Achtzehn Seiten für die Tonne

462488_web_R_by_Günter Havlena_pixelio.deDie Staatsanwaltschaft hatte Anklage zum Landgericht Leipzig erhoben. Diese Anklage hat der Strafkammer aber nicht so richtig gefallen. Deswegen haben die Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens verweigert.

Das wiederum hat der Anklageverfasserin, Frau Staatsanwältin W., nicht gefallen. Sie erhob bereits einen Tag später die sofortige Beschwerde gegen den Nichteröffnungsbeschluß.

Zwei Monate später kann man lesen, daß der Versuch der Kavalleristin – um im Militär-Bild zu bleiben – ein Rohrkrepierer war. Das OLG Dresden (2 Ws 658/13) schrieb am 13.02.2014 in einen Beschluß:

Der maschinenschriftlich erstellte Beschwerdeschriftsatz, der in seinem Kopf die bearbeitende Staatsanwältin ausweist, beginnt nach der Bezeichnung des Verfahrens in seinem Text mit den Worten:

„Sehr geehrte Damen und Herren, gegen den Beschluss des LG Leipzig vom 26.11.2013 lege ich sofortige Beschwerde ein.“

Nach einer knapp 18-seitigen Begründung endet der Schriftsatz mit den ebenfalls maschinenschriftlich erstellten Worten

„Mit freundlichen Grüßen

gez. W, Staatsanwältin

Diese Mitteilung wurde elektronisch erstellt und enthält deshalb keine Unterschrift, wofür um Verständnis gebeten wird.“

Die Senat des OLG Dresden hatte kein Verständnis für diesen Unsinn und disqualifizierte die Beschwerde völlig zutreffend bereits als unzulässig.

Denn die Beschwerdeschrift ist nicht nur als PC-Fax rausgegangen – bei den beschränkten Möglichkeiten, die einer Strafverfolgungsbehörde zur Verfügung stehen, könnte man ja nachvollziehen, daß man dort mit eingescannten Unterschriften nicht umgehen kann. Zusätzlich zu dieser Per-Fax-Vorab-Überflüssigkeit schickt Frau Staatsanwältin W. die achtzehn Seiten auch noch mit „normaler Post“ ans Gericht. Also auf ausgedrucktem Papier, das sie hätte unterschreiben oder durch eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle beglaubigen lassen können. Zumal dazu auch noch reichlich Zeit gewesen wäre.

Zum Verständnis:
Sofortige Beschwerden unterliegen dem Schriftformerfordernis, müssen also unterschrieben sein, damit der Empfänger merkt, daß der Absender es ernst meint. Und das Schriftstück nicht nur ein Entwurf ist, der dadurch auf den Weg zum Gericht gebracht wurde, weil die Staatsanwältin nach den 18 Seiten vor Erschöpfung am Rechner eingeschlafen und mit dem Kopf auf die Tastatur geschlagen ist.

Das OLG Dresden formuliert es nicht ganz so flapsig, dafür aber ausführlicher, damit es Studenten (und Staatsanwältinnen) künftig besser machen können:

1. Das Merkmal der Schriftlichkeit schließt zwar nach dem Sprachgebrauch nicht ohne Weiteres notwendig die handschriftliche Unterzeichnung ein (so bereits RGSt 67, 385). Es soll aber gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, sowie die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Darüber hinaus muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. RGSt 62, 53 [54J; 63, 246 [247]; 67, 385 [388]; BGHSt 2, 77 [78]; 12, 317; GmS-OGB NJW 1980, 172 [174]; BGH NJW 1984, 1974; Gössel, in: L-R, StPO, 26. Aufl., § 314 Rn 15 ff. m.w.N.).

Ein Schriftsatz, an dessen Einreichung vom Gesetz besondere verfahrensrechtliche Folgen geknüpft sind und der deshalb einen „bestimmenden Schriftsatz“ (GmS-OGB NJW 1980, 172 [173]) darstellt, kann seine fristwahrende Funktion nur erfüllen, wenn er diesen Formerfordernissen entspricht. Im Interesse der Rechtsklarheit gerade bei prozessweiterführenden Handlungen ist deshalb zu fordern, dass sich dies aus dem eingereichten Schriftsatz selbst eindeutig ergibt.

