Anstaltsleiter in die Raucherzelle!

461836_web_R_K_by_Giovanni Borea_pixelio.deDer 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat ein Herz für Nichtraucher. Die Richter haben den raucherfreundlichen Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 03.02.2014 exakt fünf Monate später am 03.07.2014 unter dem Aktenzeichen 1 Vollz (Ws) 135/14 abgeändert.

Inhaftierte Nichtraucher dürfen danach nicht (mehr) mit rauchenden Mitgefangenen in einer Gemeinschaftszelle untergebracht werden (wenn sie die fünf Monate überlebt haben ;-) ). Nur wenn sie passionierte Passivraucher sind und einer gemeinschaftlichen Unterbringung mit Rauchern ausdrücklich zustimmen, kann die Knastverwaltung sie in die Raucherzelle schließen.

Im vorliegenden Fall ging es um einen Strafgefangenen, der eine mehrjährige Haftstrafe in einer süddeutschen Justizvollzugsanstalt verbüßt. Er wurde zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins beim Amtsgericht Gelsenkirchen im September 2013 in die Justizvollzugsanstalt Essen überstellt. Dort wurde er vier Tage in einer Gemeinschaftszelle gesteckt, in der sich ein paar Quarzer die Lungen mit Nikotin vollpumpten.

Die Essener Richter wollten sich mit einem Taschenspielertrick aus der Affaire ziehen. Der Bayern-Knacki hatte beantragt, seine Unterbringung in einer Zelle mit den Nikotin-Junkies für rechtswidrig zu erklären. Die Strafvollstreckungskammer des LG Essen wies diesen Antrag zurück, da der Strafgefangene gegenüber der Justizvollzugsanstalt seinerzeit nicht beantragt habe, in einer Einzelzelle oder in einer rauchfreien Gemeinschaftszelle untergebracht zu werden.

So geht’s nicht, meinten die OLG Hammer. Das nordrhein-westfälische Nichtrauchergesetz verbiete das Rauchen in einem mit mehreren Personen belegten Haftraum, wenn eine der darin untergebrachten Personen Nichtraucher sei. Das sei von Amts wegen zu berücksichtigen, also auch ohne Antrag des Nichtrauchers. Wenn die JVA meint, Raucher mit Nichtrauchern gemeinsam wegschließen zu müssen, sei sie gehalten, vorher mal nachzufragen.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie manche Knastleitungen und Strafvollstreckungskammern mit einer Selbstverständlichkeit davon ausgehen, aus einem Knast ein Loch machen zu müssen, das zu Zeiten akzeptabel war, in denen man sich das Mittagessen noch mit der Keule besorgen mußte. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, daß erst über zwei Instanzen mühsame Klimmzüge gemacht werden müssen, um eine einigermaßen menschenrechtskonforme Unterbringung zu erstreiten.

Aus der Website der JVA Essen:

Es sind zahlreiche […] Hilfsangebote entwickelt worden, die allesamt dazu beitragen sollen, das es dem Gefangenen gelingt, […] künftig in sozialer Verantwortung ein Leben […] zu führen.

Vielleicht sollte man dem Anstaltsleiter auch mal so ein Hilfsangebot machen. Nötig hätte er es.

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Bild: Giovanni Borea / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Knast veröffentlicht.

11 Antworten auf Anstaltsleiter in die Raucherzelle!

  1. 1
    Ich mal wieder says:

    In deutschen Haftanstalten haben Sie, wenn Sie nicht gerade mehrere Jahre einsitzen, faktisch kein Rechtsmittel gegen ermessensfehlerhafte Entscheidungen, die leider relativ häufig vorkommen und die Grundsätze des Strafvollzuges komplett außer acht lassen.

    Auf der einen Seite wird Druck erzeugt – „Du bist ein Querulant, dann bekommste die Lockerung eben nich“ -, auf der anderen Seite wird man nach Beendigung eines Verfahrens in aller Regel, zumindest soweit es die kürzeren Haftstrafen betrifft, schon in Freiheit sein.

    Wobei sich – wenn alle Stricke reißen – allerdings die Stellungnahme der JVA an die zuständige Strafvollstreckungskammer auch mal verschlechtern kann, was zu einer späteren Entlassung als eigentlich gedacht führen kann. Argumentieren kann man alles, im Zweifel auch das Gegenteil.

