Ich hatte in der vergangenen Woche bereits über den Verdacht berichtet, daß im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen den Rapper Bushido die Politik auf die Strafverfolgung Einfluß genommen haben könnte. Bushido war vorgeworden worden, den Regierenden Bürgermeister Wowereit beleidigt zu haben. Die Frage der Erhebung bzw. Zulassung der Anklage könnte unter Umständen nicht im Kriminalgericht beanwortet worden sein, sondern in der Senatskanzlei des gestressten Bürgermeisters.
Das Gossenblatt Berlins berichtete am Sonntag darüber, daß an der Sache etwas Ernsthaftes dran sein könnte: Es sei ein Brief aufgetaucht, in dem Oberstaatsanwalt Dr. Behm von einem rangniederen Staatsanwalt belastet wird. Behm, sein Vorgesetzter, habe „massiv auf die Bearbeitung eingewirkt, um sein Ansehen wenigstens bei Herrn Wowereit aufzupolieren„. Der OStA habe anschließend gelogen, schreibt der Mitarbeiter der zuständigen Abteilung bei der Staatsanwaltschaft, die den Bushido-Fall bearbeitet hatte.
Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. veröffentlichte am 31.03.2014 dazu die nachfolgend vollständig zitierte Pressemitteilung:
In den letzten Tagen ist in der Berliner Presse wiederholt über das Verhalten des Leitenden Oberstaatsanwalts Dr. Andreas Behm im Zusammenhang mit der Anklage gegen den Rapper Bushido wegen dessen Song „Stress ohne Grund“ berichtet worden. Das gegen Bushido eingeleitete Strafverfahren, welches unter anderem auf eine Anzeige des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit zurückging, war durch die zuständige Abteilung des Amtsgerichts nicht zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Die gegen diese Nichteröffnungsentscheidung gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte das Landgericht verworfen.
Nachdem der Verteidiger des Angeschuldigten im Beschwerdeverfahren wiederholt darauf gedrängt hatte, die Akte insoweit zu vervollständigen, als darin u. a. auch vermerkt sein sollte, ob es im Vorfeld der Anklage oder sonst Kontakte zwischen dem Anwalt des Regierenden Bürgermeisters und der Staatsanwaltschaft gegeben habe, hatte das Landgericht Berlin die Staatsanwaltschaft hierzu offiziell zur Stellungnahme in einer so genannten dienstlichen Erklärung aufgefordert. In dieser dienstlichen Erklärung teilte die Staatsanwaltschaft dann mit, es habe „im Vorfeld des Verfahrens oder außerhalb des Inhalts der Akten“ in keiner Form Kontakt zum Anwalt des Regierenden Bürgermeisters gegeben. Der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Andreas Behm soll sich dieser Erklärung offiziell angeschlossen haben, indem er handschriftlich auf dieser Erklärung vermerkt hatte „Dasselbe gilt auch für mich“.
In verschiedenen Presseartikeln der letzten Tage wird nun berichtet, dass es solche Kontakte sehr wohl gegeben habe. Konkret soll sich der Anwalt des Regierenden Bürgermeisters im Vorfeld der Anzeigenerstattung beim Leitenden Oberstaatsanwalt Dr. Behm gemeldet und ihn über den der später erstatteten Strafanzeige zugrunde liegenden Sachverhalt informiert haben.
Damit konfrontiert soll der Leitende Oberstaatsanwalt erklärt haben, dieses Gespräch zwischen ihm und dem Anwalt des Regierenden Bürgermeisters sei „aufgrund seiner inhaltlichen Bedeutungslosigkeit“ nicht in seiner Erklärung gegenüber dem Landgericht erwähnt worden.
Nun berichtet die BZ in ihrer gestrigen Sonntagsausgabe von einem ihr zugegangenen anonymen Brief eines Mitarbeiters aus der für die Anklage gegen Bushido zuständigen Abteilung der Staatsanwaltschaft. Danach soll Oberstaatsanwalt Dr. Behm in dem Gespräch mit dem Anwalt des Regierenden Bürgermeisters diesem „bestätigt haben, welche Straftatbestände er für gegeben hält“. Darüber hinaus soll Dr. Behm einen ersten Vermerk der Staatsanwaltschaft, der zu dem Ergebnis weitestgehender Straflosigkeit kam, negiert und gegenüber den zuständigen Staatsanwälten auf Anklageerhebung gedrungen haben.
