonnigen Urlaubsland erreichte mich am Sonntag. Gottfried Gluffke war empört: Schon am Freitag hatte ihn die Landespolizei von der Hollywood-Schaukel am Pool geholt. Er wurde über zwei, drei Stationen, die Gottfried mir in nicht zitierfähigen Eigenschaftsworten beschrieb, in die 400 km entfernte Hauptstadt gebracht.

In der Landessprache, die Gluffke ausschließlich aus seinen Restaurantbesuchen kannte, teilte der Richter ihm am Sonntagmorgen mit, daß er aufgrund eines Europäischen Haftbefehls festgenommen wurde. Ein Haftrichter in einer norddeutschen Kleinstadt möchte ihn sehen. Deswegen stünde nun seine Auslieferung bevor.

Mit viel Glück (und einigem guten Zureden durch einen einheimischen Rechtsanwalt, den ich organisieren konnte) wurde Gluffke von der Haft bis zur Auslieferung verschont. Und mit 20 Euro in der Tasche an die frische Luft gesetzt. Ich weiß noch nicht, wie es ihm gelungen ist, mit diesem Barvermögen wieder zurück an seinen Pool zu kommen. Aber am Montag rief er mich von dort aus wieder an.

Dem Haftverschonungsbeschluß – so würde das in der ausländischen Sprache formulierte Ding jedenfalls bei uns heißen – war zu entnehmen, daß Gluffke sich alle zwei Tage „beim zuständigen Richter“ melden solle. Das ist leichter gesagt, als getan. Denn die Zuständigkeiten von Richtern unter der südlichen Sonne sind nicht so ohne Weiteres erkennbar. Außerdem stand die Hollywoodschaukel etwa 2 Stunden Fahrt über holprige Pisten vom nächsten Richtertisch entfernt. Und ob der „zuständig“ ist … daran hatte ich so meine Zweifel.

Ich habe Gottfried kurzerhand zur lokalen Polizeidienststelle dirigiert. Das klappte dann auch. Er wurde freundlich von einem Uniformierten begrüßt, der ihm bestätigte: „Alles wird gut!“

Am Donnerstag rief der einheimische Kollege meinen Mandanten an und teilte ihm mit, daß die Auslieferung in 8 Tagen, also am übernächsten Freitag stattfinden wird. Gluffke soll sich um 12 Uhr bei der Polizei am Flughafen der Hauptstadt melden.

Gluffke machte dicken Backen und fragte mich, was er denn jetzt mit seinen Katzen machen solle …


Teil 2 der Geschichte folgt morgen.

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Bild: H.D.Volz / pixelio.de

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Nicht zufrieden stellend

Der Mandant hatte ein paar Probleme.

Zunächst einmal eines mit dem Gesetz: Nach zwei einschlägigen Vorstrafen läßt er sich zum dritten Mal erwischen. Nichts wirklich Schlimmes. Aber doch ärgerlich, weil die Staatsanwaltschaft und das Gericht so ein Verhalten eher nicht für gut heißen. Das führte zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, die er für Straftat Nr. 2 bekommen hatte, und zur Verurteilung in eine Freiheitsstrafe in der neuen Sache Nr. 3.

Ein weiteres Problem bestand in der Kommunikation mit seinem Verteidiger. Die verlief nämlich ziemlich einseitig in nur eine Richtung: Verteidiger an Mandant. Die notwendige Unterstützung des Verteidigers durch Lieferung von Daten, Fakten und Unterlagen durch den Mandanten ließ – nahezu alles – zu wünschen übrig.

Und schließlich mangelte es an der Fähigkeit des Mandanten, die Hinweise und Ratschläge des Verteidigers umzusetzen. In diesem Zusammenhang soll auch nicht unerwähnt bleiben, daß die Bitte des Verteidigers um die notwendige Gegenleistung des Mandanten auch nicht auf offene Ohren stieß.

Nun denn, jetzt sitzt der Mandant zwei Freiheitsstrafen ab, die bei entsprechendem Engagement mit einiger Wahrscheinlichkeit zu verhindern gewesen wären.

Das gefällt ihm aber nicht. Seine wiederholten Briefe an den Verteidiger haben in etwa stets den gleichen Inhalt:

Nichtzufriedenstellend

Das ist ärgerlich, ja. Aber der Vollzug einer Freiheitsstrafe ist nun mal keine optimale Situation und ist auch nicht darauf ausgerichtet, den Gefangenen zufrieden zu stellen. Daran kann auch kein Strafverteidiger etwas ändern.

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