Ich hatte dem Herrn aus dem Land Brandenburg vor einigen Monaten abgesagt. Er hätte es gern gesehen, wenn ich ihn verteidigt hätte. Da mir aber – sagen wir mal – der zeitliche Aufwand nicht ganz paßte, habe ich ihm geraten, einem anderen Strafverteidiger
auf die Nerven zu gehen den Auftrag zu erteilen. Damit war ich ihn los. Dachte ich.
Meinem durchaus ernst gemeinten Ratschlag ist der zeitintensive Herr aus Brandenburg aber leider nicht gefolgt. Er hat sich selbst verteidigt („das bisschen Strafrecht …„) und dem Gericht zahlreiche lange Briefe geschrieben. Einzeilig, mit reichlich Anlagen.
In der Gerichtsverhandlung gab es dann eine Diskussion zwischen ihm und der Richterin. Man habe ihm keine Akteneinsicht gewährt und deswegen stellte er einen Antrag:
Es gab noch einige Nachbesserungen, dann beschloß und verkündete (b.u.v.) das Gericht:
Damit war ein verhängnisvolles Stichwort gefallen: „Rechtsanwalt“. Da der Herr nun mal nicht auf den Kopf gefallen ist, haute er den nächsten Antrag raus:
Gar nicht so bekloppt, wie es zunächst scheint. Denn wenn ersichtlich ist, daß sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann (§ 140 II StPO), muß das Gericht einen Pflichtverteidiger bestellen.
Offenbar hat der Brandenburger die Richterin überzeugen können. Denn er bekommt Gelegenheit dazu, dem Gericht einen Rechtsanwalt zu benennen, der ihm zum Pflichtverteidiger bestellt werden soll.
Und dann nahm das Unheil seinen Lauf. Ohne auf den Gedanken zu kommen, diesen Rechtsanwalt vorher mal kurz zu befragen, was er von der Idee hält, sich jetzt als Pflichtverteidiger zum Affen machen zu lassen, beschließt und verkündet sie:
Noch am gleichen Tag verschickt das Amtsgericht Nauen die Ausfertigung des Beschlusses (pdf), meine Ladung zum neuen Termin im September und die komplette Gerichtsakte.
Vom Pferd getreten geglaubt, habe ich erstmal einen gleichwohl sehr sachlich formulierten Antrag gestellt. Ich bin auf die Reaktion der Richterin gespannt, obwohl mir die Rechtslage (z.B. KG Berlin, Beschluss vom 12. April 1978 – (1) 1 StE 2/77, (1) 1 StE 130/77 –; juris) grundsätzlich bekannt ist.
Übrigens: Die Rolle des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft in diesem Schaustück, so wie sie in dem Sitzungsprotokoll beschrieben wurde, ist einen eigenen Beitrag wert.
Sorry aber….
BWAHAHAHAHAHA
Das ist einfach ein super Schauspiel :D
Der MAnn spielt sicher meisterhaft Schach…. immer sieben Schritte voraus!
Wurde da etwa ein Ablehnungsantrag zwar formal als unzulässig, der Beschlußbegründung nach aber als unbegründet abgewiesen?
Da ergeben sich doch gleich Möglichkeiten für die Sprungrevision.
Viel Spaß! ;-)
Ein Stalker! ;-)
Gibt´s den sehr sachlich formulierten Antrag denn auch noch zu sehen? Das wäre doch fein:-)
Ich bin mir sicher, der Mandant wird Sie engagiert in den Fall und die Rechtslage einarbeiten. Machen Sie sich da mal keine Sorgen.
@ Kollege Handschumacher:
Ein Befangenheitsantrag ist unzulässig, wenn er offensichtlich unbegründet ist.
Finde es immerhin groß, hier über diesen Fall zu berichten, auch wenn von Vornherein klar ist, dass jeder Leser erst einmal laut auflacht. ;-)
KG (1 StE 2/77):
„Wichtige Gründe, die die Rücknahme der Bestellung zum Pflichtverteidiger rechtfertigen könnten, liegen nicht vor, wenn der Pflichtverteidiger vom Angeklagten tätlich angegriffen, bedroht und beleidigt wird.“
Schon heftig !