Sollten die Informationen aus der Presse zutreffend sein, so hätte der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Behm gezielt Einfluss auf ein laufendes Ermittlungsverfahren genommen. Dies widerspräche der gesetzlich normierten Objektivität der Anklagebehörde. Darüber hinaus hätte der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Behm in einem laufenden gerichtlichen Verfahren eine ersichtlich unwahre dienstliche Erklärung abgegeben. Damit hätte der Leitende Oberstaatsanwalt nicht nur gegen seine dienstrechtliche Wahrheitspflicht verstoßen, sondern auch einem der wichtigsten Behördenprinzipien – dem der Transparenz – zuwider gehandelt.
Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger fordert deshalb die umfassende Aufklärung des Sachverhalts. Sollten sich die in der Presse gegen den Leitenden Oberstaatsanwalt erhobenen Vorwürfe nicht als haltlos erweisen, hätte er das Vertrauen der Mitglieder der Vereinigung Berliner Strafverteidiger verloren.
Rechtsanwalt Dr. Toralf Nöding
für den Vorstand
In dem Songtext „Stress Ohne Grund“ heißt es:
Jeden Tag im Fadenkreuz, ich zeig dir wie der Hase läuft.
Es wird nicht überliefert, ob Bushido damit den Bürgermeister oder den Oberstaatsanwalt zitiert hat.
„Sollten sich die in der Presse gegen den Leitenden Oberstaatsanwalt erhobenen Vorwürfe nicht als haltlos erweisen, hätte er das Vertrauen der Mitglieder der Vereinigung Berliner Strafverteidiger verloren.“
Ja gehts noch? Wieso sollten Strafverteidiger „Vertrauen“ zu einem Staatsanwalt oder überhaupt zu der Staatsanwaltschaft haben?
Neu ist m.E., dass die mediale Aufbereitung von Skandalen und Skandälchen nur noch Ablenkungsmanöver sind.
In der politischen Landschaft entstehen hin und wieder schwarze Löcher, etwa der famose Jahrhundertflughafen BER,
oder diverse dem NSU-Ausschuss zugrunde liegende Tatbestände, die dann zu ermittlungstechischen Überreaktionen führen, die medial breit getreten werden, so dass die schwarzen Löcher diskret verschwinden.
Da kann man nur noch dichten:
Ganz Berlin, ganz Berlin, oh ja,
schwimmt in Kokain, in Kokain…oh ja….
Heute war im SPIEGEL wieder eine hübsche kleine Notiz über die Justiz und das Gutachter(un)wesen in Bayern.
Da ist doch Berlin gaaaaaaanz weit weg.
Da habt Ihr doch Glück.
So a Stückl heile Welt – ich meine Berlin.
„Heile Welt Berlin“, alles Kokolores, und dass (auch) in Bayern wundersame Dinge passieren, ist seit dem Fall des spekulierenden Wurstmetzgers ja nun hinlänglich bekannt. Und wenn Tilman anzweifelt, dass Strafverteidiger überhaupt Vertrauen zu einem Staatsanwalt haben könnten, ist das ebenso traurig wie rechtsstaatlich bedenklich. Das „faire Verfahren“ ist ein prozessuales Grundrecht. Weshalb sollen anständige Strafverfolger – ich war etliche Jahre einer von denen – diesen Grundsatz nicht befolgen?
Selbst wenn es stimmen sollte, dass der Herr Oberstaatsanwaltschaft Wowereit imponieren wollte, heißt das ja noch lange nicht, dass Wowereit oder seine Regierung irgendetwas damit zu tun hat. Vielleicht jetzt der Oberstaatsanwalt einfach nur ehrgeizig.
Ich könnte mir vorstellen, dass Leute wie Monika de Montgazon kein Vertrauen zu einem Staatsanwalt haben.
Das Thema „Prozesssteuerung durch die Exekutive“, also die Einflussnahme von Regierung und regierungsnahen Organisationen auf ( Straf-) Verfahren ist in Berlin – und nicht nur dort – ein Dauerbrenner und wird uns auch in Zukunft noch lange beschäftigen.
Da dies im „Tatort“ am Sonntagabend nicht vorkommt bleibt es allerdings aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit weitgehend ausgeblendet.
Das Spektrum reicht von formlosen Absprachen beim Golf, Kungeleien beim Grünkohlessen bis zu
militärisch kalkulierter Sabotage.
Es reicht von einzelnen Unregelmäßigkeiten bis zu einer systematischen Strategie organisierten Rechtsbruchs.
Eine moderne Variante: elektronische und psychologische Kriegführung zwecks Verfahrenssteuerung.