    Davon abgesehen sind wenige Strafgefangene in der Lage, eine Klage auch durchzuführen. Die finanziellen Möglichkeiten sind oftmals beschränkt, das aus meiner Sicht (heute wieder) verfassungswidrige Hausgeld lässt nichts anderes zu. Ohne externe Hilfe oder bereits bestehenden anwaltlichen Kontakt ist es für die Mehrzahl schwierig, hier überhaupt etwas in Gange zu bringen.

    Man kann daher von Glück sagen, dass eine Klage zur o.g. Entscheidung geführt hat. Dann bewegt sich so langsam auch mal etwas. Langsam.

  2. 2
    Essener Juristin says:

    Das passt zu dem Bild, das der Essener Anstaltsleiter vermittelt hat, als wir ihn als Referendare 2011 besucht haben. Kein Freund von „Kuschelpädagogik“; von Therapieangeboten hielt er auch nicht viel.

  3. 3
    Thorsten says:

    Typische Verwaltungsdenke: „Hättest halt mal ’nen Antrag stellen sollen.“

    Und diejenigen, die sagen „Hab ich doch! Schon vor zwei Wochen habe ich ihn rausgeschickt“ erhalten dann nicht selten die Antwort „Ist hier nicht angekommen.“

    Gute Entscheidung des OLG Hamm!

  4. 4
    RA de Berger says:

    In der JVA Schwalmstadt konnte ich vergangene Woche im Besucherraum nur mühsam das Schild „Rauchen verboten“ durch die Nikotinschwaden erkennen…

    Vielleicht hat man das in den Knästen mit dem Rauchverbot falsch verstanden. Das gilt ja nur für „öffentliche Gebäude“…

  5. 5
    Fragender says:

    @ RA de Berger
    gilt das Nordrhein Westfälische Nichtrauchergesetz auch in Hessen? Gibt es ein generelles, quasi bundesweit, gültigtes Nichtrauchergesetz nur für Knäste? Ist in einem Knast grundsätzlich das Rauchen verboten, weil sie es für ein öffentliches Gebäude halten? Gilt nicht vielleicht doch, ein klitzekleines bißchen, zugegebenermaßen ziemlich eingeschränkt, ein bestimmter Artikel aus dem GG?
    Fragen über Fragen
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    Wie geht dieser unglaubliche Skandal eigentlich in anderen Bundesländern aus?

  6. 6
    Der echte T1000 says:

    Es ist immer wieder erstaunlich, wie manche Anwälte und Gerichte mit einer Selbstverständlichkeit davon ausgehen, aus einem Knast ein Luxusparadies machen zu müssen, das zu Zeiten akzeptabel ist, in denen Kinder von Hartz4 leben sollen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, daß erst über zwei Instanzen mühsame Klimmzüge gemacht werden müssen, um einem Knacki sein Leben zu verbessern. Warum schickt man ihn nicht gleich zum Urlaub nach Hawaii?

  7. 7
    Ralph W. says:

    Lieber T1000,

    seit den CIA-Gefängnissen und Guantanamo ist der Vergleich masslos überzogen, aber Gefängnisse müssen auch keine Folter-Gefängnisse sein.

    BTW: Bei einem allgemeinen Rauchverbot wäre schon wieder eine Währung im Gefängnis weniger wertvoll.

  8. 8
    Thomas R. says:

    @Ralph W.

    Zu ihrem BTW: Wenn man den Häftlingen Bücher verbieten würde, könnten keine Nachrichten darin geschmuggelt werden. Wenn man Ihnen Besuche verbietet, gibt es weniger Schmuggelware. Was heißt das jetzt?

    Klingt für mich nach „Rauchen verbieten ist immer gut“

  9. 9
    K75 S says:

    @T1000:
    Manche Kinder können von ALG II recht gut leben.
    Im Gegensatz zum Passivrauchen ist ALG II nicht per ´se gesundheitsschädlich – und wenn wir anfangen, uns die körperliche Unversehrtheit von Strafgefangenen am Allerwertesten vorbeiziehen zu lassen, können wir die Sache auch gleich beschleunigen, und die Kurzmacherin wieder aus´m Keller holen.

  10. 10
    Saar Kastiker says:

    @K75S:
    Sowas ist heute UNVORSTELLBAR!
    Die Bank ist aus Holz, das ist total unhygienisch, das würde vom Amtsarzt so nie freigegeben. Edelstahhl ist da schon ein Muss.

  11. 11
    RA de Berger says:

    @Fragender

    Nein, in Hessen gilt das hessische Nichtraucherschutzgesetz. Danach ist Rauchen in JVAs grundsätzlich verboten, erst recht in Räumen, in denen es ausdrücklich verboten ist.