Monatsarchive: November 2014

Der Sonntagsgedanke: Vorschuß muß!

Beim Aufräumen meine eMail-Postfächer fiel mir der Spam von BIG BENN BOOKS in die Hände. Ich habe dann mal geschaut, welche Hinweise gegeben werden unter der Überschrift:

JedenTagReicher

Dieser Newsletter enthielt einen Link zu einer Website mit dem Titel

SchuldenKO

Dort werden ein „Herr Schulden-Drückeberger“ und seinesgleichen vorgestellt, die sich einfach nur ein leichteres, sorgenfreieres Leben mit weniger Kälte, Hektik und Gängelung wünschen, ihre ganz persönliche Rache nehmen an einem System, das immer mehr Leistung fordert, aber immer weniger Menschlichkeit hervorbringt und die auf jeden Fall für sich zum Schluss gekommen sind, daß sie einen guten Grund haben, Schulden Schulden sein zu lassen.

Es werden auf dieser Seite Ratschläge erteilt, wie man an die Leistung anderer Menschen kommt, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Und das alles selbstverständlich(!) stets(!!), ohne dabei eine Straftat zu begehen:

ImmerSchönLegal

Weitere Tips sind „Immer auf Zeit spielen„, „Immer unerreichbar sein„, „Immer täuschen und tarnen„, „Immer so langsam wie möglich und so schnell wie nötig“ und „Immer gelassen und freundlich„.

Gegen solche „Prinzipien“ gibt es jedoch ein ganz einfaches Mittel:

Die Leistung wird nur dann erbracht, wenn die Gegenleistung vollständig gesichert ist. Beim Brötchenkauf ist das der Zug-Um-Zug-Austausch: Das Gebäck geht nur dann über die Bäckertheke, wenn das Bare in der Geldschale liegt. Alles andere birgt Risiken in unterschiedlicher, meist aber in hoher Qualität.

Rechtsanwälte und ganz besonders Strafverteidiger können dieses Zahlungsausfallrisiko nur dann sicher ausschließen, wenn sie auf Vorauszahlung der Gegenleistung bestehen. Solche Empfehlungen wie die oben zitierten des …

Roland Benn

… bestätigen, daß es keine sinnvolle Alternative zu dieser (gesetzlich in § 9 RVG geregelten) Praxis gibt. Das gilt selbstverständlich auch für alle anderen am Wirtschaftsleben Beteiligte.

Obiter dictum:
Richter, Staatsanwälte, Bezirksrevisoren und Rechtspfleger bekommen ihr Gehalt auch vorschußweise stets am Monatsersten. Die sind auch nicht blöd. ;-)

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Ein ungeprüfter Gedanke zum Frühstücks-Caffè

Was passiert eigentlich, wenn der eine oder andere auswärtige Beteiligte zum heutigen (und morgigen) Hauptverhandlungstermin nicht erscheint?

Weil er nicht nach – sagen wir mal – Potsdam anreisen kann. Wegen dieses obersten Lokomotivführers. Und die Unterbrechungsfrist des § 229 StPO dadurch überschritten wird. Und dann das Verfahren – zum dritten Mal – von vorn beginnen muß.

Wer trägt dann eigentlich die Kosten des Verfahrens?

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Digitales aus Potsdam

Kafka_Der_Prozess_1925Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt seit 2011, packt das Ergebnis der Ermittlungen in Papierform zwischen Pappendeckel und dekoriert damit die Wände von Abstellkammern. Ich habe darüber schon ein paarmal berichtet. Dabei bin ich davon ausgegangen, die Ermittler können es nicht besser, als mit mittelalterlichen Methoden ein Cybercrime Verfahren zu führen.

Jedenfalls ist es der Behörde auf diesem Wege schonmal gelungen, eine Anklage zu schreiben und die rund 500 Seiten ans Gericht zu schicken. Vorn dort haben wir dann – auf Altpapier kopiert – die Zustellung der Anklage und Gelegenheit zur Stellungnahme im Zwischenverfahren erhaten. Das war Mitte/Ende Juni 2014.

Die Zustellung der Anklage löst einen Textbaustein hier aus, der unter anderem den Antrag auf Akteneinsicht enthält. Da es sich um ein etwas – sagen wir mal höflich – ungewöhnlich geführtes Ermittlungsverfahren gehandelt hat, war dieser Akteneinsichtsantrag ebenso ungewöhnlich, nämlich recht ausführlich.

