Monatsarchive: Oktober 2014

GVU: Supporter-Club der GenStA?

kinoxBereits im Februar 2012 kündigte laut eines Berichts in der Netzwelt Matthias Leonardy von der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) an, einen Strafantrag gegen die Betreiber von KinoX.to (der link funktionierte am 25.10.14 um 22:05 Uhr noch) stellen zu wollen.

Die KinoX.to-Betreiber haben das Angebot von Kino.to nahezu vollständig kopiert, nachdem die GVU in bewußten und gewolltem Zusammenwirken mit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden dem – vorübergehend – erfolgreichen Vorbild des Streaming-Portals den Garaus gemacht hatten.

Die Verfahren gegen die erste Riege der Betreiber von kino.to sind rechtskräftig abgeschlossen. Die Ermittlungsverfahren gegen zahlreiche weitere Beteiligte (Hoster, Webmaster, Advertiser, Affiliates …) laufen allerdings noch und fordern von den Dresdner Strafverfolgungsbehörden großes Engagement, dem sie – auch und gerade aus Sicht der Verteidiger dieser Verfolgten – auf recht hohem Niveau entsprechen.

Aber offenbar reichte es den Ermittlern noch nicht. Anders als die Staatsanwaltschaft im Lande Brandenburg saufen die Sachsen (noch?) nicht in ihren eigenen Ermittlungen ab. Sie werden aber auch handfest supportet von der GVU, die eigene Ermittlungen durchführen und – anders als staatliche Strafverfolgungsbehörden – dabei nicht an die strengen Vorschriften des Strafprozeßrechts gebunden sind, die die Beschuldigten vor Übergriffen der Ermittler schützen sollen.

Nun haben die Sachsen, d.h. die Generäle aus Dresden, einem Medienbericht zufolge in mehreren Bundesländern Razzien gegen die Betreiber von KinoX.to durchgeführt. Zwei Lübecker, denen die Ermittler unterstellen, sie seien die schlimmsten Finger von kinoX.to, haben es vorgezogen, den Wohnungs-Durchsuchungen besser nicht beizuwohnen, weil sie wohl befürchteten, daß die Beamten nicht nur den erforderlichen Durchsuchungsbeschluß, sondern auch noch einen Haftbefehl vorlegen konnten. „Nur“ zwei an- und maßgeblich Beteiligte vom Niederrhein konnten sich nicht schnell genug eine Fahrkarte aus dem Automaten ziehen; sie bekommen zur Zeit ihr Frühstück ans Bett gebracht.

Unbestätigten Berichten zufolge gibt es im Zuständigkeitsbereich der GenStA Dresden zur Zeit keine anderen Straftaten außer eben solche, die eine Verletzung der Rechte von Mitgliedern der GVU darstellen könnten.

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… steht zur Überzeugung des Gerichts fest

Das gegen Heidi K. geführte Verfahren, in dessen Verlauf ihr vorgeworfen wurde, den Lehrer Horst Arnold zu Unrecht einer Vergewaltigung zu ihren Lasten bezichtigt zu haben, ist nun rechtskräftig abgeschlossen.

Nach der Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs vom 22.10.2014 wurde die Verurteilung der Heidi K. wegen schwerer Freiheitsberaubung nach
Falschbelastung ihres ehemaligen Kollegen wegen Vergewaltigung mit Beschluss des BGH vom 22. Oktober 2014 – 2 StR 62/14 – rechtskräftig.

Das Landgericht Darmstadt hat die Angeklagte K., eine 50 Jahre alte Lehrerin, wegen schwerer Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts zeigte die Angeklagte, die als Lehrerin in einer Schule in R. tätig war, ihren Kollegen A. an und beschuldigte ihn wahrheitswidrig, sie am 28. August 2001 in einem Schulraum vergewaltigt zu haben. Das Landgericht Darmstadt verurteilte A. am 24. Juni 2002 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und ordnete seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, nachdem die als Nebenklägerin auftretende Angeklagte auch in der Hauptverhandlung den Vorwurf aufrechterhalten hatte. Seine gegen das Urteil eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13. Dezember 2002, weil ein Rechtsfehler des Urteils nicht erkennbar war. A. befand sich seit dem 2. Oktober 2001 in Untersuchungshaft sowie anschließend im Maßregelvollzug und in Strafhaft. Er wurde erst nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe am 29. September 2006 entlassen. In der Folgezeit lebte er von Sozialleistungen und der Unterstützung seiner Mutter. Im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens sprach ihn das Landgericht Kassel am 5. Juli 2011 frei. A. verstarb am 29. Juni 2012.

