Monatsarchive: September 2014

Türkische Reiter

Daß man in diesem unseren Lande nichts, aber auch gar nichts unreguliert lassen kann, ist bekannt. Deswegen braucht auch der gemeine Mauerwegnutzer detaillierte Regeln. Bevor er die ehemalige und jetzt asphaltierte Grenze zwischen Ost- und Westzone betritt, ist erst einmal ausführliches Regel- und Schilderstudium angesagt. So einfach mal losgehen geht ja nun gar nicht.

Aber man kennt ja seine Pappenheimer. Einige Neuköllner versuchen immer sich irgendwie herauszureden; sie hätten das nicht verstanden, was da auf den Schildern geschrieben steht.

Ha! Denkt sich da der einheimische Bezirksamtsbeamte. Dem Migranten kann geholfen werden. In der Schweiz gibt es ja auch dreisprachige Schilder, in Neukölln reichen für’s Erste zwei Sprachen:

Reitenverboten

Ich bin jetzt aber mal gespannt, wann ich den ersten Türken auf dem Mauerweg sehe, der auf seinem Pferd durch die Stadt reitet. Dem werde ich aber was erzählen!

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Befangen, frech oder faul?

Es war „nur“ eine relativ kleine Bußgeldsache. Und nach Aufruf der Sache fand ein kurzer … nun sagen wir mal … Gedankenaustausch zwischen der Richterin und dem Verteidiger statt, ganz nach dem Motto: „Was-wollen-Sie-denn-eigentlich-hier?-Die-Sache-ist-doch-klar?!“.

So kann man vielleicht mit unerfahrenen Betroffenen oder Junganwälten vom Dorf umgehen. Und mancher Richter schafft sich auf diesem Wege die häßliche Arbeit aus dem Saal, für die er bezahlt wird. In diesem – unseren – Fall biß das Hohe Gericht auf Titan.

Die Begründung des Beschlusses, mit dem die Richterin anschließende vom Acker gejagt wird, erzählt die vollständige Geschichte und spricht für sich:

Befangen, frech oder faul

Ich bin mir nicht sicher, ob solche Drohungen – wie mit dem empfindlich-üblen Übergang ins Strafverfahren in einer Bagatell-Ordnungswidrigkeit – nicht auch unter irgendeine Strafrechtsnorm zu subsumieren wäre.

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Bekifftes Arbeitsamt

Eine ganz tolle Idee des Arbeitslosenamts: Die Kunden des Jobcenters werden demnächst darauf hingewiesen, unbedingt mit voller Blase beim Amt vorstellig zu werden. Damit sie in ein Röhrchen pinkeln können. Mit diesen – bereits in den Knästen des offenen Vollzugs erfolgreich praktizierten – Urinkontrollen (UK) gehen die Arbeitsamtsbeamten dann auf die Suche nach Spuren von Amphetamin, Cannabis, Kokain, Ecstasy und Antidepressiva.

88.000 Stück von diesen Harnteststreifen hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits angeschafft. Arbeitslose und Hartz IV-Empfänger werden damit auf Betäubungsmittel-Missbrauch [Ja: Missbrauch steht da wirklich in der Pressemeldung!] untersucht. Der ärztliche Dienst der Arbeitsagenturen soll prüfen, ob Arbeitslose für bestimmte Tätigkeiten wie beispielsweise Lkw-Fahrer geeignet sind.

Das geht natürlich nicht auf Anordnung, sondern die Leistungsempfänger müssen zustimmen. Verweigern sie die Zustimmung, werden ihnen allerdings die Bezüge gekürzt. Sie haben also die freie Wahl.

Aus zuverlässiger Quelle ist unserer Kanzlei bereits das Formular zugespielt worden, daß die Hartzies ausfüllen und unterschreiben müssen, wenn sie weiterhin die Stütze bekommen möchten:

Freiwilliger Drogentest

Was kostet so ein Teststreifen? Ich schätze mal so um die 10 Euro. Das wären dann 880.000 Euro, die da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den Schornstein spätestens des Bundesverfassungsgerichts gejagt werden. Dafür könnte man den Lohn eines LKW-Fahrers 30 Jahre lang finanzieren.

Die Frage muß gestattet sein: Was hat der Bundesarbeitsagent da bloß geraucht, als er auf diese Shitidee gekommen ist?

Danke an Tobias Glienke für den Hinweis.

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Telefonische Absage

So sieht das Gegenstück meines Telefonanrufs aus, nachdem mich der Mandant mit seiner Verteidigung beauftragt hat, statt der Ladung der Polizei zu folgen.

Telefonische Absage

Sauber durchgestrichen, Akte zur Staatsanwaltschaft abgegeben, die das Verfahren dann nach § 170 II StPO eingestellt hat:

Eingestellt

Die Einstellungsquote würde steigen, wenn sich die Beschuldigten stets an den Standardrat eines jeden Strafverteidigers halten würden.

