Bayerische Planwirtschaft

Zu den Aufgaben eines Strafverteidigers gehört die Prüfung der ordnungsmäßen Besetzung des Gerichts. Hinsichtlich der Berufsrichter ist das relativ einfach. Es gibt die sogenannten Geschäftsverteilungspläne. Die meisten (größeren) Gerichte veröffentlichen mittlerweile diese Pläne regelmäßig im Internet, für das Berliner Landgericht findet man sie hier.

Aber auch in solch einfachen Dingen muß der Verteidiger aufpassen. Denn der Geschäftsverteilungsplan wird nach § 21e GVG vom Präsidium des Gerichts jedes Jahr im Voraus für die Dauer des Geschäftsjahrs erstellt. Was passiert also, wenn aus biologischen oder sachlichen Gründen ein Richter unterjährig auf Dauer nicht mehr zur Verfügung steht und die allgemeinen Vertretungsregeln nicht mehr greifen?

Dann setzt sich das Präsidium des Gerichts bei Kaffee und Kuchen zusammen und beschließt nach § 21e Abs. 3 GVG eine Änderung. Diese Präsidialbeschlüsse werden aber in der Regel nicht veröffentlicht, sondern auf der Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufgelegt (§ 21e Abs. 9 GVG).

An dieser Stelle wird es schwierig für auswärtige Verteidiger. Extra wegen der Einsichtnahme in diese Beschlüsse quer durch die Republik zu fahren, kann dem Mandanten teuer zu stehen kommen. Deswegen bitten wir höflich:

Mir ist bekannt, daß ich keinen Anspruch auf Übersendung der erbetenen Unterlagen habe, möchte aber darum bitten, von der ständigen Übung der meisten Landgerichte und Oberlandesgerichte, die Unterlagen an auswärtige Verteidiger zu übersenden, nicht abzuweichen. Insoweit bedanke ich mich schon vorab.

Diesen Teil eines Textbausteins habe ich auch an ein Bayerisches Landgericht gefaxt, von dem ich schon knackige Reaktionen auf meine teils unangenehmen Anträge gewohnt war. Es dauerte keine drei Tage, da klingelte eine eMail aus Bayern in meinem Postkasten.

GVPl-eMail

Damit konnte und durfte ich nicht rechnen. Das nenne ich mal professionelles und erfreuliches Verhalten, für das ich mich nun auch hier artig bedanken möchte. Die Word-Dateien dann in ein verkehrsfähiges PDF-Format zu konvertieren und mit Dank nach Bayern zu schicken, hat mir keine Mühen gemacht.

Aber bei soviel Zuvorkommen werde ich nicht vergessen, daß nun auch noch die richtige Besetzung der Schöffenposten zu prüfen ist. Und das ist nun mal echt eine Aufgabe für Erwachsene, ganz besonders in einem Flächenstaat wie Bayern.

Dieser Beitrag wurde unter Landshut, Prozeßbericht (www.prozessbericht.de), Richter veröffentlicht.

10 Antworten auf Bayerische Planwirtschaft

  1. 1
    Heiner says:

    Das wäre Ihnen am LG Augsburg sicherlich nicht passiert.

    • Ich werde demnächst berichten können. ;-) crh
  2. 2
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Wer findet den Fehler in dieser unglaubwürdigen Reportage?

    Richtig.
    Die sitzen nicht bei Kaffee und Kuchen zusammen, sondern bei Bier, Brezeln und sogenannten Weißwürsten.

  3. 3
    T.H., RiAG says:

    Ist die Beweislage aus Verteidigersicht so schlecht? ;-) ;-)

  4. 4

    Mein Lieblingsthema. Von sog. Phantomgeschäftsführern ( solche, die bei der Beurkundung mit einem falschen Reisepass
    erscheinen ) habe ich schon gehört, aber es soll sogar Phantomrichter geben ( solche, die unter falschem Namen an einer Verhandlung teilnehmen, deren Gegenstand gefälschte Akten waren ).

    Woher weiß man, dass Richter am AG Unterzotzing Senfmaier nicht der örtliche Oberförster ist ?

    Daher brauchen wir eine zentrale Richterdatei mit Lichtbild.

  5. 5
    T.H.,RiAG says:

    Ganz einfach: der Oberförster trägt im Dienst grün, der Richter schwarz.

  6. 6
    f.loskel says:

    Spätestens seit Word 2010 werden die Dokumente auch sauber im *pdf Format abgespeichtert.

  7. 7
    schneidermeister says:

    @Arne Rathjen;
    Gilt natürlich auch umgekehrt für Rechtsanwälte.Besonders bei der Feld-Wald-Wiesenspezies stellt sich durchaus gelegentlich die Frage nach der Förstereigenschaft.

    Bzw. gibt es ja auch nichtanwaltliche Clowns die gerne das Gericht, vor dem sie warum auch immer erschienen sind, erst einmal um Vorlage der Ernennungsurkunde durch den Reichsjustizkommissar o.ä, ersuchen, da ja das Deutsche Reich nicht untergegangen und die BRD nur eine Firma oder ein Phantom sei etc……

  8. 8

    In rund zwanzig Jahren anwaltlicher Tätigkeit habe ich eine Reihe von Schauveranstaltungen gesehen, an denen mehr oder weniger begabte Statisten beteiligt waren, so etwa „Rechtsanwälte“, die ohne Robe im Landgericht erschienen und dort Anträge stellten. Manchmal stellte sich die Frage nach der Grenze zwischen wahnsinniger Inszenierung und inszeniertem Wahnwitz. Und: wenn eine Akte aus Fälschungen besteht liegt es nahe, diese am eigentlich zuständigen Gericht vorbei zu schleusen und Laiendarsteller antreten zu lassen.

    Das Bundesfinanzministerium übrigens ist im Gebäude des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums angesiedelt,
    in dem Göring tobte, das ist sicher kein Zufall.

  9. 9
    T.H.,RiAG says:

    Das Auftreten ohne Robe ist in dem einen oder anderen Landgerichtsbezirk in Einzelrichtersitzungen schon lange üblich…..

  10. 10

    Die Schlacht um die Robe ist unterschiedlich ausgegangen, stimmt. Wenn aber jemand nach einer Sitzung in einem Amtsgericht ( Zivilgericht ) vor der Verkündung des Entscheidungstenors aufsteht und stramm steht, dann stimmt etwas mit diesem Anwalt nicht.

    Offenbar hatte derjenige bereits an einigen Strafprozessen teilgenommen,nicht viel mehr.

    Hier stellt sich dann wieder die Frage nach der Prozesssteuerung durch die Exekutive, ein bundesrepublikanischer Dauerbrenner, der Wichtigkeit der korrekten Besetzung und der Geltung des alten Verbots von Sondergerichten.