Der 2. Strafsenat hat die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 13. September 2013 (15 KLs 331 Js 7379/08) als unbegründet verworfen. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

In einem Beitrag auf SPON vom 13.9.2013 schreibt die Journalistin Julia Jüttner über die mündliche Urteilsbegründung des Instanzgerichts:

Die Zerstörung einer Existenz könne man nicht wiedergutmachen, die verlorenen Jahre nicht zurückgeben, sagt Richterin Bunk. „Deshalb kann dieses Urteil keine Wiedergutmachung sein.“ Auch nicht für Arnolds Angehörige, die unter den Vorwürfen sehr gelitten hätten. Dennoch würde sich „die Justiz gerne bei ihnen entschuldigen“.

Wie es zu diesem Fehlurteil kam, berichten Claus Peter Müller und Julia Schaaf in der FAZ vom 25.07.2011.

Diesen Verfahrenskomplex sollten alle, die in vergleichbaren Strukturen an einem Strafverfahren beteiligt sind, als mahnendes Beispiel stets in Erinnerung behalten.

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Genickbruch durch den kriminellen Haufen?

441780_web_R_K_by_sigrid rossmann_pixelio.deAm vergangenen Montag habe ich über einen Vorsitzenden Richter berichtet, der sein Urteil nicht nur mit ungewöhnlich deutlichen Worten begründet hat, sondern auch mit den Beweisaufnahmen zweier Verfahren ein wenig durcheinander gekommen ist.

Dieser Richter hatte den Plan „A“, nämlich den Start einer dritten Beweisaufnahme. Alles in der selben Sache, die (von der Staatsanwaltschaft?) auf drei Verfahren verteilt worden ist; siehe dazu den Montagsbericht, der mit den prognostischen Worten endete:

Es könnte sein, daß Plan „B“ eine gewisse Bedeutung bekommen könnte.

Am Donnerstag ging es erst einmal weiter mit der Beweisaufnahme in dem ersten Verfahren. Das heißt, es ging nicht weiter. Weil nämlich auch die dortigen Verteidiger die Zeitung (und das eine oder andere Weblog 8-) ) lesen oder sich auf anderen Kanälen für die Urteilsbegründung der zweiten, beendeten Beweisaufnahme interessiert haben.

Es kam, wie es kommen mußte: Gleich drei Ablehnungsgesuche lagen zu Beginn des Hauptverhandlungstermins auf dem Richtertisch. Im Wesentlichen hatten die drei Angeklagten den Eindruck, der Vorsitzende und ein Beisitzer seien voreingenommen, weil sie mit dem kriminellen Haufen vorbefaßt waren.

Wenn es läuft, dann läuft’s. Und es kommt erst einmal noch dicker.

Sobald ein oder mehrere Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, müssen andere Richter darüber entscheiden, ob dem Gesuch stattzugeben ist. Auf Antrag hat nun der Vorsitzende Richter die drei anderen Richter mitgeteilt (§ 24 III 2 StPO).

Nicht nur etwas ungeschickt war allerdings, eine Richterin zu bestimmen, die bereits Mitglied der Strafkammer war, die das Urteil in der zweiten Sache (das mit dem kriminellen Haufen und der Verwechslung der Beweisaufnahmen) erlassen hat. Über das Ablehnungsgesuch hinsichtlich dieser Richterin entscheiden dann im Laufe dieser Woche drei andere Richter.

Die Wahrscheinlichkeit der Notwendigkeit der Umsetzung des Plans „B“ (es lebe der Genitiv – yeah!) ist wohl nicht gesunken, sondern eher gestiegen: Am Ende der beiden Ablehnungsverfahren könnte unter dem dunklen Lichte des § 24 II StPO ein Genickbruch zu diagnostizieren sein.

Nebenbei – zur ergänzenden Information:
Der erste Prozeß ist bereits einmal geplatzt, weil eine Richterin krank wurde. Man hat also schon einmal bei Null anfangen müssen. Dann weiß man ja inzwischen, wie sich das anfühlt.

Und nein:
Das ist alles wahrlich kein Grund zum Frohlocken! Diejenigen, die seit 2011 in der Ungewißheit leben, was am Ende des Verfahrens aus ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Existenz wird, sind nur wenig begeistert – über die seltsamen Arbeitsmethoden der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren und die gewöhnungsbedürftige Verfahrensgestaltung durch diesen Strafkammervorsitzenden im Hauptverfahren.