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Warum man Strafverteidiger wird

TurmstraßeAus dem „Bewerbungsschreiben“ eines Jurastudenten:

… jedoch empfinde ich das Strafrecht nicht erst durch das Studium, sondern auch bereits durch frühe Besuche des Amtsgericht Tiergarten mit meinem Großvater als besonders interessant.

Ich werde wohl besser mal nachfragen, in welcher Eigenschaft der Herr Großvater im Kriminalgericht unterwegs war. ;-)

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Die Seidenstraße neu entdeckt

Berlin, "Koks Emil"  der Kokain-VerkäuferNun hat es auch die bürgerliche Presse herausgefunden: Es gibt Betäubungsmittel nicht nur beim Dealer im Görlitzer Park und in der Hasenheide zu kaufen. Wer zu faul oder zu beschäftigt ist, auf die Straße zu gehen oder durch Parks zu schlendern, kann es sich nach neuesten Erkenntnissen der FAZ vom 30.08.2014 auch im Onlinehandel besorgen.

Silk_Road_SeizedDabei gibt es den Hidden Service im Tor-Netzwerk bereits seit 2011. Und nur wenige (zwei) Jahre später hat auch schon die Kavallerie der Justiz massiv zugeschlagen; vom australischen Melbourne bis nach Deggendorf in Niederbayern wurden Nutzer der amerikanischen Internetseite Silk Road, das „Paradies für Drogenfans“ (Süddeutsche), gepflückt und eingetütet. Das Portal wurde erst einmal dicht gemacht und die Online-Besteller mußten vorübergehend wieder in den Görli.

Aber wie das so ist, im wirklichen Leben und im Netz: Eine gute Idee – oder das, was für eine gute Idee gehalten wird – setzt sich durch. Die Kombination zwischen The Onion Router (TOR) und der Onlinewährung Bitcoins (BTC) erschien genial für den anonymen Handel. Silk Road 2.0 ging an den Start.

501884_web_R_B_by_Markus Götz_pixelio.deNichts ist aber perfekt:

Die Sollbruchstelle liegt beim Versand. Denn irgendwie muß die Ware doch zum Kunden kommen. Und wer die Qualität mancher Paketdienste kennt, wird ziemlich genau vorhersagen können, wo die Strafverfolger immer wieder gern ansetzen werden.

Dennoch: Es gibt sie immer noch (oder schon wieder?): Die Futurezone berichtete erst im November vergangenen Jahres: The Silk Road ist wieder online. Und wenn jetzt schon die altehrwürdige FAZ darüber berichtet, werden in Kürze auch wieder die Deggendorfer Staatsanwälte im Deep Web unterwegs sein.

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S/W-Bild: Bundesarchiv Bild 102-07741, Berlin, „Koks Emil“ der Kokain-Verkäufer

Bild Transporter: Markus Götz / pixelio.de

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Etwas für’s Gemüt

Den Mandanten hatte ich vor einigen Jahren erfolgreich in eine Bewährungsstrafe hinein verteidigt. Es war knapp, aber es hat so eben gerade gereicht. Und noch heute spricht mich der Richter, wenn wir uns mal wieder in Moabit über den Weg laufen, auf diese in jeder Hinsicht außergewöhnliche Verteidigung an: „Wie geht’s Ihrem Mandanten?“ Er war und ist ein sympathischer Ganove.

Wir haben uns dann aus den Augen verloren. Bis vor ein paar Wochen, da rief er an. In seiner bekannten, gewinnenden Art (er hat sogar den Richter widerstandslos geduzt) fiel er gleich mit der Tür ins Haus:

Hey, Carsten, kann ich kurz mal vorbei kommen? Frag nicht. Is dringend.

Zwei Stunden später stand er hier auf der Matte, flirtete fröhlich mit unserer Mitarbeiterin und drückte mir kräftig die Hand. Im Besprechungszimmer erzählte er mir, daß er wegen einer anderen Sache erwischt wurde:

Auf die anderhalb Jahre in Deiner Sache habe ich nochmal 1 – 8 [1 Jahr, 8 Monate] oben drauf bekommen.

Kurzum: Bewährungswideruf und es standen drei Jahre und zwei Monate auf dem Zettel.

Davon habe ich jetzt gut die Hälfte abgesessen; aber jetzt reichts. Ich bin abgehauen.

Dann berichtete er noch von seiner chronischen Erkrankung, die er draußen mit Cannabis therapiert hat, im Gefängnis gab man ihm Medikamente, deren Nebenwirkungen ihn fertig machen. Und schließlich erzählte er vom einem Trauerfall in seiner Familie. Deswegen muß er jetzt erstmal nach Hause und ist aus einem Hafturlaub nicht wieder zurück in den Knast.

Dann legte er mir ein paar Geldscheine auf den Tisch.

Ich komm‘ nicht mehr zurück, ich muß mich um meine Familie kümmern. Und das hier ist der Rest von dem Honorar, was ich Dir noch schulde.

Es ist richtig, einen Teil des Honorars hatte er mir damals für später versprochen. Er hat sein Versprechen eingehalten. Ich bin sicher, wir sehen uns nicht wieder … aber er wird mir eine Karte schreiben. Hat er mir versprochen.

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