Befangen, frech oder faul?

Es war „nur“ eine relativ kleine Bußgeldsache. Und nach Aufruf der Sache fand ein kurzer … nun sagen wir mal … Gedankenaustausch zwischen der Richterin und dem Verteidiger statt, ganz nach dem Motto: „Was-wollen-Sie-denn-eigentlich-hier?-Die-Sache-ist-doch-klar?!“.

So kann man vielleicht mit unerfahrenen Betroffenen oder Junganwälten vom Dorf umgehen. Und mancher Richter schafft sich auf diesem Wege die häßliche Arbeit aus dem Saal, für die er bezahlt wird. In diesem – unseren – Fall biß das Hohe Gericht auf Titan.

Die Begründung des Beschlusses, mit dem die Richterin anschließende vom Acker gejagt wird, erzählt die vollständige Geschichte und spricht für sich:

Befangen, frech oder faul

Ich bin mir nicht sicher, ob solche Drohungen – wie mit dem empfindlich-üblen Übergang ins Strafverfahren in einer Bagatell-Ordnungswidrigkeit – nicht auch unter irgendeine Strafrechtsnorm zu subsumieren wäre.

Dieser Beitrag wurde unter Ordnungswidrigkeitenrecht, Richter, Strafrecht veröffentlicht.

25 Antworten auf Befangen, frech oder faul?

  1. 1
    RA Dietrich says:

    Nur am Rande: Auch auf dem Lande wird gelegentlich Titan geachürft.

  2. 2

    Als „Landanwalt“ aus der schönen grünen Stadt am See kann ich aus Erfahrung aber auch sagen, dass mitunter sehr schlaue und erfahrene Kollegen aus der nahen Hauptstadt mit einer derartigen Arroganz auf den Weg in die Provinz machen, dass einem die Galle hochkommen kann. Wenn der geneigte Amtsrichter das Gefühl vermittelt bekommt, er könne vom schlauen Fachanwalt für Strafrecht noch etwas lernen, kann man auch mal über das Ziel hinaus schießen (wie hier offenbar geschehen…).

    Nochmals zur Klarstellung: Das Verhalten der OWi-Richterin geht nicht! Aber wie immer ist alles relativ…

    • Wenn Sie auf arrogante Berliner Strafverteidiger anspielen, soweit Sie „den schlauen Fachanwalt für Strafrecht“ zitieren, darf ich anmerken, daß Herr Thomas Kümmerle ein solcher nicht ist. Der Rüpel in unserer Kanzlei bin ich. Für das höfliche und zurückhaltende Auftreten ist Rechtsanwalt Kümmerle zuständig. Er ist aber durchaus imstande zu bemerken, wenn Richterinnen in ihrer vermeintlichen Machtposition versuchen, mit ihm Schlitten fahren und kann entsprechend darauf reagieren.

      Ich entschuldige mich bei Ihnen, daß ich den Eindruck erweckt habe, ich würde Strausberger Kollegen als Weicheier ansehen. Das tut Leid, es liegt mir fern. crh

  3. 3
    \pub\bash0r says:

    Klingt wie ein Verhalten, bei dem die Richterin nur gewinnen kann, oder? Hat sier erfolg, ist der Fall schnell durch. Wird sie – wie hier – ersetzt, ist sie den Fall einfach los. Sie hat sich also einfach arbeit gespart.
    Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass ich bei einem Richter/einer Richterin den Eindruck habe, er/ihr ist die Arbeit zu viel. Das hilft dem Rechtsstaat natürlich ungemein, solche Leute im Dienst zu haben (die man zudem auch praktisch nicht los wird, oder?).

  4. 4
    RA Schepers says:

    Ich glaube nicht, daß ein Befangenheitsantrag dem Richter die Arbeit erleichtert. Er wird eine (wohldurchdachte) dienstliche Stellungnahme zum Befangenheitsantrag schreiben müssen.

    Außerdem macht er sich bei seinen Kollegen unbeliebt. Erstens müssen sie sich mit dem Befangenheitsantrag beschäftigen und zweitens muß (bei erfolgreichem Antrag) ein Kollege die Sache übernehmen.