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Bild: sigrid rossmann / pixelio.de

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Samsung und die Rechnung

Ich habe das Ladekabel für mein Samsung Smartphone im Hotel vergessen. Der Einfachheit halber habe ich ein neues gekauft. Und weil ich mir sicher sein wollte, ein Original-Teil zu bekommen, habe ich das Kabel bei Samsung im Online Shop bestellt.

Es hat ein paar (7 oder 8?) Tage gedauert, dann traf es auch ein. Allerdings fehlte die Rechnung. Ich habe handschriftlich auf dem Lieferschein per Briefpost eine solche angefordert. Danach waren dann noch 3 (drei!) weitere Telefonate (die mir meine Assistentin abgenommen hat) erforderlich, in denen ich mit empfindlichen Übeln (vulgo: Klage) drohen mußte, bevor der entnervte Mensch in dem Callcenter endlich aufgab. Zuvor hatte behauptet, die Versendung einer Rechnung sei weder per Post noch per eMail möglich. Ich müsse erst einen Nutzer-Account anlegen und hier und dort klicken und auswählen und was-weiß-ich-nicht-noch-für-welche Internet-Adressen in den „Internet-Explorer“ eingeben.

Nun traf dieses Prachtstück einer Rechnung mit Umsatzsteuer-Ausweis hier ein:

samsung rechnung

Ok, es ging mir nicht um die paar Cent Vorsteuer, die ich jetzt (vielleicht) vom Finanzamt zurück bekomme. Sondern um das Prinzip. Ja, nennt mich ruhig „Prinzipienreiter“. Ich hätte diesen „größten südkoreanischen Mischkonzern“ auch mit einer Klage überzogen.

Was ist das für eine Art mit Kunden umzugehen? Die Inhaberin des Edeka-Ladens bei uns zuhause um die Ecke, bei dem ich maximal zweistellige Umsätze mache, hat deutlich bessere Umgangsformen, als dieser asiatische Gemischtwarenhändler, an den ich bereits hohe vierstellige Beträge gezahlt habe. Wenn ich von Tante Emma eine Quittung brauche, dann schreibt sie mir eine und gut is. Aber das Samsungsgebahre hier ist doch wohl das Letzte!

Und das nächste Mal kaufe ich mein Zeug – zudem für die Hälfte des Preises – wieder auf dem grauen Markt, bevor ich mir sowas nochmal antue. Original-Saftladen, elender.

Vielen Dank an meine Assistentin, die ihre eigenen Nerven behalten und meine geschont hat!

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Schweigende Mordverdächtige und nichtssagende Meldungen

690905_web_R_by_Thorben Wengert_pixelio.deEine Agenturmeldung der dpa machte am Mittwochmorgen die Runde:

Thema jener Meldung waren „tödliche Schüsse“ auf einem „Neuköllner Parkplatz„. Besonders hervorgehoben war der Umstand, daß die „Mordverdächtigen schweigen“ (in der Überschrift) und daß die „beiden Mordverdächtigen vor dem Berliner Landgericht die Aussage verweigern“ (in der Meldung).

Richtig ist, daß die beiden Angeklagten schweigen. Falsch ist – jedenfalls die Formulierung, daß sie die Aussage verweigern. Sie verteidigen sich durch Schweigen und machen damit Gebrauch von einem Recht, das ihnen Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert.

Eine weitere Formulierung in der Meldung ist schief: Es gibt keinen „heimtückischen Mord“, sondern allenfalls einen „Mord aus Heimtücke“. Aber das sind Feinheiten, die immer wieder gern mal dem journalistischen Hobel einer Agenturmeldung zum Opfer fallen.

Die Staatsanwaltschaft und die Medien gehen also von einem Kapitalverbrechen aus. Das stimmt. Die Meldung ist aber insoweit unvollständig, weil nicht nur Heimtücke, sondern auch ein „niedriger Beweggrund“, ein weiteres Mordmerkmal, vorgelegen haben soll. Aber vielleicht verschweigt die Agentur diesen Teil der Anklagebehauptung auch deswegen, weil er auf ziemlich dünnenm Eis ruscht (nicht: steht!). Die späte Rache erscheint nach aktueller Sachlage wohl auch eher ein Blick in die Kristallkugel zu sein. Der unterstellte Beweggrund wirkt, wie dargestellt, mehr als nur konstruiert.

