Anständige Einstellung

Es kommt selten vor, aber es passiert: Die Bußgeldstelle verschickt einen Bußgeldbescheid an einen Betroffenen, der kein taugliches Subjekt eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens mehr sein kann.

Eigentlich müßte die Behörde regelmäßig prüfen, ob der Adressat des Bescheids noch lebt. Das gebietet der Amtsermittlungsgrundsatz. Weil der Tod zwischen Tat und Bescheid eher die Ausnahme ist, verzichtet die Ordnungsbehörde darauf. Das ist auch naheliegend.

Unangenehm ist solche Post natürlich für die Hinterbliebenen. Unsichere Fragen werden an den Verteidiger gestellt: Müssen wir jetzt das Bußgeld zahlen? Auch der – an sich abwegige – Gedanke an das Absitzen eines Fahrverbots kommt vor, weil der Trauerfall ein klares Nachdenken zumindest erschwert.

Ich habe den Auftrag übernommen und einen Einzeiler an die Bußgeldbehörde geschickt:

Der Betroffene ist am [DATUM] verstorben. Ich beantrage, das Verfahren nach § 206a StPO einzustellen und mir eine Einstellungsnachricht zu übermitteln.

Nun traf hier vor ein paar Tagen eben diese Einstellungsnachricht ein:

Entschuldigung und Einstellung

Das hat Anstand. Besten Dank in die Magazinstraße.

Dieser Beitrag wurde unter Ordnungswidrigkeitenrecht veröffentlicht.

9 Antworten auf Anständige Einstellung

  1. 1
    Stefan says:

    Ist es in solchen oder ähnlichen Fällen ratsam, zu warten, bis tatsächlich ein Bußgeldbescheid eingetroffen ist, anstatt schon früher einzuschreiten?

    Nur dann muss ja die Behörde für ihre Nachlässigkeit aufkommen und die Anwaltskosten übernehmen.

  2. 2
    Karsten Koch says:

    Ich würde es für unanständig halten, die Behörde nicht sofort zu infort zu informieren, nur, um noch Kosten zu produzieren. Kein Mensch kann von einer Bußgeldstelle erwarten, dass sie von Amts wegen ständig nachfragt, ob der Betroffene noch lebt. Und früher wurde gar nicht formell eingestellt. Da gab es lediglich die Feststellung, dass das Verfahren durch den Tod des Betroffenen beendet ist. Der Erlass eines Bußgeldbescheides gegen einen Verstorbenen ist keine Nachlässigkeit, sondern etwas, was eben immer mal wieder – wenn auch selten – passiert.

  3. 3
    Thomas says:

    Ich habe in solchen Fällen als Betroffener (Erbe/Nachlaßverwalter) die Erfahrung gemacht, daß ein simpler Anruf/Mail bei der Behörde genügt. „Tut uns leid, herzliches Beileid, Vorgang geschlossen.“ – Das geht ganz unkompliziert.

  4. 4
  5. 5
    RA Barber says:

    Muß man da wirklich einen „Auftrag übernehmen“ und eine Akte anlegen, um den Hinterbliebenen auch noch Anwaltskosten zu produzieren? Der Hinweis, doch selbst bei der Bußgeldstelle anzurufen und die Sache klarzustellen, hätte genügt.

  6. 6
    bambino says:

    @RA Barber, laut Sachverhalt war mit dem Fall Rechtsberatung im Einzelfall verbunden (s. aufkommende Fragen der Angehörigen), wegen denen die RA-Gebühren schon entstanden waren; da kann man dann auch noch einen Einzeiler hinfaxen, denke ich. Aber ich bin kein Experte im Gebührenrecht.

  7. 7
    Mike says:

    Habe ich ähnlich mal selbst erlebt: Mein Vater war vor einigen Jahren an einem Verkehrsunfall schuld und ist zwei Wochen darauf an einem Herzinfarkt verstorben.
    Der Bußgeldbescheid kam einen Tag nach seinem Sterbetag mit der Post an. Meine Mutter hatte sowieso viel zu regeln und wollte auch diese Lappalie sofort geregelt wissen (man denkt im Todesfall des Mannes nicht unbedingt immer rational).

    Ich war daher damals kurz auf der nächsten Polizeidienststelle und hatte die Sterbeurkunde dabei. Der Polizeibeamte hatte mich noch gefragt, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Unfall und Tod bestehen könnte (war ja nicht der Fall), hat sich die Urkunde kopiert und hat mir sein Beileid bekundet.
    Das geht auch ohne Anwalt. Aber ich kann es nachvollziehen, dass man sich diesbezüglich an den Anwalt wendet.

    Mir selbst ist es mal passiert, dass ich einen seit längerer Zeit säumigen jugendlichen Schuldner meines Geschäfts angerufen hatte. Die Eltern waren am Telefon. Diese hatte ich freundlich gebeten, dass doch der Junior bitte mal seine Schulden bezahlen möchte. Zwei Tage später habe ich durch Kunden und aus der Zeitung erfahren, dass deren Kind einen Tag vor meinem Anruf mit dem Motorrad tödlich verunglückt ist. Das war echt bitter.

  8. 8
    bambino says:

    @Mike, bei zivilrechtlichen Forderungen haften aber die Erben (§§ 1922, 1967 BGB) im Gegensatz zu den hier besprochenen Ordnungswidrigkeiten.

  9. 9
    Mike says:

    @bambino: Es handelte sich nur um ca. 60 Euro. Es mag juristisch korrekt sein, dass die Erben dafür haften. Ich hätte allerdings niemals angerufen, wenn ich gewußt hätte, dass das Kind tödlich verunglückt wäre.
    Um es zu präzisieren: Es war bitter, weil ich die Eltern unbeabsichtigt einen Tag nach dem Tod ihres Kindes angerufen hatte (und nicht: weil ich niemals das Geld erhalten habe).