  5. 5
    Falbala146 says:

    Die dienstlichen Stellungnahmen von Richtern zu Befangenheitsanträgen die ich bisher gesehen habe, waren nicht wirklich wohldurchdacht, sondern bestanden durchweg aus dem Einzeiler „Ich fühle mich nicht befangen“. Was doppelt blöd ist, weil es darauf gar nicht ankommt und zeigt, dass diese Richter tatsächlich ein falsches Verständnis von ihrer Rolle als Richter und ihren Pflichten gegenüber den Parteien/Angeklagten haben.

  6. 6
    Non Nomen says:

    Wie wäre es denn zur Abwechslung, wenn das Richtpersonal mal die Wahrheit sagt, beispielsweise: „die Art des Auftretens des Anwaltes war mir zutiefst zuwider, der Anwalt ist mir unsympathisch. Den zu Büssenden kann ich nicht leiden. Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe….“
    Wäre mal ein echtes Novum in der deutschen Justiz, oder?

  7. 7
    cepag says:

    Thomas, sehr gut, ausgezeichnet sogar.
    Nie sich die Butter vom Brot nehmen lassen!
    CP

  8. 8
    K75 S says:

    Nur mal so für die Unwissenden (wie mich): Würde die „Überleitung in das Strafverfahren“ nicht ebenfalls einen Mehraufwand für die Richterin bedeuten?

  9. 9
    Bilbo Beutlin says:

    Es ist schon erstaunlich, wie immer wieder das Vorurteil des faulen Richters strapaziert wird, der nur die Fälle loswerden möchte.

    Nach meiner Erfahrung sind die meisten Richter durchaus fleißig. Und wenn sie Fälle schnell vom Tisch haben wollen, dann werden Kompromisse vorgeschlagen. Anders funktioniert das kaum und die Richter sind in der Tat darauf angewiesen, weil sie sonst gegen die Arbeit nicht mehr ankommen.Das gilt für zivile wie für strafrechtliche Themen gleichermaßen. Daß ein Richter Arbeit mit Konfrontation wegbekommt wäre mir neu.

  10. 10
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Was kostet das, wenn der Thomas solche Sachen aus dem linken Ärmel schüttelt?

  11. 11
    Wilhelm Brause says:

    Hut ab !!!!

  12. 12
    Gluffke says:

    Das kann nicht jeder.

  13. 13
    Renate says:

    Marianne hat zu Brigitte gesagt, dass nicht die Richter, sondern die Verbrecher frech und faul, allerdings völlig unbefangen sind.

  14. 14
    RA JM says:

    Respekt! Auch dafür, dass ein Richter (wohlgemerkt am selben Amtsgericht !) sich so klar über seine Kollegin äußert. Kommt wohl eher selten vor – und lässt ggf. tief blicken.

  15. 15
    LOL says:

    Ich lach mich tot. Das wollen Sie uns doch jetzt nicht wirklich als „Erfolg“ verkaufen, diesen Befangenheitsantrag durchgerungen zu haben? *lach*

    Wie begsitert wird der Mandant sein, wenn der jetzt zuständige – nicht faule, aber beherzte – Richter ihm sauber eine vor den Latz knallt und das Verfahren nicht einstellt oder freispricht? *lol* Sowas kann ganz schnell nach hinten losgehen…

  16. 16
    whocares says:

    @LOL: Du hast schon gelesen, das es offensichtlich gar nicht Ziel der Verteidigung ist, auf einen Freispruch oder Einstellung zu kommen, sondern die Geldbuße unter die Punktegrenze zu drücken?

  17. 17
    rakuemmerle says:

    @lol:
    Was wäre gewesen, wenn ich mir das hätte gefallen lassen? Ich neige nicht dazu, inflationär mit derartigen Anträgen um mich zu werfen. Wer einen solchen bekommt, der hat ihn sich wirklich verdient.