Es gibt zudem keine objektiven Beweise für die Täterschaft der Angeklagten. Nur ein paar äußerst vage Zeugenaussagen stützen die Theorie (sic!) der Anklagebehörde. Es gibt keine Identifizierung der Tatbeteiligten, etwa durch eine Wahllichtbildvorlage oder (DNA-)Spuren. Lediglich ein paar wenige Indizien liegen der Anklageschrift zugrunde, die – bei Lichte betrachtet – ein unrundes Bild abgeben, das voreingenommene Ermittler durch einen Tunnel erblickt haben wollen.

Um noch einmal auf die EMRK zurück zu kommen, die auch die Spielregeln des deutschen Strafprozeßrechts entscheidend bestimmt: Es ist Sache der Strafverfolgungsbehörde, den Tatnachweis zu führen und die Schuld des Verdächtigen zu beweisen. Ein Angeklagter ist nicht in der Position, in der er seine Unschuld beweisen muß, auch wenn es das wäre, was sich die Ermittler – und Teile der Medien – gern wünschen würden, wenn man sie denn ließe.

In dieser Situation ist es doch naheliegend, daß ein unschuldiger (Art. 6 Abs. 2 EMRK!) Angeklagter schlicht schweigt, um sich gegen den heftigen Vorwurf zu verteidigen, einen Mord begangen zu haben. Denn mehr als „Ich war es nicht!“ könnte er ohnehin nicht sagen, wenn er nicht am Tatort war. Dann ist es allemal sicherer, wenn der Angeklagte dem Rat seines Verteidigers folgt, und nichts sagt; das, was zu sagen wäre, läßt sich bequem und gefahrlos auf anderem Wege in die Beweisaufnahme einführen.

Aber die interessiert dann wieder die Presseagenten nicht. Leider.
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Bild: © Thorben Wengert / pixelio.de

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Update: Noch eine Konsequenz

Heute morgen habe ich einen Beitrag veröffentlicht über einen Mandanten, der – wie sich im Nachhinein herausgestellt hat – ein paar üble Organisations-Probleme hatte. Und das, obwohl er beruflich exakt in einem Bereich tätig ist, in dem Organisations-Know-How gefragt ist.

Aber vielleicht kann er gemeinsam mit seiner Bank nochmal üben, wie das geht, mit so einem komplexen Vorgang wie eine Inlandsüberweisung. Anlaß dafür gäbe es ja, wie diese eMail zeigt, die mich soeben erreicht hat:

Mehrfachüberweisung

Ich habe – als zuverlässiges Organ der Rechtspflege – natürlich sofort reagiert:

meerblick2

Wenn’s läuft, dann läuft’s. Muito Obrigado!

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Eine Konsequenz deutlicher Hinweise

Nebenklägerinvertreterin - 532554_web_R_B_by_Marion_pixelio.deDer Mandant wurde von einem Amtsgericht in einem nicht ganz südlichen Bundesland verurteilt. Es war zwar „nur“ ein Ehrkränkungsdelikt, aber sowohl Gegenstand als auch die Rechtsfolge hatten es echt in sich. Und den im Raum stehenden Eintrag ins Führungszeugnis konnte der Mandant nun überhaupt nicht gebrauchen. Die Wurst war’s, um die es ging.

Das Amtsgericht hatte es sich einfach gemacht. Die Frage, ob die behauptete Tatsache falsch oder zutreffend war, ist offen geblieben – nach dem Motto: Selbst wenn die Tatsache zutreffend wäre, reichte sie nicht zur Rechtfertigung der Ehrkränkung. Bei der Tatsache handelt es ich um eine angebliche Sexualstraftat zur Lasten eines Kindes, die sich vor ein paar Jahren ereignet haben soll. Oder nicht. Schon das war streitig und seinerzeit auch nicht abschließend aufgeklärt, sondern die Sache ist sanktionslos eingestellt worden.

Sicher nicht einfach mal so nebenher aufzuklären; aber schlicht darüberhinweg zu urteilen, geht ja nun auch nicht.

