Befangen – das erste Mal?

648654_web_R_by_Ingo Büsing_pixelio.deIch mußte für den Mandanten die Notbremse ziehen, nachdem der Richter reichlich übermütig wurde. Mit dem Ablehnungsgesuch bekam ich den Zug erst einmal zum Stehen.

Den Eindruck, den ich bereits beim Verlesen des Antrags gewonnen hatte, bestätigte der Richter dann wenig später. Bisher sei er noch nie (!) abgelehnt worden, das kenne er gar nicht und wie geht es jetzt denn weiter? Ich räume ein, am Amtsgericht sind Ablehnungsgesuche eher die Ausnahme; das ist eigentlich das Besteck für die Verhandlung vor einer großen Strafkammer beim Landgericht. Aber diese Reaktion wunderte mich ja nun doch, zumal ich den Richter am Amtsgericht schon seit langen Jahren kenne.

Gestern rief mich der Richter an, der über diesen „Befangenheitsantrag“ zu entscheiden hatte. Er käme mit einem meiner Anträge nicht so richtig klar.

Die Anträge nach § 33 Abs. 3 StPO und gem. § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO gehören zum Standardrepertoire. Auch den weiteren Antrag,

… den zur Entscheidung über dieses Gesuch berufenen Personen, soweit sie nicht ohnehin als Berufsrichter mit der Sache befaßt sind, die gesamte Verfahrensakte zur Verfügung zu stellen …

kennen die (abgelehnten) Richter. Aber der hier läßt sie regelmäßig stutzen:

Es wird schließlich beantragt, eine Ablehnungsverhandlung stattfinden zu lassen und erst nach mündlicher Verhand-lung zu entscheiden.

Mir wird häufig entgegen gehalten, eine solche mündliche Verhandlung sieht das Prozeßrecht nicht vor. „Ja, und?“ frage ich dann zurück, „aber die StPO untersagt eine solche Verhandlung auch nicht.“ Mit der sinngemäßen Begründung „Was der Bauer nicht kennt, ißt er nicht!“ wird dieser Antrag dann zurück gewiesen.

Ein verpaßte Gelegenheit, wie ich meine. Die Chance, nach einer Richterablehnung – die im „Erfolgs“-Fall offenbar einer der beiden SuperGAUe für einen Richter wäre – mit übler Luft angereicherte Atmosphäre wieder zu bereinigen, wird ohne Not vergeben. Man könnte sich an einen Tisch setzen und – durch den (oder die) für das Ablehnungsverfahren zuständigen Richter moderiert – den Anlaß des Gesuches erörtern; anschließend trennt man sich (hoffentlich) in Frieden und genießt die gute Luft im Gerichtssaal.

Die StPO sieht frische Luft jedoch nicht vor; statt dessen bleibt’s beim Muff von 1.000 Jahren und die Krähen ziehen an dem längeren Ende des Hebels. Bis zum nächsten Mal, wenn der Angeklagte und seine Verteidiger wieder einen Klimmzug an der Notbremse machen.

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Bild: Ingo Büsing / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Verteidigung veröffentlicht.

9 Antworten auf Befangen – das erste Mal?

  1. 1
    Sebastian Heiser says:

    Und was ist der andere Super-GAU für einen Richter? Von den Schöffen überstimmt zu werden?

  2. 2
    Christian says:

    Vom BVerfG mit drastischen Worten aufgehoben zu werden, nehme ich an.

  3. 3

    @Sebastian Heiser @Christian

    Der SuperGAU ist wohl die erfolgreiche (Sprung-)Revision – unabhängig davon, ob die Staatsanwaltschaft oder die Verteidigung das Rechtsmittel eingelegt hat, wenn das Revisionsgericht die Verletzung *formellen* Rechts feststellt.

    Dazu bedarf es noch nicht einmal „drastischer Worte“ des OLG/BGH. Insbesondere wenn es sich nicht um Überraschungen (z.B. wie jüngst die Fehler bei der Protokollierung einer Verständigung) handelt, sondern um die Klassiker der §§ 337, 338 StPO.

    Aufhebungen durch das BVerfG scheinen mir dagegen eher weniger rote Tücher für die Instanzgerichte zu sein; dazu sind die Entscheidungen der Verfassungsrichter zu wenig kalkulierbar.

  4. 4
    BV says:

    Hat’s so eine Verhandlung je gegeben? Dafür nimmt sich doch vermutlich auch niemand die Zeit, oder?

  5. 5
    RA H says:

    Wahrscheinlicher ist, dass Ihr Antrag aus anderen Gründen abgelehnt wird. Ich würde ihm als Richter auch (aus anderen Gründen) nicht folgen.

    Bin auch eher erstaunt so eine merkwürdige Schlussfolgerung von Ihnen zu lesen.

    • „Erstaunen“ ist eine sinnvolle Art, auf die erstaunlich einfach Idee, auch unkonventionelle Wege zu beschreiten, zu reagieren.
      .
      Es tut niemandem weh, wenn der Antrag auf mündliche Verhandlung abgelehnt wird; wenn aber eine solche Verhandlung stattfinden sollte, paßt danach das Bonmot des Rechtsanwalt a.D. Gerhard Jungfer mit großer Wahrscheinlichkeit: „… als sei ein Engel durch den Gerichtgssaal geflogen.“ Siehe auch den Erlebnisaufsatz des Kollegen Aken im nachfolgenden Kommentar. crh
  6. 6
    Kanzlei Aken says:

    […] Kollege Hoenig beschreibt hier, wie er bei einem Ablehnungsantrag (wegen Besorgnis der Befangenheit) überlicherweise vorgeht.[…]

    Die These, dass damit die Chance auf eine Klimaverbesserung verschenkt wird, kann ich aus eigener Erfahrung nur stützen.

    • Besten Dank für diese Unterstütung. crh
  7. 7
    Thorsten says:

    Die Ablehnungsverhandlung macht – nach zweitem Nachdenken – in der Tat Sinn. Klar will sich ein Richter es möglicherweise nicht mit einem Richterkollegen verscherzen, den er täglich auf dem Gerichtsflur sieht. Dieses Risiko besteht aber bereits bei dem Befangenheitsantrag, der ohne Verhandlung entschieden wird. Und der anfangs noch uneinsichtige Richter kann die Verhandlung ggf. gesichtswahrend verlassen, wenn er sich doch noch einfach selbst für befangen erklärt.

  8. 8
    Carlo says:

    Der BGH hat mehrfach entschieden, dass das Ablehnungsverfahren außerhalb der Hauptverhandlung stattfindet. Mündliche Verhandlungen parallel zur Hauptverhandlung gibt es nach dem Gesetz nicht. Ohne die Schöffen und ohne Öffentlichkeit wären sie auch ein ziemlich krankes Geschöpf.

  9. 9
    Fritz says:

    Der abgelehnte Richter nimmt an so einer Verhandlung doch nicht teil.