Es wurden DNA-Muster in einer Spur mit der Bezeichnung 120122-0355-024828 S003.4R festgestellt. Eines der beiden Muster stammt vom Geschädigten. Die Person, der das andere Muster zuzuordnen ist, wurde gesucht.
Dem Sachverständigen war aufgegeben herauszufinden, ob die „Person 11-BA984-2“ der Spurenleger gewesen sein könnte. Oder ein Dritter, von dem bisher wenig bis nichts bekannt ist.
Der DNA-Gutachter bildet zwei Hypothesen, und vergleicht bei beiden die Wahrscheinlichkeit, ob die „Person 11-BA984-2“ der Spurenleger war oder der unbekannte Dritte:
Ich fürchte, der „Person 11-BA984-2“ fehlen jetzt etwa drei Milliarden Argumente dafür, daß sie nicht derjenige ist, für die die Anklageschrift sie hält.
Das kommt dabei raus, wenn der Verteidiger Fragen stellt, ohne zu wissen, wie die Antwort lautet. Oder wenn er das glaubt, das man ihm – nach ausfüüüüüüüührlicher Belehrung – hoch und heilig geschworen hat: Nämlich, daß die Antwort niemals nie nicht so lauten könne, wie sie jetzt lautet.
Das Schlüsselwort ist im 2. Absatz zu finden: „Unverwandt“
Was kann der Beklagte dafür, wenn sein, ihm bisher unbekannter, eineiiger Zwilling so einen Mist baut…
Wenn ich das so lese, scheint mir eine Kristallkugel deutlich zuverlässiger für die Beweisführung. Oder Lotto spielen.
Zur Beweiskraft eines DNA-Gutachtens gibt es umfangreiche Literatur. Ich denke, die wirst du kennen. Zunächst einmal muss man fragen, wie hoch die Zahl der falsch-positiven Ergebnisse ist. Und was weitaus bedeutender ist (aber nie rausgerückt wird): Welche Laborfehler sind möglich? Das ist wie bei den Fingerabdrücken. Hier sind es meistens die Fehler der Untersuchung, die zu falschen Ergebnissen führen. Und das ist bei der DNA-Analyse nicht viel anders. Amerikanische Verteidiger haben sich darauf spezialisiert, nach Laborfehlern und anderen Fehlermöglichkeiten in der Verarbeitung zu suchen. Die DNA-Gutachter hören solche Fragen überhaupt nicht gerne ;-)
Da hat der Verteidiger wohl was falsch gemacht, wenn der Mandant ihm so wenig Vertrauen entgegenbringt, daß er ihm – nach ausfüüüüüüüührlicher Belehrung – noch nicht einmal die Wahrheit sagt ;-)
„oder wenn der Verteidiger glaubt…“ -> ist für Glaubensfragen nicht die Kirche zuständig…?
a) Hypothese und „Alternativhypothese“ decken sich nicht gegenseitig ab. „Unverwandt“ ermöglicht einen wesentlich größeren Spielraum als nur einen unbekannten Zwilling.
b) Die Rechnung, die eine Wahrscheinlichkeit von 1:3 Mrd ergibt, hätte ich gerne mal aufgeschlüsselt. Schon die Wahrscheinlichkeit eines Labor-, Verpackungs- oder Transportfehlers ist wesentlich höher. Wo findet sich ein solcher berücksichtigt?
c) Gibt es eine Gegenprobe?
Ich empfehle vor dem Lesen solcher Gutachten unbedingt den Vortrag über Risikokompetenz von Prof. Gerd Gigerenzer anzuhören:
http://www.dradiowissen.de/entscheiden-i-fluch-der-vielen-moeglichkeiten.88.de.html?dram:article_id=260138
Dort wird übrigens fast genau diese Fall besprochen.
Hier wird ein Verhältnis angegeben. Aber keine absoluten Zahlen. Was ist denn, wenn Hypothese ii extrem unwahrscheinlich ist? Dann muss Hypothese i nur ein wenig sicher sein um ein extrem hohes Verhältnis der Wahrscheinlichkeiten zu erhalten. Und was genau ist ein Likelihood-Ratio? Ist das ein einfaches Verhältnis – warum schreibt man es dann nicht? Oder ist es was anderes und führt den Leser ohne passende Statistik-Kentniss auf Glatteis?
[…] kanzlei hoenig: Drei Milliarden Argumente. […]
Was bedeuten schon 3 Milliarden, wenn die Weltbevölkerung derzeit auf über 7,1 Milliarden geschätzt wird?
Immerhin untersuchen diese Sachverständigen nicht das gesamte Genom sondern nur markante Ausschnitte hiervon.
Die „Person 11-BA984-2? hat also noch mindestens 4 Milliarden Gründe zur Verfügung. Das wäre noch besser als 50 : 50. Unbekannte Verwandte gibt es auch immer wieder.
Aber das ist nur Theorie. Die Praxis ist nun einmal eine andere.
Wer in der Klippschule aufgepasst hat, weiß, dass aus der DNA das Geschlecht des Täters erkennbar ist.
Damit entfallen 50 % der Bevölkerung; doppeltgeschlechtliche Zwitterwesen und Geschlechtslose oder Außerirdische einmal ausgelassen.
Und Säuglinge dürften auch ausscheiden; Hundertjährige demenzkrank, ebenfalls…
Und die 4 Milliarden Menschen, die niemals einen Fuß in die Nähe des Tatorts gesetzt haben, fallen ebenfalls raus.
Falls jetzt keine Revolution ausbricht, muss der Gute in den Knast.
Hallo,
da steht doch aber explizit nicht „Hypothese 1 bzw. 2 trifft auf zwei Menschen der Welt zu“ sondern es steht sinngemäß: Teile Wahrscheinlichkeit der ersten Hypothese durch die Wahrscheinlichkeit der zweiten Hypothese und es ergibt 3 Milliarden bzw. den Kehrwert davon.
Was sagt uns das über die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten? Genau – nur, dass diese in einem bestimmten Verhältnis stehen. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn die (absolute) Wahrscheinlichkeit der Hypothese ii z.B. 1e-12 betägt, dann wäre die Wahrscheinlichkeit der Hypothese i mit dem dreimilliardenfachen 0,3%. Wen möchte man aber für eine Wahrscheinlichekit von 0.3% verurteilen?
@Martin Laabs
Der Gutachter scheint davon auszugehen, dass die Summenwahrscheinlichkeit der beiden Hypothesen 1 ist (wenn man mal großzügig über die Einschränkung „unverwandt“ hinwegsieht).
Worauf die Wahrscheinlichkeit sich beziehen soll, ist unklar (oder falsch). Vermutlich meint er die Wahrscheinlichkeit, daß dieses Ergebnis rauskommt, wenn in Wirklichkeit Hypothese 2 zutrifft.
7,1 Milliarden weniger ungefähr 50 % (wegen des Geschlechtes) sind ungefähr 3,5 Milliarden.
Es bleiben also rund 500 Millionen übrig.
Statistik ….