    Das Ziel, die Geldbuße angesichts des absoluten Bagatellverstoßes unter die Punktegrenze zu drücken war bei dieser Richterin offensichtlich nicht erreichbar. Also nicke ich angesicht dieser unprofesionellen Begründung brav und nehme den Einspruch zurück? Sicher wäre Frau Richterin darüber hoch erfreut gewesen, aber wessen Interessen vertrete ich? Die Mandantin freut sich über die zweite Chance. Und wenn der/die nächste Richter/in mir nachvollziehbar begründet, warum er/sie das Verteidigungsziel nicht unterstützt, dann akzeptiere ich das auch.

    Eine nahezu identische Bußgeldsache habe ich kürzlich beim AG Brandenburg verteidigt. Die Richterin erst skeptisch, hörte sich meine Argumente an, dann die Zeugen und reduzierte mit einer sehr dezidierten Begründung die Geldbuße. Hätte sie es nicht getan, wären wir trotzdem im Guten auseinander.

  18. 18
    Provinzverteidiger says:

    Ach Leute, ihr beschäftigt euch mit Sachen. Kann man damit eigentlich Geld verdienen?

    • Achtung! Geheimtipp: Ziff. 5109 ff RVG-VV. Und mit ein paar Grundkenntnissen zum Thema Kanzleiorganisation kommt man da auf durchaus zufrieden stellende Ergebnisse.
      .
      Im übrigen freuen sich die Mandanten, wenn man auch in relativen Kleinigkeiten genauso engagiert verteidigt wie in einer Sache vor der Strafkammer. crh
  19. 19
    wolfg says:

    Wenn die Richterin das Verfahren nicht einstellen will weil „so etwas“ nur Männer machen dann ist sie nicht befangen.

  20. 20
    Andreas says:

    @ LOL

    Leider ist es in der Praxis manchmal so, dass das Ablehnungsgesuch das einzige Mittel ist, in der Sache selbst weiterzukommen. Ich habe auch immer geglaubt, dass es das beste ist, einen Fall übereugend zu schildern und damit zu punkten. Es gibt aber auch (einige wenige) Richter, die eine Tendenz dazu habe, Argumente bzw. eindeutige gesetzliche Vorschriften und höchstrichterliche Rechtsprechung (notfalls) zu ignorieren um das angestrebte Ziel einer Partei zu vereiteln.

    Wenn man merkt, dass man mit Argumenten nicht weiterkommt, weil sie notfalls schlichtweg ignoriert werden, dann muss man auch einmal zu drastischen Mitteln greifen.

  21. 21
    Provinzverteidiger says:

    @crh Danke für den Tipp. Ich hoffe die Damen im Büro kennen das. :-) Allerdings habe ich aufgrund meiner mehrjährigen Berufsausübung eine gewisse Abscheu gegen RaserQuerulantenRechtschutzversichertenHeinis entwickelt… Ich empfehle hierzu das Mandanten-Schwarzbuch!

    • Soeben bestellt. Danke. Wenn Sie der Autor sein sollten, würde ich mich freuen, wenn Sie mir bei einer Tasse Caffè eine Widmung reinschreiben würden. Wenn nicht, dann kommen Sie auch ohne Widmung gern auf ein Tässchen vorbei. crh
  22. 22
    Kiezanwalt says:

    Sehr schön.

  23. 23
    moe says:

    Richterin am Amtsgericht K wird doch nicht die Ehefrau des berühmten Richters am Amtsgericht K in Berlin-Tiergarten sein? :D

  24. 24
    Richters Liebling says:

    Was zum Teufel ist ein Befangenheitsantrag?

  25. 25
    Max says:

    @crh / @whocares & @rakuemmerle (# 16, 17):
    Warum wurde hier überhaupt auf die EUR 35 gezielt? Die Punktgrenze liegt doch inzwischen bei EUR 60 (§ 28 Abs. 3 Nr. 3 a) bb) StVG)?

    Wäre es hier nicht für alle Beteiligten freudvoller gewesen, der Richterin mit EUR 40 das Gefühl zu geben es dem Betroffenen „so richtig besorgt zu haben“, und sich schmunzelnd aber ohne Punkte von dannen zu machen? Warum (aus verkehrsrechtlicher Sicht) dieser Aufwand?