Vor diesem Hintergrund ist das Schriftlichkeitserfordernis bei „bestimmenden Schriftsätzen“ von Behörden, die selbst vor Gericht auftreten können, dann als gewahrt anzusehen …, wenn der Schriftsatz mit einem Beglaubigungsvermerk versehen und der Name des die Verantwortung Tragenden in Maschinenschrift wiedergegeben ist. Denn durch den Beglaubigungsvermerk ist ausreichend sichergestellt, dass das Schriftstück dem Sinn des Verantwortlichen entspricht und dass es mit dessen Willen in Verkehr gelangt ist (GmS-OGB 1980, 172 [174]).

2. Diesen Anforderungen genügt die sowohl per Telefax als auch mit normaler Post übermittelte Beschwerdeschrift der StA nicht. Zwar kann die sachbearbeitende Staatsanwältin aus dem Bearbeiterhinweis und der maschinenschriftlichen Unterschrift nachvollzogen werden. Mangels handschriftlicher Unterzeichnung oder zumindest einem Beglaubigungsvermerk kann der Beschwerdeschrift jedoch nicht entnommen werden, ob sie mit Willen der Verfasserin in den Rechtsverkehr gelangt ist. Es war deshalb bei Eingang der Beschwerde beim LG lediglich einen Tag nach Zustellung des Beschlusses nicht ausgeschlossen, dass es sich bei der Beschwerdeschrift nur um einen Entwurf handelte, der versehentlich in den Rechtsverkehr gelangt war.

So schwer war das aber auch wirklich nicht … mit dem Schriftformerfordernis wird der gemeine Jurist bereits im Grundstudium malträtiert. Und für diejenigen, die es dann immer noch nicht begriffen haben, daß man Schriftsätze zu unterschreiben hat, wenn sie Wirkung entfalten sollten, gibt es die Ziffer 149 der RiStBV, die da lautet:

Der Staatsanwalt hat die Reinschrift der Rechtsmittel- und der Begründungsschrift handschriftlich zu unterzeichnen.

Was bleibt? Die Staatsanwältin hat für die Tonne gearbeitet und der Beschuldigte erfreut sich über das (vorläufige?) Ende eines Zwischenverfahrens.

OLG Dresden, Beschluß vom 13.02.2014, 2 Ws 658/13, veröffentlicht in StraFo 2014, 163-165

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Bild: Günter Havlena / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

13 Antworten auf Achtzehn Seiten für die Tonne

  1. 1
    Tobias says:

    Schöne Geschichte.

    Indes: Nicht „Rohkrepierer „, sondern „Rohrkrepierer“ :)

    • Damit kennen Sie sich aus, nicht? ;-) (fixed, thx) crh
  2. 2
    HS says:

    „…um im Militär-Bild zu bleiben…“

    Hm? Wo ist denn vorher im Artikel das militärische Bild, in dem man bleiben könnte, gezeichnet worden?

    • Nachher, nicht vorher. crh
  3. 3
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Was das militärische Vokabular betrifft:

    Kennen Sie die Möglichkeiten
    – Gegenangriff
    – Rachefeldzug
    – Wechseln der Seiten
    – Tarnung (Vortäuschen von Blödheit oder Lähmung) ?

    Und was die Musik betrifft:
    Nicht ohne Grund beginnt ein berühmtes Musikstück für Damen mit den Worten „…der Hölle Rache…“

    Ich nehme an, dass diese Staatsanwältin irgendwann zum Gegenschlag ausholt.
    Vielleicht hat sie Drillinge oder die Waschmaschine war kaputt.
    Was wissen Männer…

  4. 4
    Thorsten says:

    Insgesamt sind es wohl mind. 54 Seiten für die Tonne:

    1.) das Vorabfax
    2.) das Original ohne Unterschrift
    3.) eine Abschrift für die Verteidigung

    Zahlt alles der Steuerzahler.

  5. 5
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Wer sich die Zeit nimmt, alles zu recherchieren und in das Sündenregister blickt, der sieht den Vorwurf:

    ….Untreue und unrichtige Darstellung……
    … Betrug …..

