Monatsarchive: Dezember 2014

Der Strafverteidiger empfiehlt – 84

Strafverteidiger,Berlin,,Kreuzberg,Paul-Lincke-UferHeute:

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Springers Brandstifter

49615_web_R_by_Jürgen Acker_pixelio.deVor einiger Zeit habe ich einen Mittdreißiger verteidigt, der beim Umziehen am Baggersee vergessen hatte, daß er sich als Heranwachsender mal ein briefmarkengroßes Hakenkreuz auf die Schulter tätowieren lassen hat. Zwei Hauptverhandlungstermine vor dem Strafrichter hat es gebraucht, bis die Staatsanwaltschaft sich mit einer Einstellung des (§ 86a StGB)-Verfahrens einverstanden erklärte. Mein Mandant hatte zwischen den beiden Terminen das Kennzeichen der verfassungswidrigen Organisation umstechen lassen („Das ist das Haus vom Nikolaus.„).

Gegen diese „Schrift“ hier (PDF), die die Herrschaften Jonas Herrmann, Christian Seidl und Volker Weinl gestochen haben, und die seit dem 30.11.2014 bis zum heutigen Tag unverändert verbreitet wird, ermittelt jedoch kein Staatsanwalt. Obwohl die Gefahr, die von einem solch widerwärtigen Artikel ausgeht, nicht vergleichbar ist mit der Gedankenlosigkeit eines Postpubertisten ohne Hauptschulabschluß.

Ich habe anfangs überlegt, ob diese Drei aus der Gosse der Rudi-Dutschke-Straße lediglich „ein bisschen provozieren“ wollen, und mich zurück gehalten. Nun berichtet aber auch das Bildblog über diese geistigen Brandstifter, pflückt den Beitrag auseinander und merkt an, daß dieser dilettantisch recherchierte Hetzartikel immer noch online ist.

Angesichts solcher Bewegungen wie Pegida in Dresden stelle ich mir aber die Frage, ob Jonas Herrmann, Christian Seidl und Volker Weinl tatsächlich Dilettanten und des Lesens (und der Sinnentnahme) nur eingeschränkt kundig sind. Oder haben sie ganz bewußt „alles vermieden oder verschwiegen […] was das Märchen vom Weihnachtsmarktverbot als solches entlarvt hätte“ (Bildblog). Um gezielt das zu schüren, was vor einigen Jahren in solchen rassistischen Pogromen endete?

In Hoyerswerda und Rostock standen „die Ausländer“ im Focus des Mobs. Verfolgen die möglicherweise von dumpfen Ressentiments getriebenen Kleinbürger Jonas Herrmann, Christian Seidl und Volker Weinl mit ihrem Beitrag das gleiche, nur jetzt gerichtet gegen „die Muslime„?

Man darf und muß den Islam (wie jede andere Religion auch) kritisieren. Gegen ihn und gegen diejenigen, die an ihn glauben, aber auf diese gefährliche Art zu hetzen, wird – wenn man diese Zündler laufen läßt – zu brennenden Moscheen in Berlin führen. Das – und diese geistlosen Brandstifter Jonas Herrmann, Christian Seidl und Volker Weinl – gehören verhindert.

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Bild: Jürgen Acker / pixelio.de

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 83

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Aufstehen, Krönchen gerade rücken, weitermachen!

BechsteinreichenbergerEnde November war’s soweit: “Habe fertig” und “Adieuschrieb der Kollege Detlef Burhoff. Und hat damit wohl die gesamte Jura-Blogger-Szene in Aufregung versetzt.

Doch schnell wurde dem Leser klar, einen Intensivblogger wie „den Burhoff“ bekommt man nicht so schnell aus dem Netz.

Drei Tage war der Burhoff krank. Jetzt bloggt er wieder, Gott sei Dank!

Aber irgendwie hat er sich verändert. Kämpferischer scheint er geworden zu sein, der sonst so richtertypisch zurückhaltende OLG-Pensionär. Und erfreulich deutlich in seinen sonst so moderaten Tönen.

Unter einer provokanten Überschrift – Zum Sterben in die JVA – kritisiert Herr Burhoff mit knackigen Worten einen Beschluß des Landgericht Kleve und bestätigt damit ein Phänomen, das Strafverteidiger gemeinhin mit dem Denkspruch „U-Haft schafft Rechtskraft“ umschreiben.