Wenn demnächst die von vielen Strafverteidigern herbeigesehnte starre Pflichtverteidigerliste kommt, werden derlei Beschlüsse normal.
Auch für RA’e heißt es dann: Rosinenpicken adé.
Was ist jetzt besser: ein motivierter Verteidiger der aber mangels Fähigkeiten den Urteilsbegleiter macht oder ein fähiger Verteidiger der nicht so wirklich motiviert ist den Fall aber im Halbschlaf erledigt?
Jedenfalls hat der Beschuldigte das geschickt eingefädelt.
Hat er keine oder (nach seiner Meinung) nur unvollständige Akteneinsicht bekommen?
Ich habe selbst erlebt, wie pauschal die StA Akteneinsichten von Beschuldigten ohne Rechtsanwalt abwiegeln.
Bei aller Liebe, die Sauklaue ist ja so gut wie nicht lesbar. Ist der Mandant Arzt?
Ich wünschte mir, es gäbe einen Mouseover, wo diese Hieroglyphen transkribiert lesbar wären.
@ Kollege Lutz
Da wäre ich mir nicht so sicher:
(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn
1. die Ablehnung verspätet ist,
2. ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht angegeben wird oder
3. durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.
„Völlig ungeeignet“ = unbegründet. ;-)
Wenn die vorgetragene Begründung des Ablehnungsgesuchs aus zwingenden rechtlichen Gründen ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit auszulösen, ist dieses Gesuch unzulässig im Sinne des § 24a Abs.1 Nr. 2. Das ist in der Rechtsprechung längst ausgepaukt und In jeder gut sortierten Kommentierung (mitsamt reichlichen Fundstellennachweisen) nachlesbar.
Für einen Verteidiger gibt es vollständige Akteneinsicht, ein Angeklagter hat diesen Anspruch nach der StPO nun einmal nicht; da hat das Gericht keine andere Möglichkeit, als einen darauf gerichteten Antrag abzulehnen. Ein Ablehnungsgesuch mit der o. g. Begründung Eingaben der Sorte „der Richter ist befangen, weil er das Hauptverfahren eröffnet hat und dadurch zeigt, dass er die Verurteilung für wahrscheinlich hält“ deshalb in nichts nach.
Off-Topic:
Sollte ich mal wegen Erwerbs oder Beihilfe zum rechtswidrigen (sic!) Erwerb einer Steuer-CD einen Anwalt benötigen, würden Sie mich dann vertreten? Schließlich sind Sie in meinem Handy die Nummer eins, noch vor Kantholz Siebers!!
Ich dachte ja immer, als Organ der Rechtspflege und mit Hinblick auf das Selbstverständnis als Strafverteidiger macht man solche Sachen gern?
http://www.kanzlei-hoenig.de/home/mandanten-informationen/strafrecht/strafverteidiger-und-strafverteidigung/
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Das sollte auch für eine durchschnittliche begabte Richterin am Amtsgericht erkennbar sein. Dem Mandanten mache ich nur in begrenztem Umfang einen Vorwurf (vgl. § 21 StGB). Die Richterin hätte es aber wissen müssen (dol. event.), daß es zumindest die Höflichkeit gebietet, mal bei uns nachzufragen, was mit der Übernahme dieser Pflichtverteidigung ist; schließlich hatte sie ja die Störung des Mandanten erkannt.
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Insgesamt ändert dieser Fall nichts daran, daß wir nach wie vor die Armen und Bekloppten gern verteidigen, die ansonsten vom Moloch der Jusitz platt gemacht werden. Aber ich bin eben auch nicht die Mutter Theresa der Persönlichkeits- und Verhaltensgestörten. crh
@crh: Soll das heißen, es gibt keine maschinenschriftliche Reinschrift des Protokolls? o.O
Lieber Kollege Hoenig,
über einen Beitrag bzgl. der „Rolle des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft in diesem Schaustück“ würde ich mich noch freuen.