Dann ging es noch um die Täterschaft, der Mandant bestritt die ihm zur Last gelegte Ehrkränkung; es gab realistische Alternativ-Szenarien, die in der ersten Instanz vom damaligen Verteidiger nicht ins Programm genommen wurden. Er war ja auch eher ein hervorragender Mietrechtler (auf Vermieterseite, wie er betont) …

Die Chancen standen also so schlecht nicht, daß am Ende der Berufungsinstanz etwas herauskommt, was dem Mandanten nicht die Beine unterm Hintern wegzieht.

Ach so, bevor ich’s noch vergesse: Am Katzentisch – genauer: Am Raubkatzentisch – der Staatsanwaltschaft saß die Nebenklage. Mit reichtlich Messer zwischen den Zähnen der Fachanwältin für Familienrecht.

Insgesamt also die helle Freude, eine spannende und anspruchsvolle Aufgabe für einen Strafverteidiger, die ich gern übernomme habe. Trotzdem, das Mandat hatte dann doch kein Happy End. Und das kam so:

Ich habe mit dem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung getroffen. Die enthielt folgenden deutlichen Hinweis:

deutlich01

Die Situation erlaubte es nicht, zu Beginn der Arbeit sofort einen Vorschuß zu liquidieren. Ich habe einfach mal losgelegt und kam auch gut voran.

Irgendwann stand dann der Termin vor dem Landgericht fest und es ging ans Eingemachte. Ich habe die Vergütung für etwa vier Stunden Vorarbeit abgerechnet und einen Vorschuß auf das Honorar für die Verteidigung vor der Strafkammer auf den Zettel geschrieben.

Bis zum Termin waren es noch locker zwei Wochen, ich habe mich auf eine entspannte Vorbereitung eingestellt. Geplant waren Opening Statement, ein paar Anträge und eine genauere Analyse der Zeugenaussagen, die über 6 Leitakten, 3 Beiakten und einige Beweismittelordner verteilt waren. Alles gut, es fehlte nur der nötige Schmierstoff, und das, obwohl ich dem Mandant noch einmal den deutlichen Hinweis gegeben hatte, daß auch alter Motor Brennmaterial braucht, um arbeiten zu können:

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Das war am Donnerstag, am darauf folgenden Mittwoch sollte der Termin stattfinden. Für mich wurde die Luft enger, ich habe ein wenig geschoben und noch knapp den kompletten Dienstag für dieses Mandat reservieren können, alles also noch im grünen Bereich. Am Montag habe ich den Mandanten per eMail auf unsere Vereinbarungen und auf den fehlenden Zahlungseingang hingewiesen.

Und nun fing das Standard-Programm an, das mein lieber Kollege Dr. Rüdiger Spormann mal mit folgendem Textchen umschrieb:

Reihenfolge

Ich war enttäuscht, viel Arbeit, tolle Ideen und bereits ein paar fruchtbare Worte mit dem Vorsitzenden Richter. Und dann sowas.

„Längst überwiesen“, „ich frage mal nach“, „Zahlendreher“, „Blitzüberweisung“ … fünf, sechs, sieben eMails hin und her. Der halbe Tag, den ich eigentlich für die Arbeit gebraucht hätte, war bereits im Sack. Ich habe dann schonmal zornig durchgeladen:

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Um Viertelvoreins ging dann eine weitere Nachricht ein mit der Aufforderung(!), ich möge mich sofort(!) bei irgendsoeiner Kleinbank in Westdeutschland erkundigen, daß die Zahlung angewiesen sei. So gern, wie ich die Tierchen mag, aber zum Affen lasse ich mich dann ja doch nicht machen:

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Dann habe ich erstmal Mittagspause gemacht: Schweinerücksteak auf Blattspinat mit gerösteten Kartoffelecken. Das beruhigt die Nerven. Müde und satt habe ich aufs Konto geschaut, einen Caffè getrunken und dann nochmal zusätzlich bei dem Bankberater meines geringsten Mißtrauens angerufen – kein Zahlungseingang. Und peng:

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Den Nachmittag habe ich dann für ein paar stupide Verwaltungsarbeiten verwandt, zu denen ich in meinem heiligen Zorn gerade in der richtigen Stimmung war.

Es hätte so schön werden können.

Tags drauf ging der geforderte Rechnungsbetrag ein. Und zwar gleich zweimal. 10 Minuten später hatte ich die verbindliche Bestätigung meiner Bank, daß der von mir abgerechnete und angewiesene Zuvielbetrag wieder zurück zum Absender unterwegs war.

Was mich jetzt noch fuchsig macht: Ich weiß ganz sicher, was herausgekommen wäre, wenn der Mandant rechtzeitig gezahlt hätte. Aber ich kenne das tatsächliche Ergebnis nicht. Wenn ich es nicht mehr aushalte, rufe ich doch nochmal den Richter an.

Update:
Es hat eine Reaktion gegeben.
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Bild: Marion / pixelio.de

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Ehrlich eingemauert

Der Mandant ist jetzt (wieder) auf dem konkreten Weg der Besserung. Er litt zur Tatzeit an einer massiven psychiatrische Erkrankung. Deswegen war er schuldunfähig (§ 20 StGB). Und weil er gleichzeitig unter Beweis gestellt hat, imstande zu sein, eine vollbesetzte Neuköllner Eckkneipe binnen kürzester Zeit leer zu räumen, hat man ihn vor ein paar Jahren in ein Krankenhaus des Maßregelvollzug eingewiesen (§ 63 StGB).

Nach langer Zeit und einigen Irrungen und Wirrung steht nun seine Entlassung unter Bewährungsaufsicht an. Die Klinik ist der Ansicht, das würde nicht nur funktionieren, sondern auch, daß weitere Heilungserfolge innerhalb der Unterbringung nicht mehr zu erzielen seien.

Bemerkenswert offen beurteilt der Chefarzt den Zustand seiner Einrichtung, wie sie in der Regel von den Untergebrachten empfunden wird. Aus der an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts adressierte Stellungnahme des Arztes:

Eingemauert

Intramural, also innerhalb der Mauern. Eine erfrischend ehrliche Umschreibung der Zustände in der forensischen Psychiatrie.

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Anstaltsleiter in die Raucherzelle!

461836_web_R_K_by_Giovanni Borea_pixelio.deDer 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat ein Herz für Nichtraucher. Die Richter haben den raucherfreundlichen Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 03.02.2014 exakt fünf Monate später am 03.07.2014 unter dem Aktenzeichen 1 Vollz (Ws) 135/14 abgeändert.

Inhaftierte Nichtraucher dürfen danach nicht (mehr) mit rauchenden Mitgefangenen in einer Gemeinschaftszelle untergebracht werden (wenn sie die fünf Monate überlebt haben ;-) ). Nur wenn sie passionierte Passivraucher sind und einer gemeinschaftlichen Unterbringung mit Rauchern ausdrücklich zustimmen, kann die Knastverwaltung sie in die Raucherzelle schließen.

Im vorliegenden Fall ging es um einen Strafgefangenen, der eine mehrjährige Haftstrafe in einer süddeutschen Justizvollzugsanstalt verbüßt. Er wurde zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins beim Amtsgericht Gelsenkirchen im September 2013 in die Justizvollzugsanstalt Essen überstellt. Dort wurde er vier Tage in einer Gemeinschaftszelle gesteckt, in der sich ein paar Quarzer die Lungen mit Nikotin vollpumpten.

Die Essener Richter wollten sich mit einem Taschenspielertrick aus der Affaire ziehen. Der Bayern-Knacki hatte beantragt, seine Unterbringung in einer Zelle mit den Nikotin-Junkies für rechtswidrig zu erklären. Die Strafvollstreckungskammer des LG Essen wies diesen Antrag zurück, da der Strafgefangene gegenüber der Justizvollzugsanstalt seinerzeit nicht beantragt habe, in einer Einzelzelle oder in einer rauchfreien Gemeinschaftszelle untergebracht zu werden.

So geht’s nicht, meinten die OLG Hammer. Das nordrhein-westfälische Nichtrauchergesetz verbiete das Rauchen in einem mit mehreren Personen belegten Haftraum, wenn eine der darin untergebrachten Personen Nichtraucher sei. Das sei von Amts wegen zu berücksichtigen, also auch ohne Antrag des Nichtrauchers. Wenn die JVA meint, Raucher mit Nichtrauchern gemeinsam wegschließen zu müssen, sei sie gehalten, vorher mal nachzufragen.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie manche Knastleitungen und Strafvollstreckungskammern mit einer Selbstverständlichkeit davon ausgehen, aus einem Knast ein Loch machen zu müssen, das zu Zeiten akzeptabel war, in denen man sich das Mittagessen noch mit der Keule besorgen mußte. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, daß erst über zwei Instanzen mühsame Klimmzüge gemacht werden müssen, um eine einigermaßen menschenrechtskonforme Unterbringung zu erstreiten.

Aus der Website der JVA Essen:

Es sind zahlreiche […] Hilfsangebote entwickelt worden, die allesamt dazu beitragen sollen, das es dem Gefangenen gelingt, […] künftig in sozialer Verantwortung ein Leben […] zu führen.

Vielleicht sollte man dem Anstaltsleiter auch mal so ein Hilfsangebot machen. Nötig hätte er es.

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Bild: Giovanni Borea / pixelio.de

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Ein krimineller Haufen beim Landgericht

371559_web_R_K_B_by_Dieter Schütz_pixelio.deEine Gruppe von rund 30 Personen hatte sich zusammen gefunden, um eine wirtschaftlich recht lukrative Geschäftsidee umzusetzen. Die Ermittlungsbehörden wurden darauf aufmerksam und machten ihren Job. Der Gegenstand der Geschäfte verstieß nach Ansicht der Ermittler gegen eine ganze Batterie von Vorschriften.

Die Sache entwickelte sich und im Laufe dreier Jahre füllte sich ein kompletter Raum in der Größe eines mittelständischen Wohn-Eß-Zimmers mit Ermittlungsakten.

Irgendwann war es dann aber soweit, die Staatsanwaltschaft schloß die Ermittlungen ab (§ 169a StPO). Und nun beginnt die eigentliche Geschichte.

Etwa die Hälfte der Beschuldigten wurden im Schnelldurchgang (teils per Strafbefehl nach §§ 407 StPO) „abgearbeitet“. Es verblieben dann noch 17 Leute, gegen die Anklage erhoben wurde. Aber nicht eine, sondern drei:

  • Gegen 8 Personen begann der erste Prozeß im Frühjahr und ist noch nicht beendet.
  • Es folgte ein zweites Verfahren gegen weitere 4 Personen, von denen 3 kürzlich verurteilt wurden. Ein Angeklagter ist krank geworden.
  • Ein drittes Verfahren gegen die 5 letzten Gruppenmitglieder wird nach Plan „A“ Anfang Dezember beginnen.

Diese Aufteilung war vermutlich dem erheblichen Umfang der Sache mit einer knappen Viertelmillion Blatt Akten geschuldet. Vielleicht auch, weil die Staatsanwälte mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln überfordert waren.

Daraus entwickelten sich jetzt ein paar Probleme, die man unter dem Stichwort „Vorbefaßtheit“ in der Rechtsprechung und in der juristischen Literatur zum Thema Befangenheit findet und z.B. im Zusammenhang mit §§ 22 Nr. 4, 23, 148a Abs. 2 Satz 1 StPO diskutiert. Denn alle drei Verfahren werden vor derselben Wirtschaftsstrafkammer unter Vorsitz desselben Richters geführt.

Aber nun zur Überschrift dieses Beitrags.

In der mündlichen Begründung des Urteils des 2. Verfahrens bezog sich der Richter den Angaben von Prozeßbeteiligten zufolge teilweise auf Ergebnisse der Beweisaufnahme im 1. Verfahren und begründete damit die Entscheidung der Kammer im 2. Verfahren. Ja klar, bei dem Umfang kann man ja schonmal was durcheinander bringen, nicht wahr?

In Medien-Berichten (Lisa Steger auf rbb-Online und Marion Kaufmann in der MAZ) über den Ausgang dieses 2. Verfahrens wird der der Richter mit dem knackigen Satz „Es war ein krimineller Haufen, der Geld verdienen wollte.“ zitiert, mit dem er den Charakter zumindest der soeben Verurteilten umschrieb.

Da muß man jetzt mal schauen, wie der Richter das gemeint hat. Beziehungsweise wen er sonst noch damit gemeint haben könnte.

Übrigens:
Den Begriff „Haufen“, mit dem eine Ansammlung von Menschen beschrieben wurde, fand der Gesetzgeber bereits Anfang 1998 unappetitlich (6. StrRG v. 26.1.1998, BGBl. I 164). Seit dem 1. April 1998 spricht das Gesetz daher politisch korrekt von „Gruppe“. Es gibt weitere Begriffe für dieses Phänomen: Gruppierung, Bande, Vereinigung, die alle nicht so ekelig klingen, wie diese – in Hinblick auf die noch nicht verurteilten Angeklagten zweideutige – Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters einer Wirtschaftsstrafkammer.

Es könnte sein, daß Plan „B“ eine gewisse Bedeutung bekommen könnte.
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Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

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