    Schon wieder einer, der wahrscheinlich behauptet hat, dass seine Ehe nur noch auf dem Papier besteht. Marianne und Renate könnten dazu auch einiges berichten. Diese Kanzlei scheint Heiratsschwindler geradezu magisch anzuziehen.

  6. 6
    Staatsanwalt says:

    Peinlich und zwar nicht nur die fehlende Unterschrift.

    Wenn man allerdings den Volltext der Entscheidung studiert wird dem Insider klar was passiert ist (Rz. 12 und 14 in Juris). Die offensichtlich überforderete Schreibkraft hat die Rechtsmittslchrift in völlig unüblicher Form (sehr geehrte Damen und Herren, Mitteilung elektronisch gefertigt..) ausgefertigt und vor Abgang per Fax nicht der Verfasserin vorgelegt. In den Verantwortungsbereich der Kollegin fiel es aber dafür Sorge zu tragen dass mindestens ein Exemplar fristwahrend unterschrieben und übermittelt sein musste.

  7. 7
    Pfennigfuchser says:

    @ Thorsten:

    Und jetzt raten Sie mal, wer die Rechtsmittelgebühr des Pflichtverteidigers zahlt, der vergisst, die Revisionsbegründung zu unterschreiben.

    Richtig.

    Und jetzt raten Sie mal, was häufiger vorkommt.

    Richtig.

  8. 8
    K75 S says:

    Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass es im Glaskugelpalais derzeit eine Papierflaute gibt.

    Vor einigen Wochen noch wurde der Umfang einer Fallakte in der Maßeinheit „Umzugskisten“ angegeben … mittlerweile sind schon 18 (oder meinetwegen auch 54) Seiten blogwürdig … und das, obschon sich die „Kavalleristin“ – zumindest ansatzweise – um Papiervermeidung bemüht hatte.

    „Mal verliert man – mal gewinnen die anderen!“

    Im Übrigen ist die Verzögerung ebenfalls eine bekannt militärische Taktik.

  9. 9
    KerstinW says:

    Bei allem Verständnis für die Schadenfreude eines Strafverteidigers: Hier geht aus dem Tatbestand der OLG-Entscheidung eindeutig hervor, dass die Schreibkraft ohne Veranlassung seitens der sachbearbeitenden Staatsanwältin das Standardformat für einfache briefliche Mitteilungen ergänzt und das Schreiben dann ohne erneute Vorlage einfach losgeschickt hatte. So zu tun, als ob die Staatsanwältin hinsichtlich des Schriftformerfordernisses der Belehrung durch das OLG bedurft hätte, ist deshalb ziemlich unredlich.

  10. 10
    Lehmann says:

    Ich fand es immer ganz interessant, in meiner Zeit als BR-Vorsitzender, dass der Anwalt der Firma – einer großen bekannten Kanzlei – die Schriftstücke ans ArbGer nicht nur unterschrieben, sondern auch nochmal selbst beglaubigt hat.
    Der Sinn hat sich mir nicht erschlossen, aber wenn ich das hier lese ging es wohl nur darum, jeden Anschein von Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Schriftstücker zu zerstreuen.

  11. 11
    bambino says:

    Wie kann man etwas SELBST beglaubigen?

  12. 12
    le D says:

    @Lehmann:

    In Verfahren vor dem Arbeitsgericht gelten über § 46 Abs. 2 S. 1 ArbG die Vorschriften aus der Zivilprozessordnung entsprechend so weit hiervon im ArbG nicht abgewichen wird. Zur Zustellung (und der Frage, was zugestellt wird schweigt sich das ArbG aus). Also ab in die ZPO: das Original des Schriftsatzes bleibt bei Gericht. Die Parteien bekommen jeweils eine beglaubigte (und eine einfache) Abschrift. Und jetzt ein Blick in § 169 Abs. 2 ZPO. Die Regel ist: die Geschäftsstelle führt die Beglaubigung aus, es sei denn, dass der Anwalt bereits beglaubigt hat.

    @bambino: man beglaubigt die Übereinstimmung der beglaubigten Abschrift mit dem Original für das Gericht.

  13. 13
    Karl Ungemach says:

    „maschinenschriftlich erstellt“ und als „PC Fax rausgegangen“. Wie jeht dat denn jetzt? Ist für das OLG ein PC eine Maschine, oder hatte die Schreibmaschine ein Modem?