Seine Frage, ob es menschenverachtend sei, jemanden, der kein halbes Jahr mehr zu leben hat, in den Knast zu stecken, beinhaltet gleich auch schon die Antwort; auch wenn Herr Burhoff danach doch noch einmal abwägt – „einerseits / andererseits“ – und Versöhnliches in dem Beschluß zu entdecken vorgibt; am Ende spricht der Blogger dann doch Klartext:

Fluchtgefahr und Wiederholungsgefahr wären auch erneut zu überprüfen, wenn der Beschuldigte durch objektiv überprüfbare Aufklärungshilfe die Verbindungen zu den Rauschgifthändlern unwiderruflich kappen würde. Wenn man das liest, erkennt man die m.E. wahren Gründe für die Fortdauer der U-Haft: Sie ist hier im Grunde nichts anderes als Beugehaft. Man hofft offenbar, so an die „brandgefährlichen“ Hintermänner zu kommen.

Beugehaft ist ein sehr höfliches Wort für das, was den Inhalt dieser Haftfortdauer ausmacht. Man könnte auch mal über den Begriff der Aussage-Erpressung nachdenken.

Unübersehbar, jedenfalls für den, der auf eindeutige historische Zusammenhänge sensibel reagiert, ist dann noch der Hinweis auf das Totschlagargument des Rechtsguts der „Volksgesundheit“, das offenbar gedankenlos zum Standard im Betäubungsmittelstrafrecht gemacht wurde. Bei dieser Formulierung sträuben sich nicht nur Herrn Burhoffs Nackenhaare.

In jedem Ende liegt ein neuer Anfang,

… stellte Miguel de Unamuno zutreffend fest. Bei Detlef Burhoff ist es ein kämpferischer Neuanfang. Wenn er so weiter macht, dauert es nicht mehr lange, dann richtet er seine neue Kanzlei in einer Kreuzberger Fabriketage ein. Ich würde mich über diesen Nachbarn sehr freuen.

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 82

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Sie lernen dazu

Bei dieser Nachricht mußte ich zweimal hinschauen, bevor ich sie als Fake identifiziert habe:

Friendshomeco

Ich habe einen Account bei Paypal, die persönliche Anrede und keine sofort auffallende Rechtschreibefehler – Kriterien, die auf eine „echte“ Benachrichtung hindeuten.

Die Währung, USD, hat mich als erstes stutzig gemacht; ein Blick auf die URL, die hinter den Links steckt und die auf eine Seite mit arabischen Schriftzeichen führt, offenbarten dann, daß der Absender der potentieller Mandant eines Strafverteidigers ist.

Die Fliegenfänger haben dazu gelernt …

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Quod licet Ermittlungsbehörde …

Rudolf_von_Jhering_Büste_von_Ferdinand_Hartzer_1888Es ist schon bemerkenswert:

Wenn ein Verteidiger in einer Revisionsschrift zum Kammergericht oder zum Bundesgerichtshof nicht jede kleinste fieselige Formvorschrift genauestens beachtet, wird ihm (bzw. seinem Mandanten) das Rechtsmittel um die Ohren gehauen: Unzulässig, unbegründet. Und das meist auch noch „offensichtlich“.

Wenn allerdings eine Ermittlungsbehörde sehenden Auges eine Formvorschrift umgeht, hat das keine (in Worten: NULL) Konsequenzen:

Ein Verstoß der Ermittlungsbehörden gegen die Dokumentations- und Begründungspflicht im Falle der Anordnung einer Blutentnahme unter der Annahme von Gefahr im Verzuge nach § 81a Abs. 2 StPO begründet kein Beweisverwertungsverbot.

KG, Beschluss vom 09.10.2014 – 3 Ws (B) 507/14 – 122 Ss 147/14 (PDF)

Wenn „die“ wenigstens ehrlich wären, dann würden sie die Formvorschriften entweder gleich aufheben oder zumindest als bloße Höflichkeits-Empfehlungen kennzeichnen.

Damit dieser Klassiker nicht wieder in Vergessenheit gerät, sei er ein weiteres Mal hier zitiert:

Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit. Denn die Form hält der Verlockung der Freiheit zur Zügellosigkeit das Gegengewicht, sie lenkt die Freiheitssubstanz in feste Bahnen, daß sie sich nicht zerstreue, verlaufe, sie kräftigt sie nach innen, schützt sie nach außen. Feste Formen sind die Schule der Zucht und Ordnung und damit der Freiheit selber und eine Schutzwehr gegen äußere Angriffe, – sie lassen sich nur brechen, nicht biegen.

Rudolf von Jhering (* 22. August 1818, † 17. September 1892)

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Bild: via Wikipedia

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 81

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Journallien wie Florian Flade und Lars-Marten Nagel

Die Verteidiger hatten zu Prozeßbeginn ausdrücklich darum gebeten, die Fotos von ihren Mandanten zu verpixeln. Die Medienvertreter haben sich daran gehalten. Besten Dank insoweit.

Die Herrschaften, die für die Gosse schreiben, namentlich Florian Flade und Lars-Marten Nagel, veröffentlichen den Namen und ein unverpixeltes Foto, das Jakob Hoff von einem der Angeklagten geschossen hat. Wo? In der für diese Art der Berichterstattung bekannten Springerpresse. Wo sonst.

Ob sich das Niveau, auf dem sich diese charakterschwachen Herren Florian Flade und Lars-Marten Nagel ihr FastFood verdienen, von dem Niveau unterscheidet, das den Angeklagten von der Staatsanwaltschaft unterstellt wird, kann ich nicht verbindlich ausschließen.

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Ein verdammt langer Tag

Chevrolet_Orlando_LTZ_1.8_–_Frontansicht,_16._April_2011,_HildenUnser Mandant brauchte ein größeres Auto und kaufte Ende 2012 bei einem Händler einen Chevrolet Orlando für knapp 20.000 Euro. Nach dem Bestellformular sollte es sich um einen EU-Import mit Tageszulassung und Herstellergarantie handeln. Der Mandant, glücklich über sein fast neues Auto, sah sich erst zu Hause die Papiere etwas genauer an und stellte fest, dass sein Chevrolet schon im Frühjahr 2011 erstmalig zugelassen worden war. Aber es kam noch besser. Anhand der Fahrzeugidentifikationsnummer fand er heraus, dass sein Chevrolet Ende 2010 in Deutschland gebaut und an einen ganz anderen Händler ausgeliefert worden war.

Die angebliche Tageszulassung war also ein zwei Jahre altes Auto, das dann auch noch durch mindestens zwei Paar Händlerhände gegangen ist. Nicht mehr ganz so glücklich mit seinem veralteten „Wanderauto“, ließ der Mandant uns den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und verlangte den Kaufpreis zurück. Der Händler weigerte sich. Das Landgericht Berlin musste bemüht werden. Wo Tageszulassung drauf steht, darf kein zwei Jahre altes Auto drin sein, meinte die Richterin (sinngemäß ;-) ) und verurteilte den Händler, das Auto zurückzunehmen und den Kaufpreis zu erstatten.

Das Fahrzeug weist nicht die vereinbarte Beschaffenheit einer „Tageszulassung“ auf und ist nicht „neuwertig“. Dieses stellt einen erheblichen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB dar.

Gegenstand des Kaufvertrages war die Bestellung für ein EU-Importfahrzeug mit Tageszulassung. Bei einem Fahrzeug mit Tageszulassung ist es üblich, dass das Fahrzeug in seiner Beschaffenheit fabrikneu ist (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., S.145, Rn.640; BGH NJW 2005,1422,1423). Ein unbenutztes Kraftfahrzeug ist regelmäßig noch fabrikneu, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als zwölf Monate liegen (BGH NJW 2004,160). Der dieser Entscheidung des BGH zu Grunde liegende tragende Gedanke der Fabrikneuheit ist auf die Bezeichnung EU-Importfahrzeug mit Tageszulassung übertragbar. Tageszulassungen sind eine besondere Form des Neuwagengeschäfts. Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten und verständigen Autokäufer, der bei dem Begriff „Tageszulassung“ erwartet, auch in diesem Fall ein fabrikneues Fahrzeug zu erwerben (BGH NJW 2005,1422).

Neu war der Chevrolet mit gut zwei Jahren Standzeit wahrlich nicht und auch die Weitergabe von einem Händler zum nächsten, ohne das dem Käufer zu sagen, fand das Gericht nicht gut.

Das Fahrzeug hatte mehr als einen Vorhalter beziehungsweise -besitzer, was einen weiteren Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB darstellt.

Zu der Eignung zur gewöhnlichen Verwendung gehört einem Fahrzeug grundsätzlich auch die Anzahl der Vorbesitzer (Palandt – Weidenkaff, BGB, 71. Auflage, § 434 Rn. 29). Die Angabe über Vorbesitzer ist ein für den Fahrzeugkäufer wesentlicher Umstand, wenn der Verkäufer das Fahrzeug selbst kurz zuvor von einem Zwischenhändler erworben hat.

In einem solchen Fall ist der Verkäufer zur Aufklärung verpflichtet, denn ohne einen entsprechenden Hinweis geht der Käufer davon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug von demjenigen übernommen hat, der als letzter Halter in dem Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist. (BGH v. 16.12.2009 VIII ZR 38/09; OLG Bremen NJW 2003,3713 f.).

Auch wenn unser Mandant sich ein paar 100 Euro für gefahrene Kilometer vom Kaufpreis abziehen lassen musste, das deutlich schlechtere Geschäft hat der Händler gemacht. Für knapp 20.000 Euro bekam er ein inzwischen 4 Jahre altes Auto mit gut 10.000 km mehr auf der Uhr zurück. Mal sehen als was er es dem nächsten Interessenten verkauft. Wenig gefahrener Gebrauchter aus erster Hand?

Das Urteil im Volltext (PDF): LG Berlin, Urteil vom 31.07.2014, 5 O 90/13

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Bild: Wikipedia

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