Ich habe dann noch das eine oder andere Mal an die Akteneinsicht erinnert, und nun ist es dem Gericht endlich gelungen, auf dieses Akteneinsichtsgesuch zumindest einmal zu reagieren:

LG Potsdam und die Akteneinsicht

Es sind insgesamt 31 Aktenbände, verteilt auf 36 Dateien, die laut Dateinamen insgesamt 13.520 Blatt umfassen sollen. Inhaltlich sind es noch ein paar Seiten mehr, gnadenlos jedes Blatt Papier wurde von vorn und hinten eingescannt; nur etwas weniger als die Hälfte der Seiten bildet ausschließlich die beiden Löcher ab, die zum Abheften ins Papier gestanzt wurden. Alles in schwarz/weiß. Soweit man von weiß sprechen kann, wenn man graues Altpapier durch einen alten Scanner mit verfusselter Optik zieht.

Aber nur die wesentlichen Teile der Ermittlungsakte; die unwesentlichen Teile habe ich bisher noch nicht einsehen können, wobei ich bisher nicht sicher bin, ob die „unwesentlichen“ Teile – aus wessen Sicht auch immer – sich dann doch als wesentlich herausstellen soll. Darüber reden wir noch …

Wobei das Gericht ja auch nur an die „wesentlichen“ Verteidiger (u.a. an den hier) die CD geschickt hat; die „unwesentlichen“ Verteidiger warten noch auf ihre beantragte Akteneinsicht.

1925 wurde bereits einmal über einen Prozess berichtet, der gewisse Ähnlichkeiten mit dieser Potsdamer Wirtschaftstrafsache aufweist. Entweder hatte der gute alte Franz K. hellseherische Fähigkeiten, oder die Potsdamer Justiz ist auf dem Stand jener Zeit.

Aber ich erkenne an, daß sich das Gericht nach Kräften zumindest bemüht hat. Insoweit schönen Dank auch. Und ich bin heilfroh, daß ich nicht Vorsitzender einer Wirtschaftskammer bin, der sich von einer überforderten Staatsanwaltschaft mit chaotischen Papierbergen zuschütten lassen muß.

Aber mit ein bisschen Glück hat der Vorsitzende heute Anlaß zur Freude, wenn er dieses Verfahren los wird (besser: … das Verfahren ihn los wird); ich drücke ihm jedenfalls die Daumen.

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Weniger zahlen?

Regelmäßig einmal monatlich stellt mir die Landesbank Berlin AG – Amazon.de KartenService die folgende dämliche Frage:

Kreditkartenabrechnung

Ich bin versucht zu antworten: Nein, ich möchte nicht weniger zahlen, sondern gar nichts. Aber ich fürchte, diese schlipsdekorierten Geldverleiher sind eher humorlos; sonst wären sie ja Strafverteidiger geworden.

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Privilegierte Webhoster

Das Telemediengesetz (TMG) schützt Webhoster vor Strafverfolgung. Darauf bzw. auf ein Urteil des Kammergericht (KG) Berlin v. 25.08.2014 – Az.: 4 Ws 71/14141 AR 363/14 – weist der Hamburger Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr auf seiner Website Webhosting & Recht hin.

Dr. Bahr formuliert unter der Überschrift

Für Webhosting-Unternehmen gelten Haftungsprivilegien des TMG auch im Strafrecht

folgende Leitsätze:

1. Für ein Webhosting-Unternehmen gelten die Haftungsprivilegien des TMG auch im Strafrecht.

2. Der Betreiber eines Webhosting-Hosting haftet für strafbare Inhalte auf Domains, die er hostet, somit nur dann, wenn er aktive positive Kenntnis hat. Ein fahrlässiges Nichtkennen reicht nicht aus.

In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz „Unwissenheit schützt also doch vor Strafe“, jedenfalls den Webhoster. Das muß der Verteidiger aber wissen und die rechtsgebietsübergreifende Anwendbarkeit des § 10 TMG auch im Strafrecht kennen.

Besten Dank an Rechtsanwalt Dr. Bahr für den Hinweis auf diese